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Genetische Untersuchung geben Einblicke in die Evolution der „Bahamas-Schildkröte“
Wissenschaftler von Senckenberg und der Universität Potsdam haben das Erbgut der ausgestorbenen Riesenschildkröte Chelonoidis alburyorum untersucht. Dem internationalen Team gelang es erstmalig, eine vollständige DNA-Sequenz der tropischen Tiere zu gewinnen. Das Erbgut offenbart, dass die Bahamas-Schildkröten nahe Verwandte der Galapagos-Schildkröten und der südamerikanischen Chaco-Schildkröten waren. In ihrer am 11. Januar 2017 im Fachjournal der Royal Society of London „Proceedings B“ erschienenen Studie zeigen sie zudem, dass die Tiere vom Menschen ausgerottet wurden.
Vor etwa 1.000 Jahren waren die Bahamas noch die Heimat der Riesenschildkröte Chelonoidis alburyorum – dies änderte sich kurz nach der Besiedlung der Inseln durch den Menschen. „Heute finden wir nur noch fossile Überreste dieser etwa einen halben Meter großen Schildkröten“, erklärt Professor Uwe Fritz, Direktor der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Wir haben erstmalig das Erbgut der Bahamas-Schildkröten untersucht und konnten so feststellen, dass diese vor etwa 850 Jahren ausgestorbenen Tiere nahe mit den Galapagos-Schildkröten und den Chaco-Schildkröten aus Südamerika verwandt sind.“ Die nächsten Verwandten dieser Landschildkröten und zweier weiterer südamerikanischer Spezies leben, wie die Ergebnisse der Studie zeigen, erstaunlicherweise in Afrika. Die untersuchte Schildkrötengruppe muss sich also in der Erdgeschichte mehrfach über die Ozeane hinweg, beispielsweise mit Treibgut, ausgebreitet haben und konnte so von Afrika nach Südamerika und von dort aus auf die Galapagos-Inseln und die Bahamas gelangen. Mit hoch spezialisierten Labormethoden hat das internationale Team um den Dresdner Wissenschaftler und Professor Michael Hofreiter von der Universität Potsdam erstmals genetische Daten – ein nahezu vollständiges mitochondriales Genom – aus einem 1.000 Jahre alten Oberarmknochen der Riesenschildkröte gewonnen und mit heute lebenden Arten verglichen. Möglich war dies durch eine für die Tropen ungewöhnlich gute Erhaltung der Schildkrötenknochen. „Die von uns untersuchten Fossilien stammen aus sogenannten ‚Blauen Löchern’ – das sind meerwassergefüllte Karstlöcher, die offenbar eine relativ gute DNA-Konservierung ermöglichen“, erklärt Hofreiter. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Untersuchung der DNA ausgestorbener tropischer Tiere.
Von Chelonoidis alburyorum sind auf den Bahamas nur noch fossile Überreste wie dieser Carapax übrig, die in meerwassergefüllten Karstlöchern, den sogenannten Blauen Löchern, konserviert gefunden wurden. Foto von Brian Kakuk, mit freundlicher Genehmigung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Die Riesenschildkröten verschwanden innerhalb weniger Jahre nach der Besiedlung der Bahamas durch den Menschen – lange bevor Kolumbus Amerika entdeckte. Fritz erläutert: „Dies ist ein allgemeines Muster, da auf den Bahamas und Antillen zahlreiche größere Tierarten kurz nach der Ankunft des Menschen verschwanden. Es zeigt, dass der Mensch auch früher nicht im Einklang mit der Natur lebte, sondern Nahrungsquellen schon immer übermäßig ausbeutete und Lebensräume veränderte. Heute findet dieser Prozess aber im Vergleich zu früher in einem erschreckenden Tempo statt, so dass der Artenverlust und die Verarmung unserer Umwelt bedrohliche Dimensionen angenommen haben.“ Immerhin kann Erbgut aus den „Blauen Löchern“ in Zukunft helfen, besser zu verstehen, welche Arten schon längst unwiederbringlich verloren gegangen sind und welche Lebensgemeinschaften ohne den Menschen dort vorkommen würden.
Pressemeldung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 11.1.2017
Anmerkung: Auf Anfrage teilte uns Prof. Dr. Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden mit, dass über die in der Pressemeldung angegebene Länge von etwa 50 cm hinaus bisher keine weiteren Angaben über Abmessungen und Gewicht existieren. Damit scheint die „Bahamas-Schildkröte“ nicht größer als die zentralafrikanische Spornschildkröte (Centrochelys sulcata) gewesen zu sein, eher noch etwas kleiner. H.K.
Dieser Beitrag wurde am 14. Januar 2017 online gestellt.
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Text von Horst Köhler, Fotos von Bob Nosbusch, Luxemburg
Der Luxemburger Bob Nosbusch ist 33 Jahre alt und beschäftigt sich mit Landschildkröten bereits seit seinem siebten Lebensjahr. Schon als er als Jugendlicher noch bei seinen Eltern wohnte, gehörte ihm dort eine 45 kg schwere Spornschildkröte, die sehr zutraulich und quasi Mitglied der Familie war.
Eine gezielte Zucht betreibt der begeisterte Schildkrötenfreund nicht. Wenn seine Schildkröten Eier legen (Bild 1) und er weiß, dass der genügend Abnehmer für die Schlüpflinge hat, brütet er die Eier aus – sonst nicht. „Es geht mir nicht ums Geldverdienen“, sagt er, „wenn ich meine Stromrechnung damit ein wenig finanzieren kann, bin ich schon glücklich“. So konnte er alle seine restlichen Nachzuchten der Ostrasse der Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri) von 2015 bis auf einen Schlüpfling, den er behalten möchte, verkaufen. Auch in diesem Jahr (2016) sind bei ihm schon T.h.boettgeri geschlüpft und, zu seiner großen Freude, zum ersten Mal auch Marginata-Nachzuchten.
Unterstützt wird Bob in seiner Begeisterung für die Schildkröten von seiner Ehefrau Michèle, die sich besonders viel um die jungen Landschildkröten kümmert.
Bild 1: Nicht immer verläuft die Eiablage von Schildkröten problemlos. Im Bild ein 25 Jahre altes Boettgeri-Weibchen von Bob beim Absetzen eines zerbrochenen Eies. Es handelte sich um das erste Ei von insgesamt sechs Eiern, wobei die übrigen fünf intakt in der ausgehobenen Nistgrube landeten. Das Weibchen musste sich beim Austreiben des ersten Eies sehr anstrengen und stark pressen. Vielleicht ist dabei das Ei zerbrochen.
Was ihn möglicherweise von anderen Züchtern unterscheidet, ist, dass er gleich sechs verschiedene Arten hält:
Zuchtgruppe T. hermanni boettgeri: Ein Männchen und vier Weibchen (Bild 1) im Alter zwischen acht und 25 Jahren. Ihr Gehege ist etwa 40 m2 groß.
Zuchtgruppe T. hermanni hermanni (Westrasse der Griechischen Landschildkröte): drei adulte Schildkröten, die Bob jedoch bei ihren Artgenossen bei seinem Vater untergebracht hat.
Zuchtgruppe Breitrandschildkröten (Testudo marginata): zwei Männchen und ein Weibchen, die sich in einem eigenen Gehege von etwa 60 m2 aufhalten. Da eines der Männchen dem Weibchen besonders zusetzt und deswegen auch oft separiert werden muss, suchte Bob für seine Gruppe ein semi-adultes bzw. ein schon geschlechtsreifes Marginata-Weibchen. Er fand im Frühjahr dieses Jahres auch eines, musste dafür aber auch noch eine Gruppe von Pantherschildkröten (Stigmochelys pardalis) abnehmen. Der Vorbesitzer ist umgezogen und hatte im neuen Heim keinen Garten für die Schildkröten mehr; Bob hatte Mitleid und nahm die „Panther“ auch noch mit.
Bild 2: Eine von Bobs Köhlerschildkröten. Da die Tiere in ihrem Abstammungsgebiet nicht nur im trockenen Flachland und in eher trockenen Waldgebieten vorkommen, sondern auch in Regenwäldern mit hoher Luftfeuchtigkeit (und gleichbleibend hohen Temperaturen), empfiehlt sich bei der Haltung dieser Art in jedem Fall die Aufstellung eines Wasserbeckens und eine regelmäßige Substratanfeuchtung.
Zuchtgruppe Köhlerschildkröten (Chelonoidis carbonaria), Bild 2: ein Männchen und zwei Weibchen. Diese Tiere hat Bob von seinen Eltern übernommen, weil die nur noch Griechische Landschildkröten halten wollen. Da die im Norden des südamerikanischen Kontinentes beheimateten Tiere bis zu 40 cm, ja sogar 50 cm groß werden können, baut Bob für sie gerade ein eigenes Gehege. Bis es so weit ist, sind die Tiere vorübergehend noch bei den Breitrandschildkröten untergebracht.
Drei Centrochelys sulcata (Spornschildkröten), vermutlich ein Männchen und zwei Weibchen, siehe Bild 3, die noch nicht allzu lange in seinem Besitz sind. Diese Tiere wiegen aktuell 7 kg, 10 kg und 15 kg. Der Dreiergruppe steht ein Freilandgehege von knapp 400 m2 Fläche zur Verfügung, was ein Drittel der Fläche von Bobs Garten ausmacht. Wenn nötig, könnte er es bis auf etwa 1.400 m2 erweitern. Die Spornschildkröten und auch die Köhlerschildkröten haben bis jetzt noch keine Gelege abgesetzt, vermutlich sind die Schildkröten noch nicht geschlechtsreif.
Bild 3: Zum Fotografieren wurden die drei Spornschildkröten, die sich sonst auf den gesamten Garten verteilen würden, in das Gehege der Köhlerschildkröten gebracht. Man sieht hier sehr schön den Größenunterschied der beiden Arten, die beide noch nicht geschlechtsreif sind.
Bild 4: Der größte Teil des Gartens wird von den drei Spornschildkröten beansprucht, deren Laufspuren man bei genauem Hinsehen ausmachen kann. Rechts die Gehege für die anderen Arten mit einem Gewächshaus, in dem die Griechischen Landschildkröten in einer Grube überwintern.
Die Spornschildkröten teilen sich bei Bob den Garten mit seiner Familie und halten sich tagsüber in dem in Bild 4 abgebildeten Gartenbereich auf, dort wo das Pavillongerüst und die Kinderrutsche zu sehen ist. Die Eingrenzung besteht aus U-Profilen aus Eisen, in die Bretter eingesteckt sind (Bild 5). Muss der Garten gemäht werden, werden die Holzbretter einfach nach oben herausgehoben und nach dem Mähen wieder in die Nuten der Profileisen gesteckt.
Bild 5: Eine einfache, aber wirksame Lösung der Einfriedung des Spornschildkrötenbereichs: eiserne U-Profile mit eingesteckten Brettern. Zum Mähen des Rasens werden diese einfach herausgenommen. Ganz rechts im Eck sitzt eine der drei Spornschildkröten.
Als Winterquartier steht den drei Spornschildkröten Bobs Garage zur Verfügung. Dort hat er eine große Holzkiste mit den Abmessungen 5 x 4 m und einer Höhe von 1,2 m gezimmert. Diese „Kiste“ kann noch erweitert werden.
Schließlich besitzt Bob auch noch, wie oben erwähnt, die „notgedrungen“ übernommenen Pantherschildkröten. Es handelt sich um zwei semi-adulte Weibchen, die zwischen vier und fünf Jahre alt sind.
Bobs großer Traum ist es jedoch, irgendwann in Zukunft nur noch Panther- und Strahlenschildkröten zu pflegen, aber bis dahin werden wohl noch viele Jahre vergehen …
Dieser Beitrag wurde am 9. August 2016 online gestellt.
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Text und Bilder von Gudrun Maria Lück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Hinweis: Die Autorin des nachfolgenden Artikels (Bild 1) hat meine Gedanken zum Verschleudern von Schildkröten-Schlüpflingen gelesen und ihre Meinung zu diesem Thema niedergeschrieben. Dass mir von einigen Foren-Liebhabern zu Unrecht schlechtes Verkaufsverhalten, Gewinnstreben und mangelnde Liebe zu Schildkröten (!) vorgeworfen wurde, nur weil ich meine Nachzuchten um 55 € verkaufte, hatte Konsequenzen: Meine letzten Nachzuchten aus 2015 sind verkauft, die Zuchttiere verschenkt, die früheren Gehege abgebaut und das Finanzamt, an welches 19 % MWSt vom Verkaufspreis abzuführen war, von der Zuchteinstellung informiert. Doch das Abgeben von Nachzuchten zu Schleuderpreisen um 35 € und darunter bleibt auch weiterhin ein Thema, auch für diese Website.
Dem ausdrücklichen Wunsch der Autorin, ihren Text unverändert zu veröffentlichen, wurde entsprochen.
Horst Köhler
Bild 1: Die Autorin mit ihrer Patenschildkröte „Catweezle“, die sie von ihrer zuständigen Unteren Naturschutzbehörde anvertraut bekam. Dieses Tier wurde wahrscheinlich ausgesetzt und als Fundtier gemeldet. Es war von Füchsen und Wildtieren schlimm zugerichtet worden und wurde von der Autorin mit Hilfe eines reptilienkundigen Tierarztes wieder gesund gepflegt.
Sehr geehrter Herr Köhler, wir kennen uns nicht, aber mich begleitet mit vielen anderen ebenfalls wertvollen guten Werken Ihr Buch „Aufzucht von europäischen Landschildkröten-Babys“ seit vielen Jahren. Dieses Buch hat mir zu einer artgerechten Haltung und Zucht meiner Tiere verholfen. Dass Sie Ihr Hobby aufgegeben haben aufgrund von Anschuldigungen Fremder, die der Meinung sind, dass man mit der gesunden Annahme eines „Aufzucht-Entschädigungsgeldes“ für die Abgabe eigener Nachzuchten das große Geld scheffeln will, bedaure ich sehr. Wie erwähnt, bin ich ein Fan von Ihnen und schätze Ihre Arbeiten sehr. Ich selbst arbeite ebenfalls an einem Schildkrötenbuch, während ich meine Elterntiere, die ich zumeist von Babys an groß gezogen habe, beobachte und alles für die „Nachwelt“ notiere, was mir wichtig erscheint. Es kostet unheimlich viel Zeit und es ist ein Mega-Aufwand, neben den ganzen Behördenpapieren und Fotos für die Dokumentationen alles festzuhalten und eben nicht NUR zu züchten. Die Nächte die ich an Auswertungen und anderen Arbeiten am PC verbringe, kosten mich nicht viel Geld, aber oft viel Kraft.
Kritiker wissen nicht immer alles
Ich bin kein Freund von Foren. Auch wenn ich oftmals darin lese, verabscheue ich die Menschen dort, die einen z.B. hilfesuchenden Anfänger, anstatt ihm zu helfen und nett aufzuklären, fertigmachen bis der Betreffende nicht selten verzagt und sich gar nicht mehr traut, irgendwo irgendwelche Fragen zu stellen. Nicht selten, da bin ich mir sicher, müssen aus dieser Unsicherheit heraus dann Tiere sterben, weil Frau oder Mann Angst hat, Fehler zu melden und sich Hilfe zu holen. Diese verzweifelten Menschen wenden sich oft telefonisch oder per Mail mit Fragen an mich, weil sie erfahren haben, dass ich niemanden vorverurteile und jeden so sein lasse, wie er sein möchte und jedem gerne zum Schutz dieser Tiere beratend zur Seite stehe. Denn es geht mir dabei rein nur um die Tiere und deren Gesundheit.
Bild 2: Nach viel Arbeit, viel Liebe und vielen, vielen investierten Euros in die Zucht: meine ersten Nachzuchten nach 12 Jahre langem Aufbau der Zuchtgruppe und Aufzucht der Elterntiere von Babygröße an.
Und ich bin mir sicher, dass genau diese Menschen (die andere in Foren niedermachen, ob gewollt oder ungewollt) die sind, die sich die Mäuler über einen anständigen Züchter zerreißen, der nicht mal all die Kosten, die er hatte, einfordert für ein Abgabetier, weil diese Menschen sich in der Anonymität der meisten Foren und des Internets aufspielen und meinen, mitreden zu können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Nörgler nicht wissen, wie die Stromrechnung eines Züchters aussieht, der für die artgerechte Haltung der Elterntiere an nichts spart. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Leute nicht wissen, was eine gute UV-Beleuchtung kostet und wie oft sie getauscht werden sollte – nicht wissen, wie teuer eine EU-Bescheinigung ist, die gute Fotos benötigt. Nicht wissen, dass man für eine Kühlschranküberwinterung auch für eine ganze Zucht Kühlschränke benötigt. Ich habe für meine Tiere drei mannshohe Kühlschränke im Gebrauch!
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass diese Nörgler nicht wissen, wie eine Wasserrechnung aussieht für die Versorgung eines 100-Quadratmeter-Geheges, in dem die Tiere immer sauber und stolz den Schildkrötenkäufern präsentiert werden und die Tiere sich wohl fühlen. Sepia, Muschelgrit, Brutsubstrat, Kunstglucken, immer wieder frische Erde und Sand, alles muss erneuert werden, wenn es hygienisch zugehen soll. Überwinterungsbehälter noch und noch, Gewächshausausbesserungen usw., man kann gar nicht alles aufzählen, soviel ist es: Markierungsstifte, Entwurmung, Agrobs im 8-kg-Züchterpacks, Agrobs-Baby für die Nachzuchten, Vita Lux 300 Watt fallen mir spontan noch ein.
Dürfen solche Personen überhaupt über uns Züchter eine Meinung abgeben?
Meine Tiere müssen auch zu gewissen Zeiten zugefüttert werden, auch wenn das Gehege noch so groß ist, es geht nicht anders. Ich habe aber noch keinen Laden gefunden, der mir all das Futter schenkt. Stellen Sie sich mal vor, diese Geschäfte wollen alle an ihrem Grünzeug verdienen, weil sie - wie wir - nicht bereit sind, einem wildfremden Menschen ihre Arbeitskraft, ihr Wissen und ihr Geld zu schenken.
Bild 3: Zwei semi-adulte Weibchen in einem meiner Gehege, die sich gerade der Morgensonne zuwenden und aufwachen. Diese beiden schlafen immer gemeinsam in ihrer Lieblingshöhle und sind definitiv keine Einzelgänger.
Mein Verkaufspreis: 85 Euro
Und genau deshalb kosten bei mir Nachzuchttiere auch keine 40 € und schon gleich gar nicht 25 €, sondern genau 85 €. Richtig gelesen, 85 €, weil mir der Tierarzt auch keinen Herpestest der Elterntiere schenkt und weil mir der Stromanbieter den Strom nicht umsonst liefert. Und weil meine eigens für meine Tiere mitgenutzte Wohnung für all die Arbeiten und Pflegedienste an meinen Tieren, für all die Dinge, die ich zu ihrer Versorgung brauche, und ja irgendwo untergestellt werden müssen, auch nicht umsonst ist, auch wenn es sich um die untere Wohnung meines Zweifamilien-Eigenheimes handelt, will die Bank ihr Geld monatlich dafür sehen und schenkt mir ebenfalls nichts.
Ich investiere für jeden Käufer mindestens zwei bis drei Stunden Aufklärungszeit, damit auch ein Anfänger ein solches Tier halten kann. Ich bringe dem Käufer das Leben dieser Tiere von Anbeginn der Entstehung nahe, um ihm zu zeigen, wie wertvoll so ein Tier ist, indem ich jedes Ei, aus dem ein Baby schlüpft, für den Käufer säubere und es ihm in einem Gläschen mit Korken liebevoll übergebe, als Andenken wie dieses Lebewesen einst mühsam entstanden ist. Nicht mal die Glasherstellerfirma schenkt mir diese vielen Gläschen, unglaublich oder?
Hallo Leute, werdet doch mal wach, ich habe mich bis heute immer sehr zurückgehalten und oft bei wirklich dummen und arroganten Kommentaren in Foren eine Faust in der Tasche gemacht. Doch heute habe ich das Bedürfnis zu reden, weil es mich maßlos ärgert, dass man jetzt schon solche Fachleute wie Herrn Köhler aus der Zucht und dem Hobby herausekelt.
Bild 4: Eines meiner Nachzuchttierchen aus dem Jahr 2014. Meine Schildkrötenkäufer kommen trotz des Preises von 85 Euro pro Tier und der vielen „günstigeren“ Angeboten im Internet nicht selten und immer wieder von weit her. Sie sind froh, ausführlich beraten zu werden.
Wenn ich mir die Preise für Toilettenpapier ansehe: Selbst ein Toilettenpapier-Hersteller darf für seine Dienste Geld, und zwar soviel fordern, wie er braucht, um zumindest seine Kosten zu decken. Aber eine Schildkröte, die so ein wertvoller Diamant der Natur ist, und den wir Züchter für die Menschheit zu erhalten versuchen, soll dies nicht wert sein?
Ist man sich nicht darüber im Klaren, dass man nur gesunde Nachkommen hat, die irgendwann wieder Nachkommen haben, wenn die Elterntiere gesund sind? Ist man sich nicht darüber im Klaren, dass diese Elterntiere entweder über zehn oder mehr Jahre erst mal groß gezogen werden müssen, während man auch die laufenden Kosten trägt, nach denen keiner fragt? Ist man sich darüber im Klaren, dass der Aufbau einer Zucht Tausende von Euro schluckt? Wenn man Pech hat, gerät man als Anfänger an einen „Billigzüchter“, der seine Tiere unbedingt für wenig Geld los werden möchte und einen dann noch mit der Bruttemperatur angelogen hat, weil man nach sieben Jahren feststellt, dass man ja doch „nur“ Männchen gekauft hat und mit dem Zuchtaufbau von vorn beginnen muss, sich von lieb gewonnen Tieren trennen muss um irgendwann doch züchten zu können - um des Erhalts dieser wertvollen Tiere?
Ich wünschte, ich hätte den Artikel von Herrn Köhler über seine Erfahrungen viel früher gelesen. Ich habe ihn nur durch Zufall entdeckt, weil ich nach Infos über Albinoschildkröten gesucht habe, die leider mit ihrem Gendefekt unter Sammlern so beliebt sind, für die viel Geld ausgegeben wird um diese wieder zu verpaaren - um wieder weiße Tiere hervorzubringen, die einen Gendefekt haben und in ihrer Gesundheit benachteiligt sein können. Es ist unglaublich, aber da schreit kein Mensch, dass das, was ich übrigens als Qualzucht ansehe, für so viel Geld verkauft wird. Da wird mit „kranken“ Schildkröten viel mehr Geld gemacht als jemals reingesteckt wurde, und das ganz bewusst. UM so etwas sollte man sich kümmern, nicht um einen ganz normalen Züchter, der seine Nachzuchten liebevoll großzieht und mit seinem Wissen und Erfahrungen uns allen Züchtern und auch den Käufern so wertvolle Infos übermittelt.
Geldverdienen ist nicht strafbar
Geld verdienen ist heutzutage Gott sei dank noch nicht strafbar, aber das tun wir ja als Züchter, die einen anständigen Preis für anständige Nachzuchten aus einer anständigen verantwortungsvollen Zucht verkaufen, nicht mal. Wir legen trotzdem drauf, weil wir unser Hobby lieben, weil wir uns dem Tierschutz versprochen haben, weil wir verhindern wollen, dass illegal Raubbau in den Habitaten verübt wird. Ein Züchter, der einen angemessenen Preis für seine Nachzucht nimmt, kann wohl mit ruhigem Gewissen sagen, dass er mehr Geld in seine Tiere investiert, als er jemals zurückbekommen kann. Da finde ich Herrn Köhlers Zweifel richtig, dass man sich schon Gedanken machen darf, egal ob als Züchter oder als Käufer, ob jemand wirklich genug in die Gesundheit seiner Zucht investiert und diese Nachkommen auch ein langes Leben zu erwarten haben, wenn jemand seine Tiere so preisgünstig abgeben oder sogar verschenken kann. Bei Tieren und Elterntieren, die regelmäßig reptilienärztlich betreut wurden, deren Kot regelmäßig untersucht wird, die mehrmals einen Herpestest hinter sich haben, die regelmäßig Winterschlaf halten, die ein Gehege haben, das Auslauf und artgerechte Unterbringung garantiert, finde ich, kann man von einem guten Züchter nicht erwarten, dass er seine Tiere an Fremde verschenkt. Wir Züchter machen eh‘ Verluste genug, denn auch uns treffen die ständigen Erhöhungen der Lebenshaltungskosten der „normalen“ Menschen, wir bekommen nichts geschenkt, aber verschenken schon genug, weil die Schildkrötenzucht unser heiß geliebtes Hobby ist und wir eine große Ehrfurcht vor diesen wundervollen Diamanten der Natur haben und wir mit Stolz an unseren Nachzuchten hängen.
Diesen Artikel schrieb ich nicht, um irgendjemand zu schützen, auch nicht um mich für meine Preise zu rechfertigen, sondern zum Schutz aller Schildkröten, die auf dem Markt für ein paar Euro verschleudert werden und damit zum „Einwegspielzeug“ der Gesellschaft werden können, so wie es damals schon mal war, als der Mensch die Natur ausräuberte und alles zum Erliegen brachte, was wir Züchter jetzt versuchen wieder aufzubauen und zu retten. Dann bekommen wir Schildkröten wohl auch bald beim Discounter?
Bild 5: Ein Schildkrötenbaby aus dem Jahr 2013 von unserem Muttertier „Paloma“. Ich hatte bisher immer mehr Interessenten als Babys. Sollten mal wirklich welche nicht verkauft werden, hätte ich genügend Platz, um sie einige weitere Jahre unterzubringen. Ein „Billigverkauf“ kommt für mich jedenfalls nicht infrage.
Rassekatzen und –Hunde haben ihren Preis, Schildkröten aber nicht
Mit welchem Recht ist dann eigentlich eine Rassekatze oder ein Rassehund so teuer, wenn nicht mal ein so wertvolles Wildtier wie die Schildkröte geschätzt wird? Hierzu möchte ich noch ergänzend sagen, dass ein guter Züchter sich immer weiterbildet und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ist, indem er teure wissenschaftliche Zeitschriften liest oder Infotermine von Fachkundigen oder Vorträge besucht, was alles Geld kostet. Auch sind wir zum Infoaustausch oft in mehreren Vereinen oder Interessengruppen, um uns gegenseitig zu helfen und zu bestärken - auch dies kostet Geld und Zeit. Niemand schenkt uns etwas, warum sollten wir dann nicht wenigstens einen Teil dessen verlangen dürfen, was wir in die Tiere investiert haben?
Züchter, ja die bösen Züchter, die wollen doch glatt auch noch Geld dafür haben, dass Schildkröten ihr Hobby sind? Wenn bei mir jemand versucht, den Preis zu drücken, dann zeige ich grundsätzlich meine Stromrechnung her und frage denjenigen, ob er vielleicht etwas davon übernimmt.
Falls sich jemand aufregen will, ich liebe Katzen und auch Hunde und mein Vergleich mit den Rassekatzen oder -Hunden ist nicht böse gemeint. Ich finde auch da den Preis gerechtfertigt, denn niemand sieht die viele Arbeit hinter einer Zucht, egal welches Tier gezüchtet wird. Aber ich finde eben, dass Schildkröten langsam auch mal so wie andere Rassetiere wertgeschätzt werden. Dann würde auch in vielen Fällen sicher nicht so leichtfertig auf UV verzichtet werden oder auf einen Freilauf oder gar auf den so wichtigen Winterschlaf.
Lieber Leser dieses Beitrages, im Namen meiner geliebten Schildkröten, meiner geliebten Katzen und meiner geliebten Hunde bedanke ich mich für Ihre Geduld, diesen Artikel bis zum Schluss gelesen zu haben. In meinem in Vorbereitung befindlichen Buch „Mein erstes Gelege“ werde ich aus aktuellem Anlass auf dieses Thema sehr genau eingehen, um die Wertschätzung der Schildkröten in unserer unbelehrbaren Wegwerfgesellschaft wieder etwas aufzupolieren. Diese Gesellschaft kann sich alles leisten, nur bei der Liebe zu den Tieren hapert es oft, was mich sehr traurig macht. Haben wir denn gar nichts aus der Vergangenheit gelernt?
Sachliche Zuschriften sind willkommen
Im Gegensatz zu manch anderen habe ich keine Angst, öffentlich kritisiert zu werden oder auch öffentlich andere Meinungen zu hören.Deshalb darf mir der Leser gerne seine/ihre Meinung zu diesem Artikel mitteilen (Kontakt siehe Autorenzeile zu Beginn des Beitrags). Unhöfliches oder gar Beleidigendes landet allerdings sofort im Papierkorb, da ich meine Zeit lieber in den Tierschutz stecke und Schildkröteninteressierte über die Haltung aufkläre und ihre Fragen beantworte, ohne dabei jedoch jemanden anzuklagen oder zu kritisieren. Jeder Kommentar, der mir zugeht, darf auch veröffentlicht werden, dies bitte ich vorab zu berücksichtigen, selbstverständlich mit weiteren Kommentaren von mir.
Dieser Artikel darf übrigens, auch mit der ausdrücklichen Einwilligung des Betreibers dieser Website, Herrn Köhler, unzensiert und unverändert mit Angabe der Erstveröffentlichung publiziert werden, doch man sollte mir (und auch Herrn Köhler) bitte vorher kurz Bescheid geben, wo und wann er erscheinen wird.
Dieser Beitrag wurde am 2. August 2016 online gestellt.
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Text und Bilder von Roland Meisl, Friedberg/Bayern
Den Bau der Anlage habe ich damit begonnen, dass ich auf der dafür vorgesehenen Gesamtfläche eine dicke Schicht Splittkies ausgebracht habe, um bei starken Regenfällen eine Überschwemmung auszuschließen. Der Boden und ein Teil der Seitenwand des Schutzhauses bestehen aus Styrodur, um in den Übergangszeiten im Frühjahr und im Herbst die Temperatur möglichst lange hoch halten zu können. Dieser Korpus wurde dann außen mit einem dünnen Drahtgeflecht umspannt und innen gefliest. Um zu vermeiden, dass sich unsere Schildkröten Verbrennungen durch die im Boden eingebauten Wärmematten zuziehen, liegen diese zwischen zwei Fliesenschichten. Diese Fliesen speichern gleichzeitig auch die während des Tages aufgenommene Sonnenwärme.
Bild 1: Gesamtaufnahme meines Schildkrötengeheges mit darin integriertem Schutzhaus. Der Eingang zum Haus liegt höher als das Freigehege; so vermeidet man bei starken Regenfällen Wasser im Haus.
Danach ging es mit dem Holzaufbau weiter, wobei ich das Holz außen teils mit Stegplatten, teils mit Glas verkleidet habe. Ein Überhang des Aufbaues zum Bodenkorpus war mir wichtig, damit kein Wasser in das Innere gelangen kann. Eine große Stegplatte bildet das Dach (Bild 2), das zugleich einen Regenschutz darstellt und die Wärme gut speichert.
Bild 2: Draufsicht auf das Schildkrötenhaus. Die Deckel-Stegplatte ragt an drei Seiten über. An der vierten, niedrigeren Seite wird das Regenwasser über eine Dachrinne abgeleitet.
Bild 3: Blick ins Innere des Hauses. Man erkennt den Reflektor der Wärmelampe und den UV-Strahler rechts daneben. Beide Strahler schalten sich ein, wenn es draußen kalt ist. Benötige ich die UV-Lampe nicht, also beispielsweise nachts, kann ich sie mühelos ausstecken.
Nun noch kurz zur Technik des Schildkrötenhauses. Sie besteht aus zwei handelsüblichen Wärmematten, einem Wärmestrahler und einer UV-Bestrahlungslampe mit derzeit je 60 W Leistung (Bild 3). Den UV-Strahler benötige ich, weil ich für das Haus kein Alltop-Material verwendet habe.
Sollte der 60-W-Wärmestrahler zur Erwärmung des Hausinneren nicht ausreichen, kann ich ihn gegen einen mit entsprechend höherer Leistungsaufnahme austauschen.
Das Ein- und Ausschalten übernimmt ein Thermostat, den ich auf Außentemperatur einstellen kann (Bild 4).
Bild 4: Auf dieser Aufnahme ist der Sicherungskasten mit FI-Schalter und der Thermostat zu sehen.
Momentan, d.h. Ende März 2016, schaltet die Anlage ein, sobald die Außentemperatur unter 18 °C sinkt. In der jetzigen Übergangszeit ist im Haus tagsüber bei Sonnenschein immer eine Temperatur zwischen 24 und 26 °C. Wenn es im Sommer im Inneren zu heiß wird, wird der Deckel geöffnet. Da sich unsere vier Schildkröten das ganze (Schildkröten-)Jahr über in diesem Gehege aufhalten, habe ich zu deren Beobachtung eine Kamera installiert. Damit kann ich die Temperatur über mein Smartphone beobachten (Bild 5 und 6).
Bild 5: Diese Kamera dient der Beobachtung der Tiere, vor allem aber der Übertragung der Thermometeranzeige auf mein Smartphone. Im Schutzhaus befindet sich noch eine zweite Kamera, um wirklich immer das gesamte Innere überwachen zu können.
Bild 6: Beispiel für ein Smartphone-Bild aus dem Inneren des Schildkrötenhauses. Die Temperatur beträgt in diesem Moment 17 °C, die Außentemperatur war gleichzeitig 6 °C. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war nur die Wärmelampe angeschaltet.
Zu den Abmessungen: das Schildkrötenhaus ist 80 cm breit und 1,5 m lang sowie 50 bzw. 70 cm hoch. Das gesamte Schildkrötengehege ist 2 m breit und 2,5 m lang (Bild 1). Ich pflege eine gemischt griechische-maurische Schildkrötengruppe von jeweils zwei maurischen und zwei griechischen Schildkröten aus der Zucht von Horst Köhler. Drei Nachzuchten sind im Jahr 2011 geschlüpft, eine maurische Schildkröte im Jahr 2013.
An Materialkosten für den Bau der gesamten Anlage fielen etwa € 500 an.
Da wir in unserer Wohngegend ab und zu Marder beobachten, überlege ich zurzeit noch, ob ich über das Gehege einen Schutz anbringen soll oder nicht. An und für sich würde ich ich das Gehege nach oben lieber immer offen lassen, was natürlich bedeutet, dass die jetzt noch relativ kleinen Tiere im Sommer auch mal im Freien anstatt in der Schutzhütte schlafen.
Ich werde deshalb meine Anlage genau auf einen möglichen Marderbesuch beobachten und gegebenenfalls entsprechend reagieren, z.B. auch durch Verschließen der Zugangsöffnung des Schutzhauses.
Dieser Beitrag wurde am 10. April 2016 online gestellt.
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von Horst Köhler, Friedberg
Jetzt, in der zweiten Februarhälfte, wird es Zeit, an die Auswinterung von jungen Landschildkröten zu denken; dies gilt insbesondere für Nachzuchten aus den beiden letzten Jahren 2013 und 2014. Während ausgewachsene Landschildkröten durchaus fünf Monate lang in der Winterruhe (Hibernation) verbleiben können, reichen bei ein- bis zweijährigen Nachzuchten sechs bis acht Wochen.
Ich überwinterte in dem langsam zu Ende gehenden Winter meine zehn noch nicht abgegebenen (telweise aber bereits für das Frühjahr reservierten) Jungtiere in einem unbeheizten Kellerraum in einem Karton, wobei die etwa 20 cm hohe Substratschicht mit einer etwa 10-15 cm hohen Schicht nicht verrottender Buchenlaubblätter abgedeckt war. Bei ständig geöffnetem Kellerfenster schwankten die Raumtemperaturen in den vergangenen Wochen zwischen 6 und 12 °C. Diese Schwankungen halte ich keinesfalls für schädlich, sondern eher für einen Vorteil, vor allem gegenüber der Überwinterung im Kühlschrank. In den südlichen natürlichen Verbreitungsgebieten der Europäischen Landschildkröten kann es an winterlichen Sonnentagen an geschützten, sonnenbeschienenen Stellen durchaus mal 15 °C oder sogar noch wärmer werden. Manche Schildkröten wachen dann kurzzeitig auf, erwärmen sich an der Sonne, trinken etwas und ziehen sich nach ein oder zwei Stunden wieder in ihre geschützten Winterhöhlen bzw. -Verstecke zurück.
Die einzige Maßnahme, die ich während der gesamten Hibernation durchführte, war ein wöchentliches Besprühen der Blätter mit einem Blumen-Pumpsprüher. Noch nie in meiner Praxis als Schildkrötenzüchter habe ich Jungtiere oder auch adudlte Tiere während der Hibernation kontrolliert oder gar gewogen - und damit ihre Ruhe gestört.
Nach Ablauf von sieben Wochen ab dem Tag der Einwinterung kamen die Kleinen für zwei Tage in ihrem Karton in einen anderen, wärmeren Kellerraum, in dem die Temperatur im Winter auch nachts nie unter 12 °C abfällt. Danach stellte ich sie für weitere zwei Tage in unseren Hausflur, in dem es typischerweise etwa 15 °C warm ist. Zu Beginn des 5. Tags, ein erstes Rascheln setzte nunmehr ein, kam der Karton mit den Tieren in unser Wohnzimmer; dort liegen die Temperaturen tagsüber bei 22-23 °C, nachts bei 19 °C.
24 Stunden später saß bereits eine kleine Schildkröte neugierig ganz oben auf der Blätterschicht, die ich nun vorsichtig entfernte. Nun wurde es spannend, aber alle übrigen Tiere hatten sich bereits ganz aus dem Substrat emporgegraben - so dass ich nicht lange nach ihnen suchen musste. Sie wurden sofort gewogen und das Gewicht mit dem unmittelbar vor der Hibernation gemessenen verglichen. Ergebnis: die Kleinen hatten zwischen 5 und 16 % ihres Gewichts vom Tag der Einwinterung abgenommen. Danach konnten sie in einem 15-minütigen Bad im lauwarmem Wasser Flüssigkeit aufnehmen und ihre Körpertemperatur weiter erhöhen. Schließlich setzte ich sie in ihr oben offenes "Terrarium", bei mir ein Katzen-WC - zunächst für einige Stunden bei noch nicht eingeschalteter Bestrahlung / Beleuchtung.
Manchem Leser dieses Artikels mag eine Gewichtsabnahme bei Jungtieren von rund 15 % in nur 7 Wochen Hibernation als zu viel erscheinen, sprechen dann gleich von einem regelrechten Alarmsignal und würden am liebsten einen Tierarzt aufsuchen. Doch es gilt zu bedenken, dass dies bei Schildkröten-Babys im Schlupfjahr einem Gewichtsverlust von weniger als fünf Gramm entspricht, z.B. von 36 g bei der Einwinterung auf 31 g bei der Auswinterung. Bei dem gezeigten Appetit meiner Nachzuchten ist dies schnell wieder aufgeholt. Außerdem ist das Gewicht der Kleinen auch während des Schildkrötenjahres Schwankungen unterworfen: nicht selten wiegen sie an einem Tag plötzlich 2 g weniger als noch am Vortrag *).
Eingegangen ist mir jedenfalls bei der Überwinterung von Landschildkröten noch kein einziges Tier.
Im Gegensatz dazu bedeutet ein Gewichtsverlust von 15 % bei einer adulten Landschildkröte von beispielsweise 2 kg Gewicht während der Hibernation immerhin 300 g - verursacht durch einen Flüssigkeitsverlust infolge zu trockener Haltung.
Bild 1: Diese Aufnahme von meiner Zehnergruppe Schildkrötennachzuchten aus 2013/14 entstand nur wenige Stunden nach dem erstmaligen Einschalten der Beleuchtung nach beendeter Hibernation. Die Tiere zeigten bis auf zwei, die erst am Tag danach fraßen, auf Anhieb einen guten Appetit. Die Griechische Landschildkröte mit der Rückennummer 11. ist eine Nachzucht aus 2013, die übrigen sind Maurische und Griechische Landschildkröten aus dem letzten Jahr 2014.
Schon kurze Zeit nachdem am anderen Morgen um 9 Uhr per Zeitschaltuhr die Bestrahlungslampe anging, saßen alle zehn junge Schildkröten direkt unter dem Strahler und genossen sichtlich die Wärme. Einige Stunden später erhielten sie ihr erstes Futter im neuen Schildkrötenjahr, das sie gerne annahmen, siehe Bild 1. Dass die meisten Jungtiere sofort nach der Hibernation zu fressen beginnen, hat sicherlich mit meiner langjährigen Praxis zu tun, die Kleinen vor ihrer Einwinterung nur ein einziges Mal zu baden und nicht den üblichen Empfehlungen zum mehrmaligen Baden zum Zwecke der fast völligen Darmentleerung zu folgen. Wie sollen die Tiere in diesem Fall nach ihrer Hibernation rasch ihren Kreislauf hochfahren, Appetit zeigen und aufgenommenes Futter verdauen können, wenn im Verdauungstrakt die zum Abbau des Futters notwendigen Bakterienpopulationen fehlen oder geschädigt sind?
Bild 2: Erster Ausflug "ins Freie" am 20. Februar 2015, dem dritten Tag der neuen Schildkröten-Saison. Die wichtige natürliche Sonnenbestrahlung hatte den Kleinen lange gefehlt. Beide Fotos stammen vom Autor.
Bereits am dritten Tag, in unserer Gegend trotz Rest-Schnees in der Natur ein wunderbarer sonniger Wintertag, durften die frisch erwachten Landschildkröten-Babys zum ersten Mal seit mehreren Monaten für eine Stunde auf dem Terrassentisch die Sonne genießen, Bild 2. Keine Angst: im Schatten zeigte das Thermometer zwar noch Temperaturen um Null Grad an, doch bei den kleinen Schildkröten in ihrer an der Sonne stehenden Hälterungsschale war es über 20 °C warm.
*) Nachtrag von Mitte März 2015:
Nur drei Wochen nach dem Auswintern hatten meine Schildkröten-Nachzuchten aus 2014 nicht nur wieder ihr Gewicht vom Einwinterungstag am 23.12.2014 erreicht, sondern es sogar deutlich übertroffen. Durchschnittlich wogen meine Griechischen Landschildkröten-Babys am 23.12.2014 (Tag der Einwinterung) 32,25 g, am 8.3.2015 im Schnitt 42 g (Zunahme = 30 % trotz Winterruhe und dem damit verbundenen Gewichtsverlust). Die Maurischen Landschildkröten nahmen in der gleichen Zeit von durchschnittlich 20,6 g (bei der Einwinterung) auf 27,25 g (am 8.3.2015) zu (Zunahme = 32 %). Durch Verabreichnung von mehr ballaststoffreicherem Futter und Reduzierung der täglichen Futtergaben musste ich dem raschen Wachstum sogar "gegensteuern".
Literatur:
Köhler Horst: Vom Ei zum robusten Jungtier - Aufzucht europäischer Landschildköten-Babys". Schildi-Verlag Augsburg
Nähere Infos siehe Schildi-Buch dieser Website. Zu bestellen am Schnellsten per Email direkt beim Verlag bzw. dem Autor (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) ober über den Buchhandel (ISBN 978-3-00-023839-0)
Dieser Beitrag wurde am 20. Februar 2015 online gestellt.