Infrarot-Distanzthermometer contra Kontakt-Thermometer


von Horst Köhler, Friedberg


Einführung

Es ist nicht überraschend, dass das Verhalten von frei lebenden Landschildkröten stark an die Intensität der auf sie wirkenden Sonnenstrahlung und damit an die Körpertemperatur gebunden ist, z.B. [KÖHLER, 2008 und 2009]. Alle physiologischen Vorgänge werden im Schildkrötenkörper ausgelöst (Bild 1). Daher wäre es eigentlich wissenschaftlich korrekt, die Temperatur im Körper zu messen, also die Temperatur in der Kloake. Doch die Carapax-Temperatur (Temperatur auf dem Rückenpanzer) ist ähnlich aussagekräftig; zumindest bei Sumpfschildkröten konnte ermittelt worden, dass nur sehr geringe Temperaturunterschiede zwischen Carapax und der Kloake bestehen [EDWARDS & BLOUIN-DEMERS]. Wegen der unvermeidbaren Messungenauigkeiten der normalerweise für die Feld-Terraristik eingesetzten Messinstrumente und den zwangsläufig nicht zu vermeidenden Messfehlern sind ohnehin keine übergenauen Temperaturmessungen möglich, auch wenn Instrumenten-Anzeigen auf ein zehntel Grad dies dem Laien suggerieren. Außerdem sollen Schildkröten durch unsere Temperaturmessungen nicht durch Einführen einer Sonde in die Kloake gestresst oder gar verletzt werden. Die Messung der Temperatur auf dem Carapax reicht also für unsere Zwecke voll und ganz aus.

Carapax1kleinBild 1: Nach den Untersuchungen des Autors (hier im Bild) reagieren viele Arten von Landschildkröten ganz ähnlich auf  die Veränderung ihrer Körpertemperatur. Die Aldabra-Riesenschildkröte im Bildvordergrund , deren Carapax-Temperatur 29 °C betrug, bewegt sich gerade von ihrem bisherigen halbschattigen Sonnenplatz in Richtung Vollschatten. Weitere Tiere ruhen bereits hinten im Schatten; ihre Carapax-Temperatur war 27 °C, was etwa der Umgebungstemperatur entsprach.

Warum Temperaturmessungen?
Die Messung der Carapax-Temperatur - ich bevorzuge als Messstelle die höchste Wölbung des Rückenpanzers - kann dem Halter wertvolle Hinweise bei der Tierpflege geben. Wer beispielsweise bei seinen Tieren im Terrarium bzw. Innengehege feststellt, dass sie nie direkt unter der Bestrahlungslampe sitzen, sollte die Carapax-Temperatur messen. Liegt sie z.B. bei 40 °C, ist es unter der Lampe zu warm. Man sollte in diesem Fall die Bestrahlungsintensität reduzieren, entweder durch einen Strahler geringerer Wattzahl (wirkt sich am Jahresende durch eine geringere Stromrechnung aus) oder durch Vergrößern des Bestrahlungsabstandes. Denn eine Temperatur von 40 °C liegt für viele Arten nicht sehr weit von der Letaltemperatur (tödliche Temperatur) entfernt! Wem andererseits bei seinen Schildkröten mangelnder Appetit und/oder häufigeres Niesen auffällt oder wer Flüssigkeitströpfchen an der Nase sieht und bei einer Kontrolle der Carapax-Temperatur nur etwa 23 °C bei der auffällig häufig direkt unter einer Lampe sitzenden Schildkröte misst, sollte die Bestrahlung so verändern, dass die Temperatur auf etwa 28 - 30 °C ansteigt.

Abgesehen vom „Forscherdrang“ macht es also durchaus Sinn, die Carapax-Temperatur gelegentlich zu überwachen.

Wie messen?
Doch wie kann die Temperatur an der höchsten Panzerwölbung genau und zuverlässig erfasst werden? Hier werden in der Praxis nach meiner Erfahrung die meisten Fehler begangen, denn weder ein irgendwo im Terrarium an den Scheiben angebrachtes Billig-Thermometer zeigt den tatsächlichen Temperaturwert mit ausreichender Genauigkeit an, noch ein auf den Panzer gelegtes Fieberthermometer. Falschmessungen durch Haushalts-Thermometer entstehen vor allem auch dann, wenn das Tier durch die Sonne im Freien oder eine Lampe im Terrarium von oben bestrahlt wird. Nicht umsonst beziehen sich die in Wetterberichten genannten Temperaturen immer auf den Zustand im Schatten.

Im Idealfall erfordert eine exakte Oberflächentemperaturmessung bei Schildkröten in einem Terrarium mit eingeschaltetem Strahler somit das Versetzen des Tiers aus dem Lichtkegel heraus mit sofortiger anschließender Messung, um größere Messfehler durch die starke Licht- und Wärmestrahlung auszuschließen.

Die genaue und reproduzierbare Messung von Oberflächentemperaturen (nicht nur bei Schildkröten) ist schwieriger als man denkt! Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass selbst die Messung der UVB-Strahlungsintensität [KÖHLER, 2011] einfacher ist als die Messung von Schildkröten-Oberflächentemperaturen.

Möglichkeiten der Temperatur-Erfassung bei Schildkröten
Für Temperaturmessungen bietet der Markt zwei unterschiedlich arbeitende, ähnlich preiswerte Messsysteme an, siehe Bild 2 bis 4. Es handelt sich einerseits um Kontaktthermometer (Bild 2), deren Spitze bei der Messung direkt auf den Messpunkt auf dem Carapax aufgesetzt wird, andererseits um berührungslos messende Infrarot-Thermometer (IR-Thermometer), mit denen der Besitzer aus einem gewissen Abstand alle gewünschten Wärmepunkte vermessen kann, ohne dass dabei die Schildkröte berührt werden muss.

Carapax2kleinBild 2: Temperaturmessung bei einer Maurischen Landschildkröte im Freigehege des Autors mit einem Kontaktthermometer vom Typ TM-902C (AC-902C). Es ist mit einem gängigen K-Typ-Sensor (NiCr-NiAl) ausgerüstet. Die Messspitze (durch die rechte Hand verdeckt) ist auf die höchste Wölbung des Rückenpanzers aufgesetzt.  Das Display zeigt einen Wert von 28 °C an. Die Anzeigegenauigkeit des Messgerätes beträgt laut Hersteller ± 0,75 % + 1 °C. Angezeigt werden nur volle Temperaturgrade, was jedoch für Temperaturmessungen an Landschildkröten völlig ausreicht.








 


Beide Messgeräte besitzen für unseren Einsatzzweck Vor- und Nachteile, die jedoch von den Herstellern und Vertreibern kaum ausreichend und verständlich kommuniziert werden. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn das Einsatzgebiet „Schildkröten“ ist im Vergleich zu anderen (Food-Bereich, Heizung, Lüftung, Kfz-Technik usw.) für derartige Produkte weitgehend neu. Da Infrarot-Thermometer aber immer mehr von Terraristik-Fachgeschäften angeboten werden, sollte man vor Beginn von Schildkröten-Temperaturmessungen die Schwächen und Stärken der eingesetzten Geräte wissen. Nur dann können gravierende Messfehler und, was noch schlimmer wäre, Falschinterpretationen der Messergebnisse vermieden werden (siehe Anmerkungen am Ende des Beitrages).

Bild 3: Das besonders kleine Infrarot-Distanzthermometer, links, hat einen Durchmesser von nur 10 mm und ist 85 mm lang. Das Digital-Kontaktthermometer rechts danebenCarapax3 (siehe auch Bild 2) besitzt eine etwa 1 m lange Verbindung zwischen Messsensor (Thermoelement) am Ende des hellen Kabels und dem Gerät. Der Flaschenkork in der Nähe des Thermoelementes wurde vom Autor angebracht, damit die Messung weder durch die Hand- bzw. Fingerwärme noch durch die Licht- und Wärmestrahlung von oben (Sonne im Freien, Lampe im Innengehege) verfälscht wird (siehe Bemerkungen im Text).



Links in Bild 3 ist das äußerst handliche, nur 38 g schwere Infrarot-Distanzthermometer BaseTech Mini1 von Conrad für berührungsloses Messen zu sehen (Preis ca. 25 Euro). Wegen seiner geringen Größe kann es bei Feldmessungen leicht in der Hemd- oder Hosentasche mitgeführt werden. Der Messbereich reicht von - 33 bis + 220 °C, die Genauigkeit ist ± 2 °C oder maximal 2 % vom Messwert, die Ansprechzeit liegt bei etwa 1 sec.
Rechts im Bild zum Größenvergleich das schon in Bild 2 im Einsatz gezeigte digitale Kontaktthermometer mit einem K-Typ-Thermoelement als Sensor (Preis des Geräts ca. 30 Euro; Größe ca. 70 x 105 mm). Der winzige Messsensor sitzt über der schwarzen Isolierbandumwicklung der Thermoelement-Drähte und ist auf diesem Bild kaum zu erkennen 

Bild 4 zeigt mit dem PowerTec Energy ein weiteres, etwas größeres Infrarot-Thermometer für den Hobby-Bereich, vertrieben durch Kaleas GmbH & Co zu einem Preis von zurzeit etwa 30 Euro. Es kostet somit etwa gleich viel wie die beiden anderen hier vorgestellten Messgeräte (durch eine Sonderaktion eines Discounters war mein Gerät sogar das preiswerteste von allen drei). Beim Messen liegt es sicherer in der Hand als etwa das Mini-IR-Thermometer (Bild 3 links), d.h. Messfehler durch unruhiges Halten (Zittern) wie beim BaseTech Mini1 sind weniger wahrscheinlich. Der PowerTec besitzt einen Laser zum genauen Anvisieren der gewünschten Messstelle und erlaubt ein kontinuierliches Scannen, z.B. von mehreren Nachzuchttieren im gleichen Behältnis. Dies ermöglicht beispielsweise dem Züchter das Erfassen der Oberflächentemperaturen von mehreren Schildkröten-Babys (z.B. in Abhängigkeit des Abstandes des bevorzugten Sonnenplatzes vom Boden-Lichtkegel der Bestrahlungslampe) durch nur einen einzigen Schwenk von nur wenigen Sekunden Dauer; alternativ ist es auch möglich, die gesamte Oberfläche einer Landschildkröte zu scannen, um auf diese Weise auch Temperaturen an anderen Stellen des Carapax zu ermitteln.

Im Verlauf des Einsatzes des in Bild 4 gezeigten Messgerätes habe ich allerdings festgestellt, dass ein punktgenaues Temperaturmessen ohne Ziellaser (dieser lässt sich abschalten) vor allem bei kleineren Schildkröten fast unmöglich ist, weil die Messstelle dann meist verfehlt wird, sogar dann, wenn kleinere Nachzuchten mit 4 oder 5 cm Größe aus geringem Abstand, z.B. 15 cm, vermessen werden. Dies hängt mit der eingebauten Optik zusammen, einem wichtigen Punkt, auf den weiter unten ausführlich eingegangen wird.

Carapax4kleinBild 4: Infrarot-Thermometer wie das hier gezeigte ermöglichen ebenfalls eine berührungslose Temperaturmessung. Gut ist der kleine rötliche Laser-Zielpunkt etwa auf der Carapaxmitte zu sehen. Die Temperatur der Holzschildkröte an dieser Stelle beträgt 20,7 °C. Selbst IR-Geräte im unteren Preissegment besitzen eine beleuchtete Anzeige, eine sehr schnelle Ansprechzeit (0,5 sec beim hier gezeigten Gerät), einen zu/abschaltbaren Laser und eine ausreichende Messgenauigkeit von ± 2 % vom Messwert (maximal ± 2 °C). Dies bedeutet, dass bei einer tatsächlichen Carapax-Temperatur von beispielsweise 30 °C der Ablesewert zwischen 29,4 und 30,6 °C liegen kann.


Kurz gefasst: Funktionsprinzip
Wie arbeiten nun die beiden Messgeräte-Typen?
Bei einem Kontaktthermometer mit Thermoelement-Sensor (Bild 2) wird der Sensor leicht auf die zu messende Oberflächenstelle aufgesetzt. Der Sensor ist kleiner als ein Stecknadelkopf und besteht aus zwei ungleichen metallischen, an der Spitze miteinander verschweißten Thermoelement-Drähten. Bei dem Gerät in Bild 3 (rechts) liegt die Messspitze offen und darf deshalb nicht beschädigt werden. Wird diese Spitze erwärmt (oder abgekühlt), entsteht eine elektrische Spannung, deren Größe der Temperatur entspricht. Das Instrument errechnet die zugehörige Temperatur und zeigt es auf dem Display an (Bild 2 und 3). Da der Sensor klein ist, nimmt er sehr schnell die Temperatur der zu messenden Stelle an und zwar unabhängig davon, um welches Material (z.B. Metall, Mauerwerk, Holz, Schildkröte) es sich dabei handelt und von welcher Beschaffenheit die Oberfläche ist (rauh, glatt, nass, staubig usw.).

Die Hersteller von Kontaktthermometern sprechen im Zusammenhang mit ihren Produkten gerne von einem ultra-schnellen Sensor. Doch meine Messungen an Schildkröten im  Innengehege und in der freien Natur in Südeuropa haben ergeben, dass es bestimmte Situationen gibt, bei denen die Beharrung (diese ist dann erreicht, wenn sich die Temperaturanzeige nicht mehr verändert) erst nach längerer Kontaktzeit, z.B. 45 sec, erreicht wird (Erläuterung im Text unten).

Die berührungslose Temperaturmessung mit den immer beliebter werdenden IR-Thermometern, z.B. [Uhlhaas und Pohlscheid, 2011], scheint auf den ersten Blick für die hier beschriebene Anwendung eleganter und leichter zu sein. Im natürlichen Lebensraum muss man sich beispielsweise nicht wie beim Kontaktfühler bis zum Boden bücken, um die Carapax-Temperatur einer im Dickicht sitzenden Schildkröte zu messen. Aber Achtung: überhängende Gräser oder Zweige zwischen Schildkröte und Gerät verfälschen das Messergebnis ganz erheblich, selbst ein einzelner dünner Grashalm. Das Tier bekommt die Messung in der Regel nicht mit, versucht also auch nicht zu fliehen.

Der Sensor eines solches Thermometers erfasst die von einer Oberfläche abgegebene (emittierte) und reflektierte Energie, die von der Temperatur abhängt, und lenkt sie auf den Infrarot-Detektor im Gerät. Dieser Detektor formt die Infrarot-Energie in ein elektrisches Signal um, das dann aufgrund der Kalibrierung des Sensors und des eingestellten sogenannten Emissionsgrades wiederum in eine Temperatur umgerechnet und im Display angezeigt wird.

Das Problem mit dem Emissionsgrad
Doch der große Nachteil der IR-Geräte wird oft nicht erkannt oder ist Terrarianern gänzlich unbekannt. Wie gut oder wie schlecht verschieden beschaffene Materialien Infrarot-Energie absorbieren bzw. abstrahlen und reflektieren können, hängt nämlich von ihrem sogenannten Emissionsgrad (Emissionsfaktor) ab, der zwischen 0 und 1,0 liegen kann. Er hängt von mehreren Faktoren ab: Geometrie der Oberfläche (eben, konkav, konvex), Oberflächendicke und -beschaffenheit (rau, oxidiert, poliert usw.), Messwinkel und der Temperatur. Billig-IR-Thermometer, so auch die beiden in diesem Artikel vorgestellten, sind meist auf einen festen Emissionsfaktor von 0,95 eingestellt. Ist der Emissionsgrad des Panzers einer Schildkröte aber niedriger als 0,95, zeigt ein auf 0,95 eingestelltes Gerät eine niedrigere als die tatsächlich vorhandene Temperatur an. Umgekehrt: ist der tatsächliche Emissionsgrad des Schildkrötenpanzers gröfßer als 0,95, wird eine zu hohe Temperatur angezeigt.

Leider ist mir der Emissionsgrad von Landschildkröten und der Einfluss von Panzerstruktur und -Farbe nicht bekannt, zumindest fand ich keine entsprechende Literaturstelle. Messungen (an Schildkröten) mit IR-Thermometern sind daher trotz ihrer Vorteile meiner Meinung nach nicht sehr zuverlässig; mehr dazu weiter unten.

Teurere IR-Thermometer (Preis ab 65 Euro) haben zwar einen frei wählbaren Emissionsfaktor, der aber vor einer Messung zuerst mit einer entsprechenden berührenden Vergleichsmessung ermittelt werden muss. Dann kann aber der Schildkröten-„Experimentator“ auch gleich den Oberflächenfühler verwenden, denn jede wild lebende Schildkröte kann einen etwas anderen Emissionsgrad aufweisen.

Weiterer Nachteil des IR-Thermometers: die Optik, d.h. die Größe des Messflecks
Als weiteren Nachteil bei der Anwendung in der Schildkröten-Terraristik habe ich empfunden, dass der Messfleck der Infrarot-Thermometer auf dem Zielobjekt relativ groß ist. Wird eine Schildkröte z.B. aus 20 cm Abstand angepeilt, hat der Messfleck bei dem in Bild 4 gezeigten Gerät einen Durchmesser von 2,5 cm, bei 40 cm Abstand hat er einen Durchmesser von 5 cm und bei 60 cm Abstand 7.5 cm. Dies bedeutet, dass dieses Messinstrument ein optisches Verhältnis D:S (distance-to-spot) von 8:1 besitzt.
Das Thermometer ermittelt dann jeweils einen Durchschnitts-Temperaturwert über die entsprechende Fläche, der aufgrund von örtlichen Unebenheiten-, Farb- und Rauhigkeitsunterschieden von der Temperatur an einem einzelnen Punkt des Rückenpanzers abweicht. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Messfleck, vor allem bei kleineren Schildkröten, teilweise unbemerkt auf den umgebenden Boden fällt und die (abweichende) Bodentemperatur Einfluss auf den Messwert hat. Fällt der Messfleck teilweise auf die seitlichen Randschilde, wird das Messergebnis aufgrund des örtlich unterschiedlichen Messwinkels ebenfalls verändert. Dass das Gerät unbeabsichtigt die Temperatur überhängender Blätter oder Gräser mitmisst, wurde schon angedeutet.
Achtung: der Messfleck darf nicht mit dem Laserfleck (siehe Bild 4) verwechselt werden.

Daraus folgt für das Arbeiten mit einem IR-Thermometer:
♦  Vorzugsweise sind nur IR-Instrumente mit einem möglichst großen Verhältnis D:S zu verwenden. Das in Bild 3 gezeigte Mini-IR-Thermometer lässt sich zwar leicht zur Feldmessung mitnehmen, besitzt aber nur ein optisches Verhältnis von 1:1. D.h., möchte man, dass der Messfleck auf einer (kleinen) Schildkröte - aus Genauigkeitsgründen - nicht größer ist als 1 cm im Durchmesser, darf man die Temperatur nur aus einem Abstand von ebenfalls 1 cm messen!
♦  Das Zielobjekt muss immer (deutlich) größer sein als der Messfleck des Instrumentes auf ihm.
♦  Je kleiner das Zielobjekt ist, desto geringer muss auch die Messentfernung sein, es sei denn, man hat ein Thermometer mit einem D:S-Verhältnis von 10:1 oder besser zur Verfügung. Ist ein Schlüpfling z.B. nur 4 cm groß, darf man ihn selbst mit einem 10:1-Thermometer aus nur 40 cm Entfernung oder weniger scannen.
♦  Man sollte nach Möglichkeit immer den geringstmöglichen Abstand zum Zielobjekt wählen.

Dies relativiert den eingangs genannten Vorteil einer Schildkröten-Temperaturmessung mit einem IR-Thermometer quasi „aus der Hüfte“. Das Bücken im natürlichen Lebensraum, oft bei großer Hitze,  bleibt einem also doch nicht erspart!
Wichtig ist außerdem, dass das IR-Thermometer immer senkrecht zur Messfläche ausgerichtet wird. Wird dies nicht beachtet, ist nach meinen Untersuchungen allein dadurch mit einem Messfehler von rund 1 °C zu rechnen (bei schräger Anpeilung der Messstelle ist die Temperatur geringer als die tatsächlich vorhandene).

Alle diese Nachteile sind bei Kontaktfühlern ausgeschlossen. Bei meinen Messungen erwiesen sich diese punktgenauen Messungen als zuverlässig, aussagekräftig und reproduzierbar. Ich bevorzuge sie seit vielen Jahren sowohl bei Schildkrötenexkursionen im natürlichen Lebensraum von Landschildkröten als auch im heimischen Gehege oder im Terrarium. Wer wie ich Temperaturmessungen an Schildkröten weitergibt, sei es per eigene Website oder im Rahmen von Veröffentlichungen oder Vorträgen, sollte sich nur auf punktförmige Messungen mit einem Kontaktfühler verlassen und dabei auch stets den verwendeten Gerätetyp angeben. Denn sonst sind die Angaben unter Umständen nicht mit anderen vergleichbar.

Ein Kontaktfühler-Messgerät, wie es rechts in Bild 3 zu sehen ist, liefert verlässliche Ergebnisse, weil durch das direkte, senkrechte Aufsetzen des kleinen und schnell reagierenden Messfühlers auf die zu messende Oberfläche ein optimaler Wärmeübergang gewährleistet ist. Der Untersucher ist sich immer ganz sicher, an welcher Stelle des Panzers er genau misst. Falsche Messungen durch überhängendes Gras wie beim Infrarot-Thermometer sind ausgeschlossen, weil der Sensor immer direkt auf dem Carapax platziert wird. Auch Hautmessungen, z.B. am Kopf oder an den Extremitäten, sind ohne Weiteres möglich; dabei besteht keine Gefahr der Beschädigung der Augen wie durch den Ziellaser beim Infrarot-Thermometer.

Nachteile des Kontaktfühlers
Aber es gibt auch Nachteile: man muss den Messsensor auf die Schildkröte am Boden aufsetzen, während man mit einem IR-Thermometer immerhin z.B. 10-15 cm Abstand einhalten kann. In unserer Obhut befindliche Tiere lassen sich jedoch durch diese leichte Berührung kaum stören. Auch von einer Störung frei lebender Schildkröten durch den sehr leichten Kontakt der Messspitze habe ich bei meinen Messungen noch nichts bemerkt, selbst wenn der Sensor etwas länger auf dem Tier verbleiben sollte. Das Herausholen einer wild lebenden Schildkröte aus ihrem Versteck zum Fotografieren oder Vermessen und Wiegen oder gar ein Umdrehen wären erheblich größere Störungen.

Ein weiterer Nachteil des Kontakt-Thermometers ist schwerwiegender, lässt sich jedoch leicht vermeiden. Ungenaue und sogar falsche Messungen entstehen dann, wenn die Gerätetemperatur deutlich von der des Ziels abweicht. Bei der Anwendung im Freien besteht dieses Problem nicht, weil das verwendete Gerät spätestens nach 20 oder 30 Minuten die Umgebungstemperatur angenommen hat. Doch wenn beispielsweise ein Messgerät im kühlen Keller aufgehoben wird und man misst ohne vorherige Temperaturangleichung in einem Terrarium mit ca. 30-35 °C unter der Lampe, entstehen Messfehler, weil die Fühler etwas länger bis zur Temperaturangleichung benötigen.
Dazu ein Beispiel aus meinen Messungen an Heizkörpern: mit einem Kontaktfühler, den ich aus einem Raum mit nur 17 °C Temperatur holte, dauerte es bei einer Temperaturmessung an der ersten Rippe nach dem Heizkörperventil 180 Sekunden (!), bis die Anzeige auf dem Display mit 42 °C stabil blieb, also nsicht mehr weiter anstieg. Legte ich aber das Gerät vor der Messung 30 Minuten lang ins 24 °C warme Zimmer, trat bei der Messung an der gleichen Heizkörperstelle Beharrung schon nach der Hälfte dieser Zeit ein. Noch schneller ging es, nachdem ich das Instrument zur Temperaturangleichung vorher direkt auf den Heizkörper gelegt hatte.

Es ist also vor allem bei Messungen im heißen Terrarium auf eine vorherige Temperaturangleichung des Kontakt-Thermometers zu achten: je größer der Temperaturunterschied zwischen Messobjekt und Gerät ist, desto länger dauert es bei einem Kontaktfühler, bis die tatsächliche Temperatur richtig angezeigt wird. Ich habe es mir aus diesem Grund angewöhnt, den Oberflächenfühler 30 Minuten vor jeder Messung zur Temperaturangleichung einfach auf ein Küchenrollentuch in das Terrarium zu legen. Nur dann wird ein realistischer Messwert schneller als in 10 Sekunden angezeigt. Ob das „ultra-schnell“ ist, wie die Werbung suggeriert, sei dahingestellt. Jedenfalls: liest man die Temperatur am Display des Thermoelement-Oberflächenfühlers bei großen Temperaturdifferenzen zu früh ab, erhält man einen zu niedrigen Wert.

Beim IR-Thermometer spielt die Temperaturdifferenz aufgrund der anderen Wirkungsweise eine weniger große Rolle, obwohl die fest eingebaute Messzeit nur 0,5 Sekunden beträgt. Doch mit einem Messfehler von etwa 2 °C ist auch hier zu rechnen.

Vergleichsmessungen
Bei meinen Vergleichsmessungen habe ich mit den beiden eingesetzten Infrarot-Thermometern mit ihren fest eingestellten Emissionsgraden von 0,95 immer höhere Carapax-Temperaturen an Schildkröten gemessen als mit dem (vorgewärmten) Kontaktfühler. Einige Beispiele aus meinen Aufzeichnungen:
♦ Sternschildkröten im oben offenen Innengehege, 1 Stunde nach dem Abschalten der Strahler:
Infrarot-Thermometer 27,5 °C, Kontaktfühler 22 °C

♦ dto, mit voller Bestrahlung, Schildkröte direkt unter der Lampe:
IR-Thermometer 37 °C, Kontaktfühler 28 °C

♦ Spornschildkröten-NZ im Terrarium, volle Bestrahlung:
IR-Thermometer 33 °C, Kontaktfühler 27 °C

♦ Maurische Landschildkröten-NZ im oben offenen Gehege, ohne Bestrahlung:
IR-Thermometer 20,8 °C, Kontaktfühler 19 °C

♦ dto, mit Bestrahlung (Tier direkt unter der Lampe):
IR-Thermometer 32 °C, Kontaktfühler: 25-26 °C

(angegeben sind jeweils die Mittelwerte der Anzeigen beider IR-Thermometer, die wie bereits erwähnt beide auf einen Emissionsgrad von 0,95 eingestellt sind).

Diese Ergebnisse ließen mich zunächst an der Brauchbarkeit des Kontaktfühlers für meine Zwecke zweifeln. Doch bei Kontrollmessungen des Kontaktfühlers in einer auf Temperaturen zwischen 25 und 45 °C gehaltenen Wasserprobe im Vergleich zum Messergebnis mit einem genau anzeigenden, geeichten Laborthermometer zeigten sich deutlich geringere und damit akzeptierbare Messwert-Unterschiede von 1 bis maximal 2 °C.

Fazit
Mit den einfachen und preiswerten Infrarot-Thermometern werden Schildkrötentemperaturen (Carapax, höchster Punkt) gemessen, die stets höher als die tatsächlichen sind. Die Messergebnisse der IR-Instrumenten sind daher für diesen speziellen Anwendungszweck nicht korrekt und allenfalls dann brauchbar, wenn es um grobe Werte oder um Temperaturtendenzen geht.
Ergebnis: nur Kontaktfühler-Messgeräte mit Thermoelement-Oberflächenfühler liefern nach meinen Erfahrungen realistische und somit aussagefähige Temperaturen.


Carapax5kleinBild 5: Hier sonnt sich eine Gruppe Maurischer und Griechischer Landschildkröten im Freigehege zwar um die Mittagszeit, doch das Bild wurde erst Anfang Oktober aufgenommen: die bereits tief stehende, schwache Herbstsonne konnte den Rückenpanzer der Tiere lediglich auf knapp 20 °C erwärmen. Domestikation hin oder her, die sogenante Thermoregulation ist auch bei wild lebenden Schildkröten nicht anders. Denn auch im natürlichen Lebensraum setzen sich Schildkröten mittags nur an kühleren Tagen oder im Frühjahr oder Herbst der ungeschützten Sonne aus. Im Sommer meiden sie dagegen die heiße Mittagssonne und suchen Linderung in Schattenverstecken. Alle Fotos stammen vom Autor.

Durch die intensive Beschäftigung mit dieser Thematik wurde für mich auch klar, warum einige Schildkröten-Fachautoren überhöhte Schildkröten-Haltungstemperaturen von 40 °C und sogar noch mehr beim Sonnen direkt unter einer Lampe angeben. Da ich in der Natur noch nie eine Landschildkröte mit einer Carapax-Temperatur von 40 °C oder darüber gefunden habe (es sei denn, das Tier lag tot an der prallen Sommersonne), auch nicht in äquatorialen Regionen, halte ich eine derartige Empfehlung für sehr gefährlich - und außerdem für Energieverschwendung. Landschildkröten heizen sich in der heißesten Jahreszeit nur am zeitigen Morgen, seltener am frühen Abend, an der freien Sonne auf, dann also, wenn die Umgebungstemperaturen noch (oder schon wieder) unter 25 °C liegen, oder aber im zeitigen Frühjahr oder im Herbst (Bild 5). Selbst MItte Dezember sind im Schildkrötenbiotop über die Mittagszeit gelegentlich noch Tiere beim sonnen zu entdecken.

Hier nun der HIntergrund der Empfehlung von überhöhten Haltungstemperaturen: Wenn Autoren beobachten, dass sich frei lebende Landschildkröten der direkten Sonnenstrahlung aussetzen (oder Schildkröten im Innengehege häufig unter dem Strahler aufhalten) und messen daraufhin die Carapax-Temperatur mit einem Infrarot-Thermometer (also nicht mit einem Kontaktfühler), sind sie sich nicht bewusst, dass die so unter dem Lichtstrahl gemessenen Werte je nach der Geräteoptik (D:S-Verhältnis), dem fest eingestellten Emissionsgrad und der Messsituation deutlich über der tatsächlich vorhandenen Temperatur liegen. Die Abweichung kann bis zu 10 °C betragen. Daraus resultiert eine, wie ich meine, verhängnisvolle Fehleinschätzung, die dann auch noch kritiklos von anderen Schildkrötenfreunden übernommen wird.

Nur um abschließend ein typisches Beispiel für eine unbemerkte Fehlmessung zu geben: eine juvenile Landschildkröte in einem Freigehege sonnt sich auf dem dort ausgelegten hellen Schottergestein, das die Sonnenstrahlung sehr gut reflektiert. Wird nun die Temperatur auf dem Carapax aus 30 cm Distanz mit dem in Bild 3 links gezeigten Mini-Infrarot-Thermometer mit seiner (schlechten) Optik von nur 1:1 gemessen, entsteht ein Messfleck von ebenfalls 30 cm Durchmesser. Dieser Messfleck ist viel größer als das Zielobjekt und fällt zwangsläufig auf das umgebende helle Gestein. Der Detektor im Thermometer kann aber nicht unterscheiden, welcher Teil der abgegebenen und reflektierten Strahlung vom Gestein und welcher Teil von der Schildkröte stammt. Da in diesem Fall der Strahlungsanteil der Umgebung überwiegt, wird allein aus diesem einzigen Grund eine deutlich höhere Temperatur als in Wirklichkeit vorliegt angezeigt.   

Literatur:
Edwards A.L. & Blouin-Demers G. (2007): Thermoregulation as a function of thermal quality in a northern population of painted turtles, Chrysemys picta. Can. J. Zool. 85, S. 526-535
Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys. Schildi-Verlag Augsburg, ISBN 978-3-00-023839-0
Köhler Horst (2009): Temperatur- und UVB-Messungen an europäischen Landschildkröten im natürlichen Mikrohabitat. MINOR, DGHT-AG Schildkröten, 8. Jahrgang, Heft 3, S.20-30
Köhler Horst (2011): Die UV-B-Bestrahlung von Landschildkröten im Biotop und bei der Innenhaltung. Website www.schildi-online.eu, Rubrik „UVB-Fachartikel“, Mai 2011
Uhlhaas Manuel und Pohlscheid Philipp (2011): Messverfahren zur Überwachung des Terrarienklimas. REPTILIA, Nr. 91

Dieser Beitrag wurde am 19. Januar 2013 online gestellt.