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von Ute Dörr, Beilstein
Die beiden Artikel von Herrn Köhler in dieser Website über das geringe Wachstum, oder sollte man eher sagen, Null-Wachstum, bei doch relativ vielen von ihm beobachteten und in Pflege genommenen Schlüpflingen und Jungtieren der Spornschildkröte von mehreren deutschen Züchtern haben mich einerseits schockiert, andererseits aber auch beruhigt. Denn ich habe mit „Tusnelda“ ebenfalls eine junge Spornschildkröte, die für die Art viel zu langsam wächst. Bisher habe ich irgendwie immer mir selbst die Schuld für dieses Mini-Wachstum gegeben, doch nun bin ich sehr erleichtert darüber, dass dem wohl nicht so ist. Und dass meine „Tusnelda“ an Gewicht zulegt, wenn auch nur sehr langsam.
Bild 1: Immer noch ein Baby: "Tusnelda" in einer aktuellen Aufnahme von März 2014 im Alter von etwa 1 1/2 Jahren.
Unsere „Nelda“ war im August 2012 bei einem Züchter in Bayern aus dem Ei geschlüpft; sie kam im Januar 2013 zu uns. Damals wog sie 47 g. Sie war fit und munter, doch von Anfang an sehr wählerisch mit dem Fressen. Heu oder getrockneten Löwenzahl oder ähnliches Futter ignorierte sie vollkommen. Ackersalat nahm sie gerne, ebenso Gurke oder Zucchini. Obwohl sie eigentlich für ihre Größe immer gut gefressen hat, stagnierte ihr Gewicht bis April 2013 bei 51 g, siehe Gewichtstabelle. Danach wurde sie stetig und – aber nach wie vor sehr langsam - schwerer und hat jetzt, im März 2014, ein Gewicht von 70 g erreicht. Sie hat damit, seit sie bei uns ist, 23 g zugenommen, was immerhin fast 50 % Gewichtszunahme entspricht (Bild 1).
Trotzdem ist unsere Spornschildkröte ein ausgesprochenes Leichtgewicht, denn nach den Aussagen von Herrn Köhler wiegen „normale“ Spornis im Alter von ca. 1 ½ Jahren 300 – 600 g (je nach Geschlecht). Doch wenigstens erleiden wir keine jener Rückschläge wie Gewichtsabnahme, Fressverweigerung, extreme Lethargie usw., von denen Horst Köhler in seinen beiden Beiträgen weiter unten in dieser Rubrik berichtet.
Die Gewichtsentwicklung von „Tusnelda“
Monat |
Gewicht in g |
Januar 2013 |
47 |
Februar 2013 |
51 |
März 2013 |
51 |
April 2013 |
51 |
Mai 2013 |
53 |
Juni 2013 |
53 |
Juli 2013 |
54 |
August 2013 |
57 |
September 2013 |
57 |
Oktober 2013 |
63 |
November 2013 |
63 |
Dezember 2013 |
64 |
Januar 2014 |
67 |
Februar 2014 |
67 |
März 2014 |
70 |
„Tusneldas“ Bauchpanzer ist selbst heute immer noch etwas weich. Außerdem hat sie öfters Hautprobleme; die Haut ist oft schuppig. Wir baden sie deswegen mehr oder weniger regelmäßig in einer septischen Lösung, die uns die Tierärztin mitgegeben hat. Auffällig ist ferner, dass sie zu Ödemen neigt; diese treten in unregelmäßigen Abständen ohne vorherige Anzeichen und ohne dass wir die Ernährung bzw. die Pflegepraxis verändert haben, auf.
Über mehrere Monate hinweg waren wir im Sommer und Herbst 2013 mit „Tusnelda“ in tierärztlicher Behandlung; in dieser Zeit bekam sie regelmäßig Calcium und Vitamin D3 verabreicht. Doch dies führte nicht zur erhofften schnelleren Gewichtszunahme. Die Tierärztin kam dann letztlich zu dem Schluss, dass eine Wachstumsstörung vorliegen muss. Solange die Schildkröte aber frisst, nicht abnimmt und sich munter gibt, sollen wir damit zufrieden sein und nichts weiter unternehmen. Vermutlich dürfte sie allerdings kein hohes Alter erreichen, so die Tierärztin weiter. Damit haben wir uns abgefunden.
„Tusnelda“ lebt in der kalten Jahreszeit und, wenn es für draußen noch zu kühl ist, in einem Terrarium mit der Größe 120 x 40 cm. Doch wenn jetzt im März die Sonne scheint, kommt sie stundenweise ins Freie.
Als Bodengrund für mein Terrarium habe ich mich für Erde, Sand und Steine entschieden; es gibt im Terrarium zwei Höhlen und eine Schale mit Wasser. Das Terrarium wird täglich besprüht. Ich achte stets darauf, dass ein Teil des Substrats feucht ist, denn ich möchte eine Höckerbildung vermeiden. Im Mittel beträgt die Luftfeuchtigkeit etwa 60 %, nach dem Sprühen entsprechend mehr. „Nelda“ ist munter und morgens immer die erste, die wach wird. Zuerst sonnt sie sich, um dann gut zu fressen. Sie buddelt sehr gerne und klettert oft und gerne auch über die Steine.
Als Wärmelampe habe ich im Terrarium eine Bright Sun mit 70 Watt, außerdem einen UVB-10.0-Strahler von ExoTerra.
Seit Herbst des letzten Jahres haben wir „Nelda“ mit zwei kleinen Pantherschildkröten vergesellschaftet (Bild 2). Diese gedeihen hervorragend, so dass die Pflegebedingungen stimmen dürften. Die drei Schildkröten harmonieren gut. Obwohl Spornschildkröten wesentlich größer und schwerer als Pantherschildkröten werden, haben die Panther „Nelda“ im Größenwachstum bereits jetzt überholt. Doch eine Zeit lang wird es sicher noch gehen.
Bild 2: „Tusnelda“ mit „Merle“ (rechts oben) , eine meiner beiden kleinen Pantherschildkröten. Beide Aufnahmen stammen von der Autorin.
Ich hoffe, dass „Nelda“ noch recht lange munter bleibt, denn sie ist mir sehr ans Herz gewachsen.
Dieser Artikel wurde am 30. März 2014 online gestellt.
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Außergewöhnlich negative Erfahrungen mit Spornschildkröten-Schlüpflingen
2. Teil
von Horst Köhler, Friedberg
Inhalt Teil 2: Zusammenfassung von Teil 1; Neukauf von fünf weiteren Spornschildkröten-Nachzuchten; Leider wenig hilfreich: Sektionsergebnisse der Geschwistertiere Nr. 2 und 4; Kampf um Nr. 5 und 6; Blutuntersuchung: ja oder nein? Erfahrungen und Aussagen anderer Spornschildkröten-Halter; Was Spornschildkröten-Babys wiegen sollten; Was beim Kauf zu beachten ist.
Zusammenfassung des 1. Teils
Etwa ein Jahr ist es nunmehr her, dass der 1. Teil dieses ungewöhnlichen zweiteiligen Berichtes online gestellt wurde. Er steht nach wie vor in voller Länge weiter unten in der gleichen Rubrik zum Nachlesen zur Verfügung. Ich empfehle dies, weil ich im 2. Teil längere Wiederholungen vermeiden möchte.
Zur Erinnerung: mein Bekannter, zwar Schildkröten-Neueinsteiger, aber im Umgang mit diesen Reptilien deswegen nicht unerfahren, weil er seit vielen Jahren die Schildkrötenpflege während meiner Abwesenheiten übernimmt und auch schon mal Gelege ausgräbt, kaufte sich im März 2011 von einem Lieferanten aus NRW vier kleine Spornschildkröten-Babys (Geochelone sulcata; hier mit Nr. 1-4 bezeichnet), die bei ihrer Ankunft zwischen 41 und 46 g wogen; geschlüpft waren sie laut "Nachweis-Papier" im Februar 2011. Als sie schon zwei Wochen später trotz richtiger (von mir kontrollierter) Haltung schlecht fraßen und kaum merkbar an Gewicht zulegten bzw. sogar abnahmen, legte sich der Schildkrötenfreund Anfang Juli 2011 auf der Augsburger Reptilienbörse noch zwei weitere Jungtiere (Nr. 5 und 6) eines anderen Züchters zu, die mit Schlupfdatum Dezember 2010 etwas älter und auch schwerer als Nr. 1-4 waren.
Von diesen sechs Tieren gingen Nr. 1-4 trotz der Bemühungen der mehrmals in Anspruch genommenen reptilienkundigen Tierärztin und einer wochenlangen Intensivpflege durch mich ein bzw. mussten eingeschläfert werden, das letzte im Januar 2012. Der erwähnte Verkäufer aus NRW erstattete dem Besitzer immerhin den vollen Kaufpreis zurück und lieferte als Entschädigung für die hohen Tierarzt- und Medikamentenkosten und die ständige große Enttäuschung im September 2011 kostenlos noch zwei Spornschildkröten-Babys als Ersatz (Nr. 7 und 8). Diese beiden Tiere sollen - so versicherte der Verkäufer – angeblich von einem anderen Züchter als die Schildkröten-Jungtiere Nr. 1-4 stammen.
Diese acht Schlüpflinge von drei verschiedenen Züchtern wurden vorübergehend in einem gemeinsamen großen Gehege gehalten, und in der warmen Jahreszeit im Garten-Freigehege. Die Infektionsgefahr war somit schon groß, doch der Besitzer ging davon aus, dass ihm nur gesunde Tiere verkauft wurden. Wie sich später herausstellen sollte, war diese zeitweise Gemeinschaftshaltung allerdings nicht die Hauptursache des Problems.
Neukauf von fünf weiteren Spornschildkröten-Nachzuchten
Als im Januar 2012 mit Nr. 2 auch das letzte der ersten vier Jungtiere im Alter von nur 11 Monaten verstorben war, übernahm ich Nr. 5 und 6 in Dauer-Intensivpflege; es handelt sich bei ihnen um die beiden Schildkröten, über die ich in diesem Artikel ausführlicher berichte. Sie befinden sich auch heute noch bei mir; dies sei an dieser Stelle schon mal verraten.
Doch lange hielt es mein Bekannter mit den zwei ihm verbliebenen, weiterhin schlecht fressenden Spornschildkröten-Babys Nr. 7 und 8 nicht aus. Er erwarb im April 2012 auf der Reptilienbörse in Ulm fünf weitere Spornschildkröten-Babys, in der Hoffnung, dass er diesmal mehr Glück haben würde und dass die neuen Tiere seine Nr. 7 und 8 zu vermehrter Futteraufnahme bewegen würden. Doch eines der fünf neuen Tiere kränkelte schon nach zwei Wochen ohne ersichtlichen Grund. Anfang Mai 2012 stellte ich es deshalb der Tierärztin vor. Doch das Tier überstand die Behandlung leider nicht: einen Tag später saß es tot im Terrarium.
Der Besitzer hatte nun verständlicherweise endgültig genug von der Pflege von Spornschildkröten-Babys und gab die vier übrigen Jungtiere ihrem Vorbesitzer gegen Erstattung des Kaufpreises zurück.
Bild 1: Dass Wachstumsprobleme bei Spornschildkröten kein Einzelfall sind, zeigt dieses Bild aus dem Gehege eines anderen Schildkrötenfreundes. Die kleine Schildkröte neben der großen, geschätzt etwa 25 kg schweren Spornschildkröte ist sechs Jahre alt, bringt aber nur knapp 600 g auf die Waage. Nach Aussage ihres Besitzers ist sie jedoch vital, hat Appetit und zeigt keine äußerlichen Krankheitssymptome.
Leider wenig hilfreich: Sektionsergebnisse der Geschwistertiere Nr. 2 und 4
Wie im 1. Teil des Artikels ausgeführt ist, wurde die am 7. September 2011 eingeschläferte Schildkröte Nr. 3 (siehe Bild 2 unten) noch am gleichen Tag an das Untersuchungsteam Dr. Silvia Blahak (Detmold) geschickt. Doch erstaunlicherweise wurde außer der ohnehin bekannten Diagnose „Rachitis“ nichts Ungewöhnliches gefunden. Daher war ich froh, dass sich nach dem Tod von Tier Nr. 4 (verstorben am 18.12.2011) und Nr. 2 (verstorben am 14.1.2012 bei einem Gewicht von 47 g) ein bekannter Schildkröten-Fachmann, dem ein modernes Untersuchungs-Equipment wie z.B. ein Rasterelektronenmikroskop zur Verfügung steht, bereit erklärte, die beiden eingegangenen Schildkröten gründlicher zu untersuchen. Mit ihm führte ich über die kümmernden Tiere schon seit geraumer Zeit einen Email-Austausch und telefonierte mehrmals; es war sogar eine gemeinsame Veröffentlichung geplant.
Bei der Sektion von Nr. 4 stellte er eine deutlich vergrößerte und verstopfte Harnblase fest: die Schildkröte konnte also kaum noch Flüssigkeit ausscheiden. Ferner zeigte sich eine toxisch veränderte Leber und eine überdehnte Lunge. Magen und Darm waren ohne Befund und mit etwas Inhalt gefüllt. Die Calciumaufnahme kann also nicht gestört gewesen sein. Weder bei der Schildkröte Nr. 2 noch bei Nr. 4 wurden Parasiten nachgewiesen: die im Juni 2011 durchgeführte zweimalige Eingabe von Panacur (Wirksubstanz: Fenbendazol) gegen die damals gefundenen Oxyuren (Befallstärke 3+) hatte also gewirkt, die ohnehin geschwächten Tiere aber vermutlich auch stark belastet. Bei Schildkröte Nr. 2 stellte der Untersucher eine Calcinose fest (übermäßige Ablagerung von Calciumsalzen im Gewebe). Hinweise auf eine Herpes-Infektion fanden sich nicht.
Bild 2: Spornschildkröten-Baby 3, hier am 3.4.2011, wenige Tag nach dem Kauf der vier Geschwistertiere Nr. 1-4 aufgenommen. Das Jungtier wog bei Erhalt 44 g, nahm bis Anfang Juni 2011 zwar um 6 g zu, doch dann stagnierte das Gewicht des immer schwächer werdenden Tiers bei 48 g. Am 7. September 2011 musste es im Alter von 7 Monaten eingeschläfert werden.
Ob und was nun der Grund für die Mangelsituation und letztendlich den Tod der stark geschwächten vier Tiere war, wollte der Experte durch weitergehende Untersuchungen ermitteln und versprach, mir die von ihm gemachten Spezialfotos der veränderten Organe mit einem ausführlichen schriftlichen Bericht zur Verfügung zu stellen. Doch trotz mehrerer Rückfragen meldete sich der Experte mehrere Monate lang nicht. Erst Ende November 2012, ein dreiviertel Jahr nach Überlassung der beiden toten Tiere Nr. 2 und 4, kam auf meine erneute Nachfrage schließlich ein denkbar knappes 5-zeiliges Endergebnis mit einem einzelnen Foto. Ich darf aber, so hieß es, weder das Foto verbreiten, noch vom Mini-Befund zitieren.
Daher an dieser Stelle nur so viel: beide Tiere, Nr. 2 und Nr. 4, hatten an der Speiseröhre (Ösophagus) einen 4 mm großen „Defekt“, der die Todesursache gewesen sein könnte. Ich vermute, dass diese "Veränderung" die Folge eines Magengeschwürs im Zusammenhang mit einer Darmentzündung war. Doch auf meine Rückfragen ging der Fachmann nicht ein; er brach den Kontakt zu mir ohne Grund ganz ab. Schade, denn so kann ich jenen Lesern dieses Artikels, die ebenfalls Spornschildkröten-Jungtiere mit Wachstumsproblemen besitzen, nicht wie ursprünglich geplant Sektionsergebnisse und deren Folgerungen präsentieren.
Enttäuschend für mich ist, dass letztlich bei drei durch ausgesprochene Fachleute untersuchte Schildkröten, die von mir zusammen mit den toten Tieren jeweils eine ausführliche Dokumentation erhielten, nichts Verwertbares im Hinblick auf die weitere Pflege und Behandlung von Nr. 5 und 6 herauskam.
Auch meine Tierärztin hätte sich sehr für verwertbarere Ergebnisse interessiert.
Kampf um Nr. 5 und 6
Mitte März 2012 übernahm ich die Spornschildkröten-Babys Nr. 5 (damals 69 g schwer) und Nr. 6 (100 g) schließlich endgültig; ihr bisheriger Besitzer war wohl froh, die kümmernden Tiere nicht mehr ständig sehen zu müssen. Nachdem die beiden Tiere jedoch auch bei mir kaum Futter trotz eines großen Angebots an diversen Futterpflanzen (siehe unten) zu sich nahmen, übergab ich sie Ende März 2012 für fünf Tage unserer Tierärztin zur Zwangsernährung. Als ich sie wieder abholte, hatten sie zwar je um 2 g zugenommen, fraßen aber immer noch nicht von selbst; ich war schon froh, dass wenigstens die größere ab und zu in ein Blatt biss. In Absprache mit der Tierärztin badete ich beide jeden zweiten Tag etwa 10 Minuten lang in verdünntem schwarzen Tee.
Mir und vor allem den beiden Schildkröten wollte ich eine weitere regelmäßige Zwangsernährung nicht zumuten. So hieß es abwarten. Mit dem Futterangebot experimentierte ich viel, wohl wissend dass nicht alles davon voll artgerecht ist. Doch es ging mir darum, dass die Tiere überhaupt etwas zu sich nehmen und nicht verhungern. Ich bot, nacheinander, außer den üblichen Futterpflanzen aus Wiese, Acker und unserem Garten folgendes in kleinen Portionen an:
♦ Diverse Salate (vorzugsweise in der kalten Jahreszeit)
♦ Gurkenstückchen
♦ Fein geschnittene Opuntienblätter
♦ Disteln
♦ Erd- und Himbeere
♦ Kirsche
♦ Rote und gelbe Melone
♦ Tomate
♦ Birne
♦ Orange
♦ Apfel
♦ Bohnen, Bohnenkerne
♦ Kriechendes Schönpolster (Golliwoog, Callisia repens): enthält u.a. 5,5 g/kg Rohfaser und 7,17 g/kg Rohasche
♦ Dorswal Baby-Landschildkrötenfutter: enthält u.a. 60 % Stärke.
Jede Futterportion wurde mit etwas
♦ Pre Alpin Testudo Baby-Pulver (enthält u.a. 26,4 % Rohfaser),
♦ Spirulina-Pulver,
♦ Nekton MSA (enthält u.a. 10.000 IE Vit. D3/kg, 3 g/kg Eisen, 1,26 g/kg Zink, 23,7 % Calcium und 18 % Phosphor) und
♦ zerstoßenen reptil raffy Mineral-Sticks von sera (enthält u.a. 30,3 % Rohprotein und 30.000 IU Vit. A/kg)
überstreut. Das rote raffy-Pulver sollte die beiden kleinen Schildkröten zur besseren Futteraufnahme animieren und den Grundbedarf an Mineralien sichern, siehe Teil 1 des Artikels. Die Tierärztin äußerte zwar Bedenken wegen des erhöhten Vitamin A-Gehalts der reptil raffy-Sticks (= 30.000 IU Vit A/kg), doch sehe ich darin aus folgendem Grund keine Gefahr:
Bild 3: Wenn eine 100 g schwere Landschildkröte diese Menge an reptil raffy Mineral (die Waage zeigt 5 g an) in einer Woche frisst, wäre ihr Bedarf an Vitamin A bereits voll gedeckt. Doch die beiden Sorgen-Babys Nr. 5 und 6 nahmen höchstens ein Drittel dieser Menge zu sich, so dass selbst durch die zusätzliche geringe Vitamin A-Aufnahme über das Wenige an gefressenen Futterpflanzen keine Überversorgung bestand.
Der wöchentliche Bedarf von Landschildkröten an Vitamin A beträgt etwa 1.500 IE/kg Körpermasse [Dennert, 2001], das normalerweise mit dem frischen Grünfutter aufgenommen wird. Bei einer 100 g schweren Schildkröte wären dies 150 IE je Woche. Reptil raffy Mineral enthält wie erwähnt 30.000 IE/kg Futter, d.h. wenn der Vitamin A-Bedarf allein durch die Sticks gedeckt werden müsste, müsste eine 100 g schwere Schildkröte davon 5 g je Woche zu sich nehmen (Bild 3). Tatsächlich hat sie aber nur einen kleinen Teil davon aufgenommen, so dass eine etwaige Vitamin A-Überrversorgung nicht zu befürchten ist.
Das Terrarium für Nr. 5 und 6 ist mit einem 75-W-Wärme- und Helligkeitsstrahler und einem UVB-Kompaktstrahler (26 W) ausgestattet (siehe Bild 7 in Teil 1). Beide Lampen sind etwa 7 Stunden täglich in Betrieb.
Als Bodengrund verwende ich fein gehackte, gereinigte Rinde (Repti Bark) aus dem Zoofachhandel. Es hatte sich schon bei den Spornschildkröten Nr. 1-4 gezeigt, dass die Art des Bodengrundes nichts mit dem Zustand der kümmernden Schildkröten zu tun hatte: das Verhalten und der Zustand der Schildkröten war unabhängig davon, ob ich Grasnarbe (Bild 4), ungedüngte Erde, Borkenhumus, Rosenmulch, Hanfstreu usw. einbrachte.
Im Sommer kamen die beiden in ein (bei starker Sonneneinstrahlung teilweise abgeschattetes Gehege auf dem Balkon, nur ein paar Schritte vom Terrarium entfernt, so dass sie möglichst lange in den Genuss der natürlichen Sonnenstrahlung kamen.
Bild 4: Eines der beiden Spornschildkröten-Babys im Terrarium neben einer frisch eingebrachten Grasnarbe, die jede Woche gegen eine neue ausgetauscht wurde. Im Hintergrund eine junge Griechische Landschildkröte aus meiner eigenen Zucht, die ich versuchsweise vorübergehend mit den beiden kümmernden Spornschildkröten-Jungtieren vergesellschaftete. Die Spornschildkröte war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme fast ein Jahr älter als die Griechische Nachzucht aus dem Jahr 2012.
Langsam fingen meine beiden Patienten von selbst zu fressen an, wobei sie klein geschnittene Gurkenstückchen bevorzugten – ein erster Lichtblick nach vielen Monaten des Bangens und Hoffens. Allerdings muste ich das Futter zunächst extrem klein schneiden, da es die Tiere sonst nicht hinunterschlucken konnten. Größere Pflanzenteile blieben häufig im Schlund hängen; die Schluckversuche strengten die Spornschildkröten sichtlich an: nach wenigen Minuten waren sie meist so ermattet, dass sie das Fressen einstellten und den Rest des Tages vor sich hindösend oder schlafend verbrachten (Bild 5).
Bild 5: Ein fast alltägliches Bild: nach dem Fressen, das in der Regel nur am Vormittag stattfand, dann aber den Rest des Tages nicht mehr, schliefen die Jungtiere Nr. 5 und 6 erschöpft noch am Fressplatz ein. Etwa 80 % des angebotenen Futters musste täglich wieder aus dem Terrarium entfernt werden.
Nachfolgend einige der regelmäßig erfolgten Gewichtsaufzeichnungen der beiden Sulcata-Jungtiere Nr. 5 und 6 von April 2012 bis November 2013. Die Werte machen es verständlich, wenn ich in der Überschrift dieses Artikels von Null-Wachstum spreche: immerhin werden die beiden Schildkröten im Dezember 2013 schon drei Jahre alt.
Gewichtsentwicklung von Anfang April 2012 bis Mitte November 2013
Gewicht in g |
Nr. 5 |
Nr. 6 |
9. April 2012 |
69 |
104 |
14. Mai 2012 |
71 |
106 |
17. Juni 2012 |
78 |
106 |
10. August 2012 |
72 |
103 |
7. Oktober 2012 |
73 |
110 |
25. November 2012 |
74 |
109 |
31. Dezember 2012 |
75 |
110 |
3. Februar 2013 |
75 |
106 |
3. März 2013 |
77 |
104 |
21. April 2013 |
74 |
107 |
14. Juni 2013 |
69 |
109 |
21. Juli 2013 |
77 |
113 |
8. September 2013 |
79 |
117 |
17 November 2013 |
76 |
113 |
Auffällig sind die Gewichtsschwankungen, vor allem bei der Spornschildköte Nr. 5, während Nr. 6 wenigstens leicht zugenommen hat – wenn auch in der langen Zeit von fast 19 Monaten! Nach meinen Erfahrungen ist eine tägliche Gewichtskontrolle in solchen Fällen nicht zu empfehlen. Monatliches Wiegen reicht durchaus aus, denn für „empfindliche Gemüter“ ist es mehr als frustrierend, wenn die Schildkröte nach vielen Bemühungen endlich 1 g zugenommen hat, dann aber zwei Tage danach wieder 2 oder 3 g weniger wiegt! Solche Schwankungen sind bei Tier Nr. 5 fast die Regel, wie die Tabelle eindrucksvoll zeigt.
Ich bezweifle mittlerweile selbst, dass ich dieses Jungtier auf Dauer durchbekomme, zumal es aktuell beim Hochladen dieses Berichtes drei Tage hintereinander nichts gefressen hat und sich recht lethargisch gibt (Bild 6):
Bild 6: Besteht überhaupt noch Hoffnung für die Spornschildkröte Nr. 5? Die Waage zeigt 74 g an, doch allein schon an den Jahresringen ist zu sehen, dass die Schildkröte etwa 3 Jahre alt sein muss.
Wie ich schon bei den Tieren 1-4 beobachtete, ist auch bei Nr. 5 und 6 das Bewegungsbedürfnis auffällig gering, so dass beide auch heute noch in einem nur 60 cm langen Terrarium gehalten werden können. Meist ruhen die beiden Schildkröten tagsüber nebeneinander unter der Bestrahlungslampe und bewegen sich nur zum Fressen etwa 15 cm weit zur Futterplatte, und danach wieder zurück unter die Lampe. Aber auch im Freigehege nutzen sie die ihnen zur Verfügung stehende erheblich größere Fläche auch nicht annähernd aus. Wie schon die Tiere Nr. 1-4 meiden sie die helle Sonne und bevorzugen Schattenplätze (siehe Teil 1 des Artikels).
Einen gewissen Fortschritt sehe ich jedoch darin, dass sich beide beim Fressen seit einiger Zeit leichter tun als früher: sie beißen jetzt kleine Stücke aus größeren Pflanfzenteilen ab und können sich dabei auch mehr anstrengen als bisher ohne gleich einzuschlafen. Ihr Interesse an der Umgebung außerhalb des Terrariums ist größer geworden: sobald ich die Glastür des Terrariums öffne und neues Futter bringe, kommen mir beide entgegen – eine der wenigen Glücksmomente für den leidgeprüften Pfleger. Noch ein weiterer Fortschritt: die früher beim Baden ausgeschiedenen relativ großen Mengen an weißlichen Uraten (siehe Bild 8 im 1. Teil des Artikels) beobachte ich seit einiger Zeit nicht mehr.
Ende April 2013 ließ ich in einer Tierklinik von Nr. 5 und 6 frische Kotproben mikroskopisch untersuchen. Das Ergebnis war negativ, also weder Hinweise auf Magen-Darmwürmer, noch Einzeller, noch Kokzidien.
Blutuntersuchung: ja oder nein?
Nachdem mich die durchgeführten Sektionen von immerhin drei Schildkröten bei der erhofften Ursachenfindung nicht weiterbrachten, war zu überlegen, ob eine Blutuntersuchung und ein daraus erstelltes Chemogramm sinnvoll ist. Auch wenn eine Blutuntersuchung keine Garantie dafür ist, einen etwaigen Erreger tatsächlich auch zu finden und die Interpretation der Messergebnisse außerdem viel Erfahrung voraussetzt, könnte man zumindest eine Infektion ausschließen und ermitteln, ob trotz der Vitaminzugaben mit dem Futter ein Mangelzustand, z.B. ein Vitaminmangel, vorliegt. Zwar soll man Schildkröten mit weniger als etwa 180 g Körpergewicht kein Blut entnehmen [Eggenschwiler, 2000] und schon gleich gar nicht bei sehr schwachen Tieren wie in meinem Fall, doch mittlerweile gibt es modernere Analsysengeräte, die mit geringeren Probenmengen als 0,3 ml Blut auskommen.
Der dazu befragte Schildkröten-Spezialist Dr. Hans-J. Bidmon riet mir jedoch von dem Vorhaben ab. Es sei nicht sehr sinnvoll, so argumentierte er, Blut von einer Schildkröte zu entnehmen, deren Kondition sich möglicherweise gerade etwas bessert, weil dann der gemessene Proteingehalt im Blut falsch interpretiert werden kann. Eindeutig seien solche Rückschlüsse nur bei einem extrem schwachen Tier [Bidmon, 2012]. Um einen derartigen Schwächezustand jedoch zu erkennen, bedarf es keiner das Tier stressenden Blutuntersuchung.
Auch meine Tierärztin stand einer Blutentnahme wegen des anhaltend geringen Gewichts der beiden Tiere ablehnend gegenüber.
So ersparte ich den beiden Spornschildkröten-Jungtieren die Abnahme von Blut.
Erfahrungen und Aussagen anderer Spornschildkröten-Halter
Im Zusammenhang mit dem 1. Teil meines Artikels hatte ich auf der Startseite von www.schildi-online.eu zwischen Ende März und Anfang September 2012 Schildkrötenhalter mit ähnlichen Problemen bei ihren Tieren gebeten, sich zu melden. Es waren zwar letztlich nur sieben Personen, die den „Mut“ dazu hatten, aber ich vermute stark, dass die „Dunkelziffer“ größer ist. Übereinstimmend war die weitgehende Bestätigung der von mir geschilderten Symptome: kaum Wachstum trotz Futteraufnahme, rasche Ermattung beim Fressen (manche Tiere schlafen noch mit dem Kopf im Futter ein), wenig Bewegungsdrang, Aufsuchen von Schattenplätzen, nur um die auffälligsten zu nennen.
In einer der erhaltenen Zuschriften teilte mir der Verfasser mit, dass das Problem kümmernder Spornschildkröten-Jungtiere durchaus bekannt sei und auch bei jungen Pantherschildkröten auftrete. Verständlicherweise würden die Halter das Problem aber nicht thematisieren. Nach seinem Eindruck sind nicht nur einzelne Tiere eines Geleges betroffen, sondern sämtliche geschlüpften Geschwistertiere. Das nächste Gelege kann dann aber wieder in Ordnung sein. Da die Züchter ihre Jungtiere schon bald nach dem Schlupf an Händler oder an Privat abgeben, bemerken sie die Wachstumsprobleme unter Umständen erst dann, wenn sich die Käufer beschweren. Viele tun dies aber nicht, weil sie fälschlicherweise von eigenen Pflegefehlern ausgehen. Vorsichtig müsse man sein, hieß es weiter, wenn in diversen Anzeigen Tiere angeboten werden, die extrem untergewichtig sind. Eine 3 ½ -jährige Spornschildkröte mit 200 g Gewicht darf man eben nicht kaufen!
Eine Schildkrötenfreundin, die vier G. sulcatas besitzt, von denen zwei schon etwas ältere Kümmerlinge sind, vermutet, dass manche Züchter den Muttertieren Wehenmittel (Oxitocin) verabreichen, um zu erreichen, dass alle Eier gleichzeitig abgesetzt werden. Möglicherweise, so meint sie, sind dann bei dieser Praxis einige Eier noch nicht so weit entwickelt, dass daraus „gute“ Schildkröten werden. Ihre Spornschildkröte "Baghira" wiegt mit nahezu 7 Jahren noch keine 200 g (!), obwohl sie normal frisst und sich auch sonst ganz normal verhält. Ihr zweites Sorgenkind, das wegen eines starken Wurmbefalls allerdings eine längere Medikamentenbehandlung hinter sich hat, ist 4 Jahre alt und wiegt 300 g - für die Art ebenfalls viel zu wenig.
Eine andere Halterin schreibt mir, dass sie von einem Züchter ein 8 Monate altes Spornschildkröten-Baby mit 48 g und im gleichen Jahr (2010) vom gleichen Züchter ein zweites mit nur 3 Monaten erhielt, das lediglich 26 g wog. Nach zwei Monaten lebte keines der Jungtiere mehr. Trotz optimaler Einrichtung des Terrariums verhielten sich die beiden Kleinen schon kurz nach Erhalt lethargisch und zeigten die von mir geschilderten Symptome.
Angemerkt sei noch, dass dieser Züchter wenig später Probleme mit den zuständigen Behörden (Veterinäramt, Untere Naturschutzbehörde) bekam. Ich kann nur hoffen, dass er nicht weiterhin mit Schildkröten handelt.
Trotz ihrer nachvollziehbaren großen Enttäuschung legte sich die Schildkrötenfreundin zwei weitere Spornschildkröten-Nachzuchten von einem anderen Züchter zu, mit denen sie viel Freunde hat und die sich auch normal entwickeln.
Wie frustrierend die Beschäftigung mit kümmernden Spornschildkröten-Nachzuchten sein kann, beschreibt eine weitere Schildkrötenfreundin, die mir eine Gewichtsgrafik schickte. Sie erhielt einen Kümmerling geschenkt, der nach Papier angeblich 4 Monate alt und 36 g schwer sein sollte. Bei ihrer Ankunft wog die kleine Schildkröte aber nur 27 g, wobei die untersuchende Tierärztin das wahre Alter jedoch eher auf 4 Wochen schätzte. Jeden Tag wurde das Kleine per Sonde zwangsernährt (Möhrenbrei mit BeneBac, HerbiCarePlus und Calcium) und jeden 2. Tag erhielt es darüber hinaus eine Infusion mit einer Clucose-Ringerlösung. Nach 3 Wochen Behandlung jubelte die Besitzerin zum ersten Mal: die Waage zeigte 31 g an, ein Plus von immerhin 4 g (+ 15 %). Noch am gleichen Abend urinierte die Schildkröte eine große Menge und wog dann am nächsten Tag wieder nur noch 27 g. Eine Riesenenttäuschung für die Besitzerin.
Sie stellte die Sondenfütterung ein, als die Schildkröte eigenständig zu fressen begann. Das Abbeißen und Hinunterschlucken scheint extrem anstrengend für das Tier zu sein, das nicht selten mit dem Kopf im Futter steckend einschläft. Dieser ständige Gewichtsverlust nach nur wenigen Gramm Gewichtszunahme sei extrem demoralisierend – ich kann dies nach meinen Erfahrungen mit Nr. 5 und 6 sehr gut nachvollziehen.
Ein anderer Käufer einer jungen Spornschildkröte erhielt sein Tier im Sommer 2012 – und zwar vom gleichen Lieferanten aus NRW, von dem auch die Babys Nr. 1-4 stammten (siehe 1. Teil des Artikels). Das Tier litt unter einem starken Wurmbefall. Trotz Behandlung durch einen reptilienkundigen Tierarzt konnte die Schildkröte nicht mehr gerettet werden und verstarb - zwei Monate nach Erhalt.
In einer aktuellen Zuschrift von Oktober 2013 teilt mir eine Schildkrötenliebhaberin mit, dass sie sich im Jahr 2011 zwei Sulcata-Babys zugelegt hatte. Beide Schildkröten stagnierten im Wachstum; eine verstarb noch im gleichen Jahr. Die zweite hat etwas an Gewicht zugelegt, vor allem im letzten Jahr (2012), kränkelt aber viel. Ihre Frage an mich kann ich leider auch nicht beantworten: hat sie wirklich eine Chance, alt zu werden?
Was Spornschildkröten-Babys etwa wiegen sollten
Die in diesem Beitrag angeführten Schildkrötengewichte in Abhängigkeit des Alters können nur richtig beurteilt werden, wenn das „normale“ Gewicht bekannt ist. Typisch für die Art C. sulcata ist, dass die Schildkrötengewichte stark schwanken, sogar bei Geschwistertieren des gleichen Geleges und natürlich erst recht zwischen Männchen und Weibchen. So kann beispielsweise eine Spornschildkröte mit einer Carapaxlänge von ca. 25 cm sowohl erst drei Jahre als auch schon 10 Jahre alt sein [Stewart, 2012].
Die in der nachstehenden Tabelle angegebenen Gewichte stammen von der spanischen Schildkrötenzüchterin Brigitte Kesseler. Sie sind nicht so zu verstehen, dass schon bei Unterschieden von 30 oder auch 40 % zum eigenen Tier ein Besuch beim Tierarzt erfolgen muss. Es handelt sich um grobe von/bis-Richtwerte, wobei auch noch das Alter, Gewicht und die Größe der Elterntiere eine Rolle spielen. Wenn aber ein 1 Jahr altes Baby der größten auf dem Festland vorkommenden Landschildkröten-Art noch keine 50 g wiegt, dann darf man getrost von Zwergwuchs oder Null-Wachstum sprechen.
Bild 7 zeigt eine sich normal entwickelnde Spornschildkröte.
Anhaltswerte für Gewichte von Spornschildkröten-Babys
Alter, Tage bzw. Monate |
Gewicht, g |
Bemerkungen |
14 Tage |
39 |
CL = 5,5 cm |
2 Monate |
29 – 43 |
|
3 Monate |
39 – 55 |
|
4 Monate |
54 – 69 |
|
12 Monate |
ca. 120 |
|
13 Monate |
190 – 340 |
CL = 9 - 12 cm |
16 Monate |
2401 – 6402 |
1 = Männchen, 2 = Weibchen |
CL = gestreckte Carapaxlänge
Bild 7: Beispiel für ein normales Wachstum: dieses Spornschildkröten-Weibchen war zum Zeitpunkt der Aufnahme etwa 4 ½ Jahre alt und wog knapp 5 kg. Foto von Stefan Dettling. Alle anderen Aufnahmen stammen vom Autor.
Fazit und Empfehlungen
Leider war es mir trotz aller Bemühungen bisher nicht möglich, den eigentlichen Grund für das Kümmern von Spornschildkröten-Nachzuchten herauszufinden. Ein genetischer Effekt als Erklärung wird von den Spezialisten als Ausnahme (weniger als 5 % der auftretenden Fälle) angesehen. Eine übermäßig starke Verwurmung kann auch nicht der (alleinige) Grund sein, weil auch Tiere kümmern, die nachweislich wurmfrei sind (ein ganz anderes, hier aus Platzgründen nicht zu diskutierendes Thema ist, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen Oxyurenbefall bei ohnehin schon geschwächten Tieren mittels Panacur zu bekämpfen). Entsprechendes gilt für eine gestörte Calciumaufnahme bzw. Vitamin D-Synthese oder für Mineralstoffmangel: sobald die kleinen Schildkröten wenigstens etwas fressen (oder zwangsernährt werden), nehmen sie automatisch auch ausreichend Mineralien auf. Denkbar als Erklärung wäre auch eine virale Infektion mit der Folge einer Demineralisierung oder eine sekundäre krankhafte Überaktivität der Nebenschilddrüsen.
Wer bereits eine kümmernde junge Spornschildkröte besitzt und sie artgerecht hält, auf die trotzdem die in diesem Artikel veröffentlichten Symptome zutreffen, kann an der Situation nur wenig ändern. Man muss sich als Halter eines derartigen Tiers mit dessen Zustand abfinden. Man sollte sich auch keine Vorwürfe in Richtung auf eine mögliche falsche Haltung machen, denn die Art Geochelone sulcata ist eine sehr robuste Schildkrötenart, die mit vielen unterschiedlichen Umgebungsbedingungen zurechtkommt.
Ich fürchte, dass derartige kleinwüchsige Tiere immer Patienten bleiben werden, auch wenn mir entsprechende Erfahrungen bei über 6-jährigen Tieren fehlen. Man muss also mit ständigen Höhen und Tiefen in der Pflege rechnen. Einziger Vorteil, wenn man dieses Wort in diesem Zusammenhang überhaupt gebrauchen kann: ein oder zwei Kümmerlinge dieser Riesenschildkrötenart lassen sich in einem vergleichsweise kleinen Terrarium bzw., in der warmen Jahreszeit, in einem kleinen Freigehege pflegen.
Doch Käufer von Spornschildkröten-Nachzuchten können sich eine derartige, alles andere als zufriedenstellende Situation ersparen. Sie sollten keine Nachzuchten ungesehen bei Händlern kaufen, die ständig mehrere Schildkrötenarten auf engem Raum halten und die Elterntiere nicht vorzeigen können. Aber auch der Kauf von Spornschildkröten-Schlüpflingen auf einer Reptilienbörse stellt aus meiner Sicht ein gewisses Risiko dar. Wenn der Erwerb dort schon sein muss, dann sollte man sich vom Verkäufer nicht nur die Papiere (sofort auf Plausibilität prüfen !) zeigen lassen, sondern auch nach dem aktuellen Gewicht und der Gewichtsentwicklung der letzten Wochen fragen. Das Mitnehmen einer kleinen Küchenwaage ist in diesem Fall nicht übertrieben. Auch das Untersuchungsprotokoll einer Kotprobe der angebotenen Tiere wäre für den Käufer interessant.
Zu bevorzugen ist der persönliche Kauf beim Züchter zuhause. Vorsicht ist geboten, wenn die angebotenen Schildkröten-Babys schon beim Züchter apathisch sind: sie müssen neugierig sein und im Gehege herumlaufen. Sulcatas mit einem Gewicht von weniger als 45 g sollte man generell nicht kaufen. Ich selbst wäre – nach all den unerfreulichen Erfahrungen so mancher Schildkrötenfreunde – sogar noch vorsichtiger und würde Sulcatas nur ab einem Alter von etwa einem Jahr erwerben, auch wenn sie dann etwas teurer sind als erst zwei oder drei Monate alte Babys. Was solche Schildkröten etwa wiegen sollten, ist obiger Tabelle zu entnehmen.
Seriöse Züchter werden bestimmt auch einer Rückgabe eines gekauften Tieres für den Fall zustimmen, dass sein Gewicht nach dem Kauf stagnieren sollte.
Ich wünsche mir deshalb, dass dieser zweiteilige Bericht von möglichst vielen Schildkrötenfreunden, aber auch Züchtern gelesen wird. Sollten Sie im Bekanntenkreis erfahren, dass jemand an die Anschaffung von G. sulcata denkt, so machen Sie ihn/sie auf meinen zweiteiligen Artikel aufmerksam, auch dann, wenn er/sie bereits ein Sulcata-Problemtier besitzt.
Literatur:
Bidmon Hans-J. (2012): pers. Mitteilung an den Autor, 1.12.2012
Dennert Carolin (2001): Ernährung von Landschildkröten. Natur und Tier-Verlag, Münster, ISBN 3-931587-53-3
Eggenschwiler Ursula (2000): Die Schildkröte in der tierärztlichen Praxis. Schöneck-Verlag, ISBN 3-9522067-0-9
Stewart Tyler (2012): Sulcata Tortoise Care Sheet. www.reptilechannel.com/care-sheets, Stand September 2012
Dieser Beitrag wurde am 17. November 2013 online gestellt.
Auf die Nennung der Namen von Käufern und Züchtern wurde bewusst verzichtet.
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Nachtrag vom 26. März 2014:
Spornschildkröten-Babys Nr. 5 und 6 leben (auch) nicht mehr
Leider sind meine im obigen Beitrag angedeuteten Hoffnungen über einen gewissen Entwicklungsfortschritt bei den beiden stark zurückgebliebenen Sulcata-Jungtieren Nr. 5 und 6 nicht in Erfüllung gegangen. Im obigen Text wurde bereits erwähnt, dass die beiden zum Zeitpunkt des Hochladens des umfangreichen Berichtes nach mehreren Tagen mit - relativ - gutem Appetit plötzlich das Futter wieder verweigerten, was auch immer ich ihnen anbot. Diese Phase hielt leider seitdem an, und die Tiere wurden zunehmend lethargischer. Die Folge war ein Gewichtsverlust: wog das kleinere Tier (Nr. 5) am 7. Januar 2014 noch 69 g und das etwas größere (Nr. 6) 104 g, zeigte die Waage am 16. März nur noch 64 bzw. 99 g an. Da alle Sulcata-Jungtiere von mehreren Züchtern, deren traurige Schicksale ich über drei Jahre (2011-2014) hinweg verfolgen konnte, im Freien auffällig sonnenscheu waren, ersetzte ich die Wärmelampe in ihrem Terrarium durch eine mit geringerer Watt-Zahl. Doch auch diese Maßnahme brachte keine Änderung im Verhalten der Jungtiere: ihre kumulierte Tagesstrecke war nie größer als 10 cm! Meist lagen die Tiere mit geschlossenen Augen im äußeren Bereich des Lichtkegels und bewegten sich praktisch nicht. Einzig das zweimal wöchentlich erfolgende Bad im lauwarmen Wasser für etwa 10 Minuten belebte sie kurzzeitig; wenigstens streckten sie während dieser Zeit ihre Köpfe aus dem Wasser und öffneten ihre Augen.
Die beiden fast drei Jahre alten Sulcata-Jungtiere in der letzten Aufnahme von ihnen vom 22. März 2014, mit einer viel größeren Wäscheklammer als Größenvergleich. Normal gewachsene Schildkröten dieser Art sollten in diesem Alter deutlich über 1 kg wiegen. Foto vom Autor.
Eine weitere Behandlung durch die Tierärztin wollte ich den beiden ebensowenig zumuten wie eine tägliche Zwangsernährung durch mich. Wenn artgerecht gehaltene Schildkröten bei dieser speziellen Vorgeschichte über so lange Zeit nichts fressen, sollte man ihr Dasein nicht durch die künstliche Ernährung kurzzeitig verlängern - zu dieser Ansicht war ich inzwischen gelangt. Am vergangenen Wochenende fotografierte ich die beiden "Sorgen"-Schildkröten noch ein letztes Mal (siehe Bild) - dann war der Zeitpunkt gekommen, endgültig Abschied von ihnen zu nehmen, wobei ich mir es damit wirklich nicht leicht gemacht habe und diesen Schritt lange Zeit immer wieder aufgeschoben habe ... Da das Terrarium in meinem Büro auf einem Sideboard nur 40 cm vom Schreibtisch entfernt ist, habe ich die beiden Schildkröten über viele Monate hinweg täglich mehrere Stunden lang im Auge gehabt und fast jede Regung von ihnen registriert - wahrlich kein erfreulicher Anblick. Schade ... , schade vor allem auch, dass trotz des Einschaltens mehrerer erfahrener Veterinärmediziner, denen ich frisch verstorbene Spornschildkröten-Schlüpflinge überließ, unklar blieb, warum diese Jungtiere fast von Anfang an ihr Wachstum eingestellt haben.
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Text und Fotos von Horst Köhler, Friedberg
Einleitung
Normalerweise bevorzugen europäische Landschildkröten in ihren südeuropäischen Ursprungsländern Lebensräume, in denen die Vegetation von niederen Gräsern und Unkräutern über Gestrüpp und halbhohes Buschwerk bis hin zu schattenspendenden Pinien- oder anderen Bäumen, wie Obstbäumen, reicht. Diese Vegetation gibt den Tieren nicht nur Schutz vor der Mittagshitze in der warmen Jahreszeit und vor zu hoher UVB-Einstrahlung, sondern bietet auch leicht feuchte Rückzugs- und Schlafplätze. Dies ist insbesondere für die Schlüpflinge und Jungtiere bis zu etwa drei Jahren Alter überlebenswichtig; ein dichter Bodenbewuchs schützt sie außerdem auch vor den zahlreichen Fressfeinden.
Bild 1: Blick über einen Teil des Dünenfeldes von Nord nach Süd gesehen; hinten das Mittelmeer.
Bild 2: Dieser Teil des Biotops ist wesentlich spärlicher bewachsen. Die sich hier aufhaltenden Schildkröten finden kaum Schatten und Schutz. Blickrichtung wie bei Bild 1.
Lebensraum Sanddünen
Landschildkröten können aber auch in ganz anders beschaffenen, auf den ersten Blick unwirtlichen Regionen existieren und sich dort auch fortpflanzen, wie etliche Beiträge und Schildkrötenfotos einer begeisterten Schildkröten-Freundin in dieser Website in der gleichen Rubrik „Berichte & Artikel“ von einem Sanddünen-Biotop im Raum Belek in der Südtürkei beweisen (siehe z.B. „Seltene Beobachtung: Interessantes Sozialverhalten bei frei lebenden Landschildkröten“, Artikel vom 15.3.2013 oder „Erwachen maurischer Landschildkröten im Raum Antalya (Südtürkei) Mitte Februar 2010“, 2. Teil, vom 16.5.2010).
Neugierig geworden, wollte ich diesen besonderen Lebensraum ebenfalls sehen und buchte kurzfristig in der ersten Maihälfte 2013 für eine Woche ein Hotel in Belek. Leider waren die dem Biotop nächstgelegenen Hotels entweder ausgebucht oder für mich zu teuer. Die Folge war, dass für die Hin- und Rückfahrt zu bzw. von diesem Gelände von bzw. zu meinem Hotel, ingesamt 40 km, 60 Euro für das Taxi anfielen. Aber das sollte es mir wert sein! Eine Haltestelle der wesentlich preiswerteren türkischen Mini-Busse gab es in der Nähe meines Wunschziels nicht; ich hatte auch nicht allzu große Lust, bei der Hitze nach mehreren Stunden Aufenthalt in den Sanddünen mit all meinem Equipment auch noch 2 km zu laufen. Schließlich war dies ja für mich auch Urlaub (den mir meine zuhause gebliebene Frau genehmigt hatte; Dank dafür an sie).
Bild 3: Versuchsweise von dieser Pflanze einer Schildkröte angebotene Blüten und Blätter wurden ignoriert.
Bild 4: Verräterische Schildkrötenspuren im Sand. Man braucht nur der Spur zu folgen (allerdings in der richtigen Richtung !) und man weiß, wo die Schildkröte sitzt.
Die Bilder 1-5 geben einen Eindruck vom Aussehen des Sanddünen-Biotops und seiner Vegetation. Ich schätze seine Größe grob auf 400-600 m in Ost-West-Richtung und auf etwa 300 m in Nord-Süd-Richtung. Im Süden begrenzt das Meer und ein etwa 50 m breiter völlig vegetationsloser Sandstreifen das Areal, im Norden ein Wasserkanal, im Westen die Begrenzungsmauer eines großen Hotels und im Osten ein nicht-asphaltierter Zufahrtweg zum Strand, der aber kaum benutzt wird, und wenn doch, dann meist nur von einigen wenigen Türken. Auf dem leicht hügeligen Gelände herrscht zumeist niederer Bewuchs vor, oft Pflanzen mit dornigen Widerhaken. Meine damit gespickten Socken konnte ich nach der Rückkehr ins Hotel nur noch wegwerfen; es dauerte fast eine Stunde, bis ich die Stacheln aus meinen Turnschuhen entfernt hatte. Besser geeignet für derartige Exkursionen wäre also festes Schuhwerk.
Bild 5: Solche Stauden mit bis etwa 3 m Ausdehnung bieten den Schildkröten ausreichend Schutz vor Sonne sowie Schlaf- und Überwinterungsplätze. Höhere schattenspendende Pflanzen oder gar (Eichen-) Bäume wie in anderen Sanddünenbiotopen, z.B. (Bidmon, 2013), gibt es hier nicht.
Feldprogramm
Gegen 7.30 Uhr Ortszeit – auf das Hotelfrühstück musste ich an diesem Tag verzichten – setzte mich das Taxi am Rand des Biotops ab. Besser wäre ich eine Stunde früher vor Ort gewesen, denn als ich eine halbe Stunde später die erste Maurische Landschildkröte (Testudo graeca ibera) sah (Bild 6), zeigte mir mein digitales Thermometer bereits 29 °C Lufttemperatur im Schatten an. Die Höchsttemperatur war mit rund 34 °C (das bedeutet über 40 °C an der Sonne) etwa zwei Stunden später erreicht; zu diesem Zeitpunkt lagen die Carapax-Temperaturen der untersuchten Tiere bei 32-33 °C. Zum späten Vormittag hin bewölkte sich der Himmel zum Glück etwas, so dass die Temperaturen nicht mehr weiter anstiegen – denn für den Schildkrötenbesucher gibt es auf diesem Gelände keinen Schatten.
Bild 6: Dienstag, 7. Mai 2013, 8.02 Uhr Ortszeit: meine erste Schildkröte an diesem Tag, ein 2,2 kg schweres Weibchen, hier von den kleinen gelben Blüten fressend direkt am Fundplatz aufgenommen.
Wie meine früheren Temperaturmessungen an Landschildkröten gezeigt haben, halten sich Tiere ab diesem Temperaturniveau nicht mehr an der freien Sonne auf, sondern bevorzugen schattige Plätze. Die gibt es auch in einem Sanddünen-Schildkrötenbiotop in ausreichender Zahl, auch wenn sie jeweils von begrenzter Größe sind (Bild 5).
Die hohen Tagestemperaturen waren der Grund dafür, dass ich nach etwa 10 Uhr trotz schweißtreibenden Suchens keine weitere Schildkröte mehr fand. Kein Wunder, denn um diese Zeit hatte die Sandoberfläche bereits eine Temperatur von 40 °C erreicht. Die für Schildkröten tödliche (letale) Temperatur ist davon nicht mehr sehr weit entfernt! Gleichzeitig ist auch die UVB-Bestrahlung der Sonne wegen der schlechten Deckung ungleich stärker als in anderen Lebensräumen. So habe ich schon um 9 Uhr am Fundort der in Bild 6 gezeigten Schildkröte 175 µW/cm2 gemessen, um 10.45 Uhr 300 µW/cm2. In anderen, „normalen“ Biotopen liegen typische UVB-Intensitäten um diese Tageszeit bei 50 bzw. 100 µW/cm2. Ich warne aber ausdrücklich davor, die hier angegebenen hohen Strahlungsintensitäten in dem ungeschützten Sanddünen-Schildkrötenbiotop für ein heimisches Schildkröten-Innengehege zu übernehmen, zumal für die UVB-Dosis auf die Tiere nicht nur die Intensität, sondern auch die Dauer der UVB-Beaufschlagung eine wichtige Rolle spielt (Näheres in der Rubrik „UVB-Fachartikel“ dieser Website).
Insgesamt untersuchte ich sechs Schildkröten mit Gewichten zwischen 0,9 und 2,7 kg, zwei Männchen und vier Weibchen. Eine weitere Maurische Landschildkröte entwischte mir, weil ich mit den Arbeiten an ihrer „Vorgängerin“ noch nicht ganz fertig und danach das Tier plötzlich verschwunden war. Aber es war auch nicht meine Intention, als persönlicher Wettbewerb möglichst viele Schildkröten sehen und fotografieren zu wollen.
Folgende Aufgaben führte ich bei allen sechs Schildkröten durch:
♦ Feststellung des Geschlechts
♦ Gewichtsmessung
♦ Messung des Längs- und Querumfanges, Ul bzw. Uq
♦ Messung der Carapaxlänge
♦ Messung der Lufttemperatur und der Carapax-Temperatur
♦ Messung der UVB-Intensität direkt am Fundort
♦ Fotodokumentation vom Fundort vor Beginn der Untersuchungen, Plastron- und Carapaxfotos am Ende der Untersuchungen.
Falls (ausreichend) Interesse besteht, werde ich den Zusammenhang der Schildkrötengröße, repräsentiert durch das Produkt der beiden Umfänge längs/quer mit dem Gewicht grafisch darstellen und diese Grafik mit entsprechenden Kurven von wild lebenden Schildkröten vergleichen, die in „normalen“ Biotopen leben (siehe mein Artikel „Über Schwimmverhalten, Gewichte und Gewichtskurven (Wachstumskurven) von Landschildkröten“ vom 9.12.2010 in der gleichen Rubrik dieser Website)*.
Jungtiere oder gar Schlüpflinge fand ich nicht, obwohl es sie nach den Berichten der eingangs erwähnten Schildkröten-Liebhaberin geben muss. Drei der sechs untersuchten Tiere hatten keinen Zeckenbefall, die anderen nur wenige Zecken, so dass die mitgenommene Zeckenpinzette nicht zum Einsatz kam. Dies ist auch verständlich, weil es in einem Sanddünen-Biotop nicht allzu viele dichte Versteckplätze wie anderswo gibt. Nach meiner Erkenntnis sind Schildkröten, die in „Normalbiotopen“ leben, im Durchschnitt sehr viel stärker von Zecken befallen.
Bild 7: Trauriger Anblick beim Warten auf das Taxi für die Rückfahrt zu meinem Hotel. Diese überfahrene Schildkröte lag bei meiner Ankunft noch nicht an dieser Stelle. Dabei gilt hier, ohnehin weit ab von der nächsten Hauptstraße gelegen, Geschwindigkeitsbeschränkung!
Schlangen fand ich übrigens auch nicht, lediglich einige kleinere, sehr scheue Eidechsen. Dafür gibt es Unmengen von Schnecken und deren leere Häuser – an Kalkmangel leiden die dort lebenden Schildkröten nun wirklich nicht.
Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt um 11.30 Uhr erschien das Taxi für die etwa 20 km lange Rückfahrt zu meinem Hotel. Während der Wartezeit am Rande des Biotops sah ich eine überfahrene Schildkröte (Bild 7), ein sehr unschöner Anblick.
Doch es sollte während meines einwöchigen Türkei-Aufenthaltes das einzige überfahrene Tier sein.
Bild 8: Der Autor mit einer Maurischen Landschildkröte. Wie unschwer zu sehen ist, entstand diese Aufnahme nicht im Sanddünen-Biotop, sondern im abgelegenen Teil der Hotelanlage, wo ich im Verlauf meines Aufenthaltes noch viele weitere Schildkröten fand, über Stunden hinweg ihr Verhalten beobachtete und sie vermaß und wog. Doch das wären Stoff und interessante Ergebnisse genug für einen weiteren Artikel ...
Alle hier gezeigten Aufnahmen sind unbearbeitete Digitalfotos.
LIteratur:
Bidmon Hans-Jürgen (2013): Schildkröten in den Dünen entlang des Ropotamo: Ein Lebensraum geprägt von ausgiebigem Morgentau zwischen Sand und Eichenlaub. Schildkröten Im Fokus 10 (1), 1. Februar
*) Falls allgemeines Interesse an einer solchen Grafik besteht, werde ich sie zu gegebener Zeit in schildi-online.eu veröffentlichen bzw. etwaigen Anfragern (Kontaktmöglichkeiten des Autors siehe Rubrik „Impressum & Kontakte“) gegen Portoerstattung zusenden, ansonsten in einer Schildkrötenzeitschrift publizieren (was aber bis zu einem Jahr dauern dürfte).
Dieser Beitrag wurde am 18. Mai 2013 online gestellt.
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Text und Bilder: B.B. (Name und Anschrift ist bekannt)
Vorspann von Horst Köhler
Landschildkröten werden gemeinhin als Tiere ohne großes Sozialverhalten angesehen. Dies betrifft vor allem die Beschützerinstinkte. So schließen geschlechtsreife weibliche Schildkröten ihre Fortpflanzungstätigkeit mit dem Vergraben ihrer Gelege ab und überlassen alles Weitere der Sonne und dem Zufall, ganz im Gegensatz etwa zu den Krokodilen, die nicht nur ihre Nisthöhlen bewachen, sondern die frisch geschlüpften Jungen fürsorglich zum nahen Wasser tragen.
Wild lebende Landschildkröten sind außerhalb der Paarungszeit Einzelgänger und ihre Populationsdichte nimmt in vielen Habitaten durch menschliche Eingriffe ab. Beides führt dazu, dass man in vielen natürlichen Vorkommensgebieten in Südeuropa eher selten mehrere Tiere gleichzeitig sieht. Ist dies doch der Fall, sind die Gründe dafür oft ein besonders gutes Nahrungsangebot, keine Störung durch Touristen, das Vorhandensein geschützter Versteck- und Sonnenplätze oder einfach die Tatsache, dass die Schildkröten ihren Lebensraum durch natürliche oder künstliche Barrieren nicht verlassen können.
Wie aber der nachfolgende Bildbericht unserer aufmerksamen Autorin, Fotografin und geduldigen Schildkröten-Beobachterin beweist, müssen wir möglicherweise unser Wissen über das soziale Verhalten von frei lebenden Landschildkröten etwas revidieren.
Seit nunmehr neun Jahren verbringen wir unseren Jahresurlaub im zeitigen Frühjahr an der türkischen Riviera. Dort halten wir uns täglich mehrere Stunden bei den Maurischen Landschildkröten (Testudo graeca ibera) in einem Dünengelände in Meeresnähe auf (Bild 1), die zu diesem Zeitpunkt ihre Winterruhe beenden. Wir nehmen uns sehr viel Zeit, die Lebensweise der Tiere eingehend zu beobachten (siehe auch meinen Artikel „Erwachen Maurischer Landschildkröten im Raum Antalya Mitte Februar 2010“ vom 10.5.2010 in der gleichen Rubrik dieser Schildkröten-Website, dort insbesondere Bild 1).
Bild 1: Dies ist "unser" Schildkröten-Dünengelände in der Südtürkei an der Mittelmeerküste, das wir schon seit vielen Jahren immer wieder besuchen; manchmal waren wir sogar auch zwei Mal im Jahr vor Ort, im zeitigen Frühjahr und dann nochmals im Spätherbst. Das Bild ist nach Südwesten in Richtung Meer (hinter dem Horizont) aufgenommen und zeigt, wie wenige sichere Versteck- und Rückzugsplätze es hier für die Schildkrötenpopulation gibt.
Mittlerweile können wir folgendes feststellen: Die Schlüpflinge bzw. Babys bleiben bis zum Alter von etwa zwei Jahren in unmittelbarer Nähe des Schlupfortes - sofern sie nicht mangels ungenügender Deckung von den vielen dort vorkommenden Schlangen oder von Greifvögeln erbeutet wurden. Sie leben dort in einer Art geschwisterlicher Gemeinschaft. Die wenigen überlebenden juvenilen Exemplare halten sich bis zur Geschlechtsreife in einem Radius von nur rund 10 m um den Legeplatz auf. Erst dann verlassen sie dieses Gebiet und wandern ab.
Bemerkenswert ist noch, dass die im Dünenbiotop lebenden Landschildkröten immer den gleichen Bewegungsradius und praktisch generell ihre angestammten Schlafplätze haben.
In diesem Jahr (2013) verbrachten wir vom 22. Februar bis zum 1. März traumhaft sonnige Tage bei unserem Schildkröten-Biotop. In unserem Urlaubsgebiet hatte es in diesem Jahr seit Ende Januar kaum noch geregnet. Während unserer Urlaubswoche schien die Sonne 8 bis 10 Stunden lang täglich und die Höchsttemperaturen schwankten zwischen 16 und 20 °C (im Schatten); nur am Tag unserer Ankunft war das Thermometer tagsüber nur auf maximal 12 °C geklettert. Die nächtlichen Tiefsttemperaturen lagen zwischen 6 und 10 °C (Angaben nach www.wetteronline.de).
Solches Glück haben wir nicht jedes Jahr. So hatten wir 2012 um etwa die gleiche Zeit am gleichen Ort regelrecht Pech, denn das Wetter war derart schlecht, dass wir auf keine einzige Schildkröte trafen.
Dafür wurden wir dieses Jahr reichlich entschädigt, denn wir sahen Hunderte von Schildkröten.
Eines Tages, am 28. Februar, machten wir eine sehr seltene Beobachtung, die wir hier durch eine außergewöhnliche Bilderserie dokumentieren (Bild 2 bis 4): Ein weibliches adultes Tier, das wir von unseren früheren Besuchen gut kennen, sonnte sich in der Nähe eines Legeplatzes und gewährte einem schattensuchenden Baby durch Anheben des Vorderbeines Unterschlupf und Schutz vor der brennenden Sonnenstrahlung.
Bild 2: Die junge Maurische Landschildkröte nähert sich auf der Sache nach Schatten (und Geborgenheit ?) zielstrebig dem adulten Weibchen.
Bild 3: Das Ziel ist erreicht; das Alttier hebt etwas das linke Vorderbein hoch und lässt das Schildkröten-Baby darunterschlüpfen.
Bild 4: Auf dieser Aufnahme deutlich zu sehen: Das Kleine hat nun Schutz vor der intensiven Frühlingssonne und auch vor etwaigen Fressfeinden gefunden, die es in diesem Dünen-Biotop reichlich gibt – vor allem Schlangen und Greifvögel.
Dieser Artikel wurde am 15. März 2013 online gestellt
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Infrarot-Distanzthermometer contra Kontakt-Thermometer
von Horst Köhler, Friedberg
Einführung
Es ist nicht überraschend, dass das Verhalten von frei lebenden Landschildkröten stark an die Intensität der auf sie wirkenden Sonnenstrahlung und damit an die Körpertemperatur gebunden ist, z.B. [KÖHLER, 2008 und 2009]. Alle physiologischen Vorgänge werden im Schildkrötenkörper ausgelöst (Bild 1). Daher wäre es eigentlich wissenschaftlich korrekt, die Temperatur im Körper zu messen, also die Temperatur in der Kloake. Doch die Carapax-Temperatur (Temperatur auf dem Rückenpanzer) ist ähnlich aussagekräftig; zumindest bei Sumpfschildkröten konnte ermittelt worden, dass nur sehr geringe Temperaturunterschiede zwischen Carapax und der Kloake bestehen [EDWARDS & BLOUIN-DEMERS]. Wegen der unvermeidbaren Messungenauigkeiten der normalerweise für die Feld-Terraristik eingesetzten Messinstrumente und den zwangsläufig nicht zu vermeidenden Messfehlern sind ohnehin keine übergenauen Temperaturmessungen möglich, auch wenn Instrumenten-Anzeigen auf ein zehntel Grad dies dem Laien suggerieren. Außerdem sollen Schildkröten durch unsere Temperaturmessungen nicht durch Einführen einer Sonde in die Kloake gestresst oder gar verletzt werden. Die Messung der Temperatur auf dem Carapax reicht also für unsere Zwecke voll und ganz aus.
Bild 1: Nach den Untersuchungen des Autors (hier im Bild) reagieren viele Arten von Landschildkröten ganz ähnlich auf die Veränderung ihrer Körpertemperatur. Die Aldabra-Riesenschildkröte im Bildvordergrund , deren Carapax-Temperatur 29 °C betrug, bewegt sich gerade von ihrem bisherigen halbschattigen Sonnenplatz in Richtung Vollschatten. Weitere Tiere ruhen bereits hinten im Schatten; ihre Carapax-Temperatur war 27 °C, was etwa der Umgebungstemperatur entsprach.
Warum Temperaturmessungen?
Die Messung der Carapax-Temperatur - ich bevorzuge als Messstelle die höchste Wölbung des Rückenpanzers - kann dem Halter wertvolle Hinweise bei der Tierpflege geben. Wer beispielsweise bei seinen Tieren im Terrarium bzw. Innengehege feststellt, dass sie nie direkt unter der Bestrahlungslampe sitzen, sollte die Carapax-Temperatur messen. Liegt sie z.B. bei 40 °C, ist es unter der Lampe zu warm. Man sollte in diesem Fall die Bestrahlungsintensität reduzieren, entweder durch einen Strahler geringerer Wattzahl (wirkt sich am Jahresende durch eine geringere Stromrechnung aus) oder durch Vergrößern des Bestrahlungsabstandes. Denn eine Temperatur von 40 °C liegt für viele Arten nicht sehr weit von der Letaltemperatur (tödliche Temperatur) entfernt! Wem andererseits bei seinen Schildkröten mangelnder Appetit und/oder häufigeres Niesen auffällt oder wer Flüssigkeitströpfchen an der Nase sieht und bei einer Kontrolle der Carapax-Temperatur nur etwa 23 °C bei der auffällig häufig direkt unter einer Lampe sitzenden Schildkröte misst, sollte die Bestrahlung so verändern, dass die Temperatur auf etwa 28 - 30 °C ansteigt.
Abgesehen vom „Forscherdrang“ macht es also durchaus Sinn, die Carapax-Temperatur gelegentlich zu überwachen.
Wie messen?
Doch wie kann die Temperatur an der höchsten Panzerwölbung genau und zuverlässig erfasst werden? Hier werden in der Praxis nach meiner Erfahrung die meisten Fehler begangen, denn weder ein irgendwo im Terrarium an den Scheiben angebrachtes Billig-Thermometer zeigt den tatsächlichen Temperaturwert mit ausreichender Genauigkeit an, noch ein auf den Panzer gelegtes Fieberthermometer. Falschmessungen durch Haushalts-Thermometer entstehen vor allem auch dann, wenn das Tier durch die Sonne im Freien oder eine Lampe im Terrarium von oben bestrahlt wird. Nicht umsonst beziehen sich die in Wetterberichten genannten Temperaturen immer auf den Zustand im Schatten.
Im Idealfall erfordert eine exakte Oberflächentemperaturmessung bei Schildkröten in einem Terrarium mit eingeschaltetem Strahler somit das Versetzen des Tiers aus dem Lichtkegel heraus mit sofortiger anschließender Messung, um größere Messfehler durch die starke Licht- und Wärmestrahlung auszuschließen.
Die genaue und reproduzierbare Messung von Oberflächentemperaturen (nicht nur bei Schildkröten) ist schwieriger als man denkt! Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass selbst die Messung der UVB-Strahlungsintensität [KÖHLER, 2011] einfacher ist als die Messung von Schildkröten-Oberflächentemperaturen.
Möglichkeiten der Temperatur-Erfassung bei Schildkröten
Für Temperaturmessungen bietet der Markt zwei unterschiedlich arbeitende, ähnlich preiswerte Messsysteme an, siehe Bild 2 bis 4. Es handelt sich einerseits um Kontaktthermometer (Bild 2), deren Spitze bei der Messung direkt auf den Messpunkt auf dem Carapax aufgesetzt wird, andererseits um berührungslos messende Infrarot-Thermometer (IR-Thermometer), mit denen der Besitzer aus einem gewissen Abstand alle gewünschten Wärmepunkte vermessen kann, ohne dass dabei die Schildkröte berührt werden muss.
Bild 2: Temperaturmessung bei einer Maurischen Landschildkröte im Freigehege des Autors mit einem Kontaktthermometer vom Typ TM-902C (AC-902C). Es ist mit einem gängigen K-Typ-Sensor (NiCr-NiAl) ausgerüstet. Die Messspitze (durch die rechte Hand verdeckt) ist auf die höchste Wölbung des Rückenpanzers aufgesetzt. Das Display zeigt einen Wert von 28 °C an. Die Anzeigegenauigkeit des Messgerätes beträgt laut Hersteller ± 0,75 % + 1 °C. Angezeigt werden nur volle Temperaturgrade, was jedoch für Temperaturmessungen an Landschildkröten völlig ausreicht.
Beide Messgeräte besitzen für unseren Einsatzzweck Vor- und Nachteile, die jedoch von den Herstellern und Vertreibern kaum ausreichend und verständlich kommuniziert werden. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn das Einsatzgebiet „Schildkröten“ ist im Vergleich zu anderen (Food-Bereich, Heizung, Lüftung, Kfz-Technik usw.) für derartige Produkte weitgehend neu. Da Infrarot-Thermometer aber immer mehr von Terraristik-Fachgeschäften angeboten werden, sollte man vor Beginn von Schildkröten-Temperaturmessungen die Schwächen und Stärken der eingesetzten Geräte wissen. Nur dann können gravierende Messfehler und, was noch schlimmer wäre, Falschinterpretationen der Messergebnisse vermieden werden (siehe Anmerkungen am Ende des Beitrages).
Bild 3: Das besonders kleine Infrarot-Distanzthermometer, links, hat einen Durchmesser von nur 10 mm und ist 85 mm lang. Das Digital-Kontaktthermometer rechts daneben (siehe auch Bild 2) besitzt eine etwa 1 m lange Verbindung zwischen Messsensor (Thermoelement) am Ende des hellen Kabels und dem Gerät. Der Flaschenkork in der Nähe des Thermoelementes wurde vom Autor angebracht, damit die Messung weder durch die Hand- bzw. Fingerwärme noch durch die Licht- und Wärmestrahlung von oben (Sonne im Freien, Lampe im Innengehege) verfälscht wird (siehe Bemerkungen im Text).
Links in Bild 3 ist das äußerst handliche, nur 38 g schwere Infrarot-Distanzthermometer BaseTech Mini1 von Conrad für berührungsloses Messen zu sehen (Preis ca. 25 Euro). Wegen seiner geringen Größe kann es bei Feldmessungen leicht in der Hemd- oder Hosentasche mitgeführt werden. Der Messbereich reicht von - 33 bis + 220 °C, die Genauigkeit ist ± 2 °C oder maximal 2 % vom Messwert, die Ansprechzeit liegt bei etwa 1 sec.
Rechts im Bild zum Größenvergleich das schon in Bild 2 im Einsatz gezeigte digitale Kontaktthermometer mit einem K-Typ-Thermoelement als Sensor (Preis des Geräts ca. 30 Euro; Größe ca. 70 x 105 mm). Der winzige Messsensor sitzt über der schwarzen Isolierbandumwicklung der Thermoelement-Drähte und ist auf diesem Bild kaum zu erkennen
Bild 4 zeigt mit dem PowerTec Energy ein weiteres, etwas größeres Infrarot-Thermometer für den Hobby-Bereich, vertrieben durch Kaleas GmbH & Co zu einem Preis von zurzeit etwa 30 Euro. Es kostet somit etwa gleich viel wie die beiden anderen hier vorgestellten Messgeräte (durch eine Sonderaktion eines Discounters war mein Gerät sogar das preiswerteste von allen drei). Beim Messen liegt es sicherer in der Hand als etwa das Mini-IR-Thermometer (Bild 3 links), d.h. Messfehler durch unruhiges Halten (Zittern) wie beim BaseTech Mini1 sind weniger wahrscheinlich. Der PowerTec besitzt einen Laser zum genauen Anvisieren der gewünschten Messstelle und erlaubt ein kontinuierliches Scannen, z.B. von mehreren Nachzuchttieren im gleichen Behältnis. Dies ermöglicht beispielsweise dem Züchter das Erfassen der Oberflächentemperaturen von mehreren Schildkröten-Babys (z.B. in Abhängigkeit des Abstandes des bevorzugten Sonnenplatzes vom Boden-Lichtkegel der Bestrahlungslampe) durch nur einen einzigen Schwenk von nur wenigen Sekunden Dauer; alternativ ist es auch möglich, die gesamte Oberfläche einer Landschildkröte zu scannen, um auf diese Weise auch Temperaturen an anderen Stellen des Carapax zu ermitteln.
Im Verlauf des Einsatzes des in Bild 4 gezeigten Messgerätes habe ich allerdings festgestellt, dass ein punktgenaues Temperaturmessen ohne Ziellaser (dieser lässt sich abschalten) vor allem bei kleineren Schildkröten fast unmöglich ist, weil die Messstelle dann meist verfehlt wird, sogar dann, wenn kleinere Nachzuchten mit 4 oder 5 cm Größe aus geringem Abstand, z.B. 15 cm, vermessen werden. Dies hängt mit der eingebauten Optik zusammen, einem wichtigen Punkt, auf den weiter unten ausführlich eingegangen wird.
Bild 4: Infrarot-Thermometer wie das hier gezeigte ermöglichen ebenfalls eine berührungslose Temperaturmessung. Gut ist der kleine rötliche Laser-Zielpunkt etwa auf der Carapaxmitte zu sehen. Die Temperatur der Holzschildkröte an dieser Stelle beträgt 20,7 °C. Selbst IR-Geräte im unteren Preissegment besitzen eine beleuchtete Anzeige, eine sehr schnelle Ansprechzeit (0,5 sec beim hier gezeigten Gerät), einen zu/abschaltbaren Laser und eine ausreichende Messgenauigkeit von ± 2 % vom Messwert (maximal ± 2 °C). Dies bedeutet, dass bei einer tatsächlichen Carapax-Temperatur von beispielsweise 30 °C der Ablesewert zwischen 29,4 und 30,6 °C liegen kann.
Kurz gefasst: Funktionsprinzip
Wie arbeiten nun die beiden Messgeräte-Typen?
Bei einem Kontaktthermometer mit Thermoelement-Sensor (Bild 2) wird der Sensor leicht auf die zu messende Oberflächenstelle aufgesetzt. Der Sensor ist kleiner als ein Stecknadelkopf und besteht aus zwei ungleichen metallischen, an der Spitze miteinander verschweißten Thermoelement-Drähten. Bei dem Gerät in Bild 3 (rechts) liegt die Messspitze offen und darf deshalb nicht beschädigt werden. Wird diese Spitze erwärmt (oder abgekühlt), entsteht eine elektrische Spannung, deren Größe der Temperatur entspricht. Das Instrument errechnet die zugehörige Temperatur und zeigt es auf dem Display an (Bild 2 und 3). Da der Sensor klein ist, nimmt er sehr schnell die Temperatur der zu messenden Stelle an und zwar unabhängig davon, um welches Material (z.B. Metall, Mauerwerk, Holz, Schildkröte) es sich dabei handelt und von welcher Beschaffenheit die Oberfläche ist (rauh, glatt, nass, staubig usw.).
Die Hersteller von Kontaktthermometern sprechen im Zusammenhang mit ihren Produkten gerne von einem ultra-schnellen Sensor. Doch meine Messungen an Schildkröten im Innengehege und in der freien Natur in Südeuropa haben ergeben, dass es bestimmte Situationen gibt, bei denen die Beharrung (diese ist dann erreicht, wenn sich die Temperaturanzeige nicht mehr verändert) erst nach längerer Kontaktzeit, z.B. 45 sec, erreicht wird (Erläuterung im Text unten).
Die berührungslose Temperaturmessung mit den immer beliebter werdenden IR-Thermometern, z.B. [Uhlhaas und Pohlscheid, 2011], scheint auf den ersten Blick für die hier beschriebene Anwendung eleganter und leichter zu sein. Im natürlichen Lebensraum muss man sich beispielsweise nicht wie beim Kontaktfühler bis zum Boden bücken, um die Carapax-Temperatur einer im Dickicht sitzenden Schildkröte zu messen. Aber Achtung: überhängende Gräser oder Zweige zwischen Schildkröte und Gerät verfälschen das Messergebnis ganz erheblich, selbst ein einzelner dünner Grashalm. Das Tier bekommt die Messung in der Regel nicht mit, versucht also auch nicht zu fliehen.
Der Sensor eines solches Thermometers erfasst die von einer Oberfläche abgegebene (emittierte) und reflektierte Energie, die von der Temperatur abhängt, und lenkt sie auf den Infrarot-Detektor im Gerät. Dieser Detektor formt die Infrarot-Energie in ein elektrisches Signal um, das dann aufgrund der Kalibrierung des Sensors und des eingestellten sogenannten Emissionsgrades wiederum in eine Temperatur umgerechnet und im Display angezeigt wird.
Das Problem mit dem Emissionsgrad
Doch der große Nachteil der IR-Geräte wird oft nicht erkannt oder ist Terrarianern gänzlich unbekannt. Wie gut oder wie schlecht verschieden beschaffene Materialien Infrarot-Energie absorbieren bzw. abstrahlen und reflektieren können, hängt nämlich von ihrem sogenannten Emissionsgrad (Emissionsfaktor) ab, der zwischen 0 und 1,0 liegen kann. Er hängt von mehreren Faktoren ab: Geometrie der Oberfläche (eben, konkav, konvex), Oberflächendicke und -beschaffenheit (rau, oxidiert, poliert usw.), Messwinkel und der Temperatur. Billig-IR-Thermometer, so auch die beiden in diesem Artikel vorgestellten, sind meist auf einen festen Emissionsfaktor von 0,95 eingestellt. Ist der Emissionsgrad des Panzers einer Schildkröte aber niedriger als 0,95, zeigt ein auf 0,95 eingestelltes Gerät eine niedrigere als die tatsächlich vorhandene Temperatur an. Umgekehrt: ist der tatsächliche Emissionsgrad des Schildkrötenpanzers gröfßer als 0,95, wird eine zu hohe Temperatur angezeigt.
Leider ist mir der Emissionsgrad von Landschildkröten und der Einfluss von Panzerstruktur und -Farbe nicht bekannt, zumindest fand ich keine entsprechende Literaturstelle. Messungen (an Schildkröten) mit IR-Thermometern sind daher trotz ihrer Vorteile meiner Meinung nach nicht sehr zuverlässig; mehr dazu weiter unten.
Teurere IR-Thermometer (Preis ab 65 Euro) haben zwar einen frei wählbaren Emissionsfaktor, der aber vor einer Messung zuerst mit einer entsprechenden berührenden Vergleichsmessung ermittelt werden muss. Dann kann aber der Schildkröten-„Experimentator“ auch gleich den Oberflächenfühler verwenden, denn jede wild lebende Schildkröte kann einen etwas anderen Emissionsgrad aufweisen.
Weiterer Nachteil des IR-Thermometers: die Optik, d.h. die Größe des Messflecks
Als weiteren Nachteil bei der Anwendung in der Schildkröten-Terraristik habe ich empfunden, dass der Messfleck der Infrarot-Thermometer auf dem Zielobjekt relativ groß ist. Wird eine Schildkröte z.B. aus 20 cm Abstand angepeilt, hat der Messfleck bei dem in Bild 4 gezeigten Gerät einen Durchmesser von 2,5 cm, bei 40 cm Abstand hat er einen Durchmesser von 5 cm und bei 60 cm Abstand 7.5 cm. Dies bedeutet, dass dieses Messinstrument ein optisches Verhältnis D:S (distance-to-spot) von 8:1 besitzt.
Das Thermometer ermittelt dann jeweils einen Durchschnitts-Temperaturwert über die entsprechende Fläche, der aufgrund von örtlichen Unebenheiten-, Farb- und Rauhigkeitsunterschieden von der Temperatur an einem einzelnen Punkt des Rückenpanzers abweicht. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Messfleck, vor allem bei kleineren Schildkröten, teilweise unbemerkt auf den umgebenden Boden fällt und die (abweichende) Bodentemperatur Einfluss auf den Messwert hat. Fällt der Messfleck teilweise auf die seitlichen Randschilde, wird das Messergebnis aufgrund des örtlich unterschiedlichen Messwinkels ebenfalls verändert. Dass das Gerät unbeabsichtigt die Temperatur überhängender Blätter oder Gräser mitmisst, wurde schon angedeutet.
Achtung: der Messfleck darf nicht mit dem Laserfleck (siehe Bild 4) verwechselt werden.
Daraus folgt für das Arbeiten mit einem IR-Thermometer:
♦ Vorzugsweise sind nur IR-Instrumente mit einem möglichst großen Verhältnis D:S zu verwenden. Das in Bild 3 gezeigte Mini-IR-Thermometer lässt sich zwar leicht zur Feldmessung mitnehmen, besitzt aber nur ein optisches Verhältnis von 1:1. D.h., möchte man, dass der Messfleck auf einer (kleinen) Schildkröte - aus Genauigkeitsgründen - nicht größer ist als 1 cm im Durchmesser, darf man die Temperatur nur aus einem Abstand von ebenfalls 1 cm messen!
♦ Das Zielobjekt muss immer (deutlich) größer sein als der Messfleck des Instrumentes auf ihm.
♦ Je kleiner das Zielobjekt ist, desto geringer muss auch die Messentfernung sein, es sei denn, man hat ein Thermometer mit einem D:S-Verhältnis von 10:1 oder besser zur Verfügung. Ist ein Schlüpfling z.B. nur 4 cm groß, darf man ihn selbst mit einem 10:1-Thermometer aus nur 40 cm Entfernung oder weniger scannen.
♦ Man sollte nach Möglichkeit immer den geringstmöglichen Abstand zum Zielobjekt wählen.
Dies relativiert den eingangs genannten Vorteil einer Schildkröten-Temperaturmessung mit einem IR-Thermometer quasi „aus der Hüfte“. Das Bücken im natürlichen Lebensraum, oft bei großer Hitze, bleibt einem also doch nicht erspart!
Wichtig ist außerdem, dass das IR-Thermometer immer senkrecht zur Messfläche ausgerichtet wird. Wird dies nicht beachtet, ist nach meinen Untersuchungen allein dadurch mit einem Messfehler von rund 1 °C zu rechnen (bei schräger Anpeilung der Messstelle ist die Temperatur geringer als die tatsächlich vorhandene).
Alle diese Nachteile sind bei Kontaktfühlern ausgeschlossen. Bei meinen Messungen erwiesen sich diese punktgenauen Messungen als zuverlässig, aussagekräftig und reproduzierbar. Ich bevorzuge sie seit vielen Jahren sowohl bei Schildkrötenexkursionen im natürlichen Lebensraum von Landschildkröten als auch im heimischen Gehege oder im Terrarium. Wer wie ich Temperaturmessungen an Schildkröten weitergibt, sei es per eigene Website oder im Rahmen von Veröffentlichungen oder Vorträgen, sollte sich nur auf punktförmige Messungen mit einem Kontaktfühler verlassen und dabei auch stets den verwendeten Gerätetyp angeben. Denn sonst sind die Angaben unter Umständen nicht mit anderen vergleichbar.
Ein Kontaktfühler-Messgerät, wie es rechts in Bild 3 zu sehen ist, liefert verlässliche Ergebnisse, weil durch das direkte, senkrechte Aufsetzen des kleinen und schnell reagierenden Messfühlers auf die zu messende Oberfläche ein optimaler Wärmeübergang gewährleistet ist. Der Untersucher ist sich immer ganz sicher, an welcher Stelle des Panzers er genau misst. Falsche Messungen durch überhängendes Gras wie beim Infrarot-Thermometer sind ausgeschlossen, weil der Sensor immer direkt auf dem Carapax platziert wird. Auch Hautmessungen, z.B. am Kopf oder an den Extremitäten, sind ohne Weiteres möglich; dabei besteht keine Gefahr der Beschädigung der Augen wie durch den Ziellaser beim Infrarot-Thermometer.
Nachteile des Kontaktfühlers
Aber es gibt auch Nachteile: man muss den Messsensor auf die Schildkröte am Boden aufsetzen, während man mit einem IR-Thermometer immerhin z.B. 10-15 cm Abstand einhalten kann. In unserer Obhut befindliche Tiere lassen sich jedoch durch diese leichte Berührung kaum stören. Auch von einer Störung frei lebender Schildkröten durch den sehr leichten Kontakt der Messspitze habe ich bei meinen Messungen noch nichts bemerkt, selbst wenn der Sensor etwas länger auf dem Tier verbleiben sollte. Das Herausholen einer wild lebenden Schildkröte aus ihrem Versteck zum Fotografieren oder Vermessen und Wiegen oder gar ein Umdrehen wären erheblich größere Störungen.
Ein weiterer Nachteil des Kontakt-Thermometers ist schwerwiegender, lässt sich jedoch leicht vermeiden. Ungenaue und sogar falsche Messungen entstehen dann, wenn die Gerätetemperatur deutlich von der des Ziels abweicht. Bei der Anwendung im Freien besteht dieses Problem nicht, weil das verwendete Gerät spätestens nach 20 oder 30 Minuten die Umgebungstemperatur angenommen hat. Doch wenn beispielsweise ein Messgerät im kühlen Keller aufgehoben wird und man misst ohne vorherige Temperaturangleichung in einem Terrarium mit ca. 30-35 °C unter der Lampe, entstehen Messfehler, weil die Fühler etwas länger bis zur Temperaturangleichung benötigen.
Dazu ein Beispiel aus meinen Messungen an Heizkörpern: mit einem Kontaktfühler, den ich aus einem Raum mit nur 17 °C Temperatur holte, dauerte es bei einer Temperaturmessung an der ersten Rippe nach dem Heizkörperventil 180 Sekunden (!), bis die Anzeige auf dem Display mit 42 °C stabil blieb, also nsicht mehr weiter anstieg. Legte ich aber das Gerät vor der Messung 30 Minuten lang ins 24 °C warme Zimmer, trat bei der Messung an der gleichen Heizkörperstelle Beharrung schon nach der Hälfte dieser Zeit ein. Noch schneller ging es, nachdem ich das Instrument zur Temperaturangleichung vorher direkt auf den Heizkörper gelegt hatte.
Es ist also vor allem bei Messungen im heißen Terrarium auf eine vorherige Temperaturangleichung des Kontakt-Thermometers zu achten: je größer der Temperaturunterschied zwischen Messobjekt und Gerät ist, desto länger dauert es bei einem Kontaktfühler, bis die tatsächliche Temperatur richtig angezeigt wird. Ich habe es mir aus diesem Grund angewöhnt, den Oberflächenfühler 30 Minuten vor jeder Messung zur Temperaturangleichung einfach auf ein Küchenrollentuch in das Terrarium zu legen. Nur dann wird ein realistischer Messwert schneller als in 10 Sekunden angezeigt. Ob das „ultra-schnell“ ist, wie die Werbung suggeriert, sei dahingestellt. Jedenfalls: liest man die Temperatur am Display des Thermoelement-Oberflächenfühlers bei großen Temperaturdifferenzen zu früh ab, erhält man einen zu niedrigen Wert.
Beim IR-Thermometer spielt die Temperaturdifferenz aufgrund der anderen Wirkungsweise eine weniger große Rolle, obwohl die fest eingebaute Messzeit nur 0,5 Sekunden beträgt. Doch mit einem Messfehler von etwa 2 °C ist auch hier zu rechnen.
Vergleichsmessungen
Bei meinen Vergleichsmessungen habe ich mit den beiden eingesetzten Infrarot-Thermometern mit ihren fest eingestellten Emissionsgraden von 0,95 immer höhere Carapax-Temperaturen an Schildkröten gemessen als mit dem (vorgewärmten) Kontaktfühler. Einige Beispiele aus meinen Aufzeichnungen:
♦ Sternschildkröten im oben offenen Innengehege, 1 Stunde nach dem Abschalten der Strahler:
Infrarot-Thermometer 27,5 °C, Kontaktfühler 22 °C
♦ dto, mit voller Bestrahlung, Schildkröte direkt unter der Lampe:
IR-Thermometer 37 °C, Kontaktfühler 28 °C
♦ Spornschildkröten-NZ im Terrarium, volle Bestrahlung:
IR-Thermometer 33 °C, Kontaktfühler 27 °C
♦ Maurische Landschildkröten-NZ im oben offenen Gehege, ohne Bestrahlung:
IR-Thermometer 20,8 °C, Kontaktfühler 19 °C
♦ dto, mit Bestrahlung (Tier direkt unter der Lampe):
IR-Thermometer 32 °C, Kontaktfühler: 25-26 °C
(angegeben sind jeweils die Mittelwerte der Anzeigen beider IR-Thermometer, die wie bereits erwähnt beide auf einen Emissionsgrad von 0,95 eingestellt sind).
Diese Ergebnisse ließen mich zunächst an der Brauchbarkeit des Kontaktfühlers für meine Zwecke zweifeln. Doch bei Kontrollmessungen des Kontaktfühlers in einer auf Temperaturen zwischen 25 und 45 °C gehaltenen Wasserprobe im Vergleich zum Messergebnis mit einem genau anzeigenden, geeichten Laborthermometer zeigten sich deutlich geringere und damit akzeptierbare Messwert-Unterschiede von 1 bis maximal 2 °C.
Fazit
Mit den einfachen und preiswerten Infrarot-Thermometern werden Schildkrötentemperaturen (Carapax, höchster Punkt) gemessen, die stets höher als die tatsächlichen sind. Die Messergebnisse der IR-Instrumenten sind daher für diesen speziellen Anwendungszweck nicht korrekt und allenfalls dann brauchbar, wenn es um grobe Werte oder um Temperaturtendenzen geht.
Ergebnis: nur Kontaktfühler-Messgeräte mit Thermoelement-Oberflächenfühler liefern nach meinen Erfahrungen realistische und somit aussagefähige Temperaturen.
Bild 5: Hier sonnt sich eine Gruppe Maurischer und Griechischer Landschildkröten im Freigehege zwar um die Mittagszeit, doch das Bild wurde erst Anfang Oktober aufgenommen: die bereits tief stehende, schwache Herbstsonne konnte den Rückenpanzer der Tiere lediglich auf knapp 20 °C erwärmen. Domestikation hin oder her, die sogenante Thermoregulation ist auch bei wild lebenden Schildkröten nicht anders. Denn auch im natürlichen Lebensraum setzen sich Schildkröten mittags nur an kühleren Tagen oder im Frühjahr oder Herbst der ungeschützten Sonne aus. Im Sommer meiden sie dagegen die heiße Mittagssonne und suchen Linderung in Schattenverstecken. Alle Fotos stammen vom Autor.
Durch die intensive Beschäftigung mit dieser Thematik wurde für mich auch klar, warum einige Schildkröten-Fachautoren überhöhte Schildkröten-Haltungstemperaturen von 40 °C und sogar noch mehr beim Sonnen direkt unter einer Lampe angeben. Da ich in der Natur noch nie eine Landschildkröte mit einer Carapax-Temperatur von 40 °C oder darüber gefunden habe (es sei denn, das Tier lag tot an der prallen Sommersonne), auch nicht in äquatorialen Regionen, halte ich eine derartige Empfehlung für sehr gefährlich - und außerdem für Energieverschwendung. Landschildkröten heizen sich in der heißesten Jahreszeit nur am zeitigen Morgen, seltener am frühen Abend, an der freien Sonne auf, dann also, wenn die Umgebungstemperaturen noch (oder schon wieder) unter 25 °C liegen, oder aber im zeitigen Frühjahr oder im Herbst (Bild 5). Selbst MItte Dezember sind im Schildkrötenbiotop über die Mittagszeit gelegentlich noch Tiere beim sonnen zu entdecken.
Hier nun der HIntergrund der Empfehlung von überhöhten Haltungstemperaturen: Wenn Autoren beobachten, dass sich frei lebende Landschildkröten der direkten Sonnenstrahlung aussetzen (oder Schildkröten im Innengehege häufig unter dem Strahler aufhalten) und messen daraufhin die Carapax-Temperatur mit einem Infrarot-Thermometer (also nicht mit einem Kontaktfühler), sind sie sich nicht bewusst, dass die so unter dem Lichtstrahl gemessenen Werte je nach der Geräteoptik (D:S-Verhältnis), dem fest eingestellten Emissionsgrad und der Messsituation deutlich über der tatsächlich vorhandenen Temperatur liegen. Die Abweichung kann bis zu 10 °C betragen. Daraus resultiert eine, wie ich meine, verhängnisvolle Fehleinschätzung, die dann auch noch kritiklos von anderen Schildkrötenfreunden übernommen wird.
Nur um abschließend ein typisches Beispiel für eine unbemerkte Fehlmessung zu geben: eine juvenile Landschildkröte in einem Freigehege sonnt sich auf dem dort ausgelegten hellen Schottergestein, das die Sonnenstrahlung sehr gut reflektiert. Wird nun die Temperatur auf dem Carapax aus 30 cm Distanz mit dem in Bild 3 links gezeigten Mini-Infrarot-Thermometer mit seiner (schlechten) Optik von nur 1:1 gemessen, entsteht ein Messfleck von ebenfalls 30 cm Durchmesser. Dieser Messfleck ist viel größer als das Zielobjekt und fällt zwangsläufig auf das umgebende helle Gestein. Der Detektor im Thermometer kann aber nicht unterscheiden, welcher Teil der abgegebenen und reflektierten Strahlung vom Gestein und welcher Teil von der Schildkröte stammt. Da in diesem Fall der Strahlungsanteil der Umgebung überwiegt, wird allein aus diesem einzigen Grund eine deutlich höhere Temperatur als in Wirklichkeit vorliegt angezeigt.
Literatur:
Edwards A.L. & Blouin-Demers G. (2007): Thermoregulation as a function of thermal quality in a northern population of painted turtles, Chrysemys picta. Can. J. Zool. 85, S. 526-535
Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys. Schildi-Verlag Augsburg, ISBN 978-3-00-023839-0
Köhler Horst (2009): Temperatur- und UVB-Messungen an europäischen Landschildkröten im natürlichen Mikrohabitat. MINOR, DGHT-AG Schildkröten, 8. Jahrgang, Heft 3, S.20-30
Köhler Horst (2011): Die UV-B-Bestrahlung von Landschildkröten im Biotop und bei der Innenhaltung. Website www.schildi-online.eu, Rubrik „UVB-Fachartikel“, Mai 2011
Uhlhaas Manuel und Pohlscheid Philipp (2011): Messverfahren zur Überwachung des Terrarienklimas. REPTILIA, Nr. 91
Dieser Beitrag wurde am 19. Januar 2013 online gestellt.