von Horst Köhler, Friedberg
Einleitung
Bei europäischen Landschildkröten, zumindest bei schon etwas älteren Tieren, ist es normalerweise nicht schwierig, den Kopf zu fassen und die Kiefer zum Zwecke der Inspektion des Maulinneren oder zur oralen Eingabe von Medikamenten zu öffnen. Doch es gibt Arten, die sich dieser Handlung des Halters oder des Tierarztes kräftig widersetzen, so dass es ohne entsprechendes Hilfswerkzeug und vor allem ohne entsprechende Erfahrung nur schwer möglich ist, den Kopf zu umfassen und, wie der Veterinärmediziner sagt, vorzuverlagern. Zu diesen Arten zählen zweifelsohne die Sternschildkröten (Geochelone elegans), von denen ich eine kleine Gruppe in der warmen Jahreszeit im Freigehege (mit einem nachts bei niedrigen Temperaturen automatisch beheiztem Schutzhaus) und im Winter und in den Übergangszeiten in einem oben offenen Innengehege in meinem Arbeitszimmer halte. Sternschildkröten haben offensichtlich ein besonderes Gedächtnis: Es mag zwar gelingen, ihren Kopf vorsichtig nach außen zu ziehen und das Maul zu öffnen, doch dies glückt nur ein einziges Mal. Bei einer schon bald folgenden zweiten Handlung dieser Art sind Sternschildkröten äußerst wachsam und schreckhaft, und ziehen schon beim Versuch der Annäherung der menschlichen Hand Kopf und Arme so fest ein, dass eine Vorverlagerung des Kopfes für geraume Zeit aufgegeben werden muss, um nicht eine unter Umständen folgenschwere Verletzung des betreffenden Tieres zu riskieren.
Viele Tierärzte empfehlen bei einem erfolgten Nachweis von Parasiten im Verdauungstrakt von Landschildkröten (Einzeller, Oxyuren) eine zwei- bis dreimalige orale Medikamentenverabreichung im wöchentlichen Abstand, einige sogar im täglichen Abstand, dann aber in geringerer Dosierung - wobei die letztgenannte Behandlung allerdings im hohen Maße stresserzeugend für die Tiere ist. Zwar gibt es auch injizierbare Medikamente wie z.B. Citarin, doch die derzeit zur Verfügung stehende Konzentration dieses Medikamentes ist für Schildkröten ungünstig. Außerdem ist es für den Behandlungserfolg besser und verspricht weniger Nebenwirkungen, wenn das Präparat direkt in den Magen verbracht wird.
Eine ebenfalls mögliche Medikamentenverabreichung über das Futter wird von den meisten Tierärzten als zu ungenau abgelehnt.
Diese Methode scheidet natürlich ohnehin dann aus, wenn die zu behandelnden Schildkröten gar nicht mehr oder nur noch wenig Nahrung aufnehmen.
Bild 1: Demonstration an einer geschnitzten afrikanischen Landschildkröte: Wer etwas dickere Finger hat, tut sich vor allem bei Jungtieren schwer, den Kopf auf Anhieb zu fixieren. Erfolgreich war bei mir folgendes Vorgehen: man hält die Schildkröte mit der linken Hand und fasst zunächst mit einem schnellen senkrechten Griff mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand den Kopf so, dass der Daumen oben und der Zeigefinger unter dem Kopf zu liegen kommt. Da man den Kopf in dieser Griffhaltung nicht vernünftig vorziehen kann, muss nun mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand seitlich hinter dem Kiefergelenk nachgefasst werden. Genau dieser Moment ist in diesem Bild festgehalten. Bei älteren und größeren und damit schwereren Schildkröten ist es hilfreich, wenn eine zweite Person das Tier festhält.
Ich habe es bei meinen adulten Sternschildkröten trotzdem versucht: Was kann der Halter auch machen, wenn - in kürzeren Abständen - einige Male behandelt werden muss und er selbst – oder der eingeschaltete Tierarzt – den Kopf bei kräftigen Tieren nicht zu fassen bekommt? Die zu behandelnden Schildkröten jedes Mal für die Medikamentengabe in Narkose zu legen, unter Umständen auch noch unter vorsorglicher Sauerstoffversorgung, ist nicht nur eine teure Prozedur, sondern für die Tiere auch nicht ohne Risiko. Aus diesem Grund schied das Narkose-Verfahren für mich aus.
Parasiten trotz Behandlung
Von meinen beiden Sternschildkröten Suraj (weiblich, ca. 10 Jahre, ca. 1,3 kg) und Tamu (männlich, ca. 7 Jahre, ca. 410 g, Bild 2) ließ ich frischen Kot von Tamu, wie auch schon im Jahr davor, im Verlauf des Jahres 2011 mehrmals in einer größeren Tierklinik im Raum Augsburg auf Darmparasiten untersuchen. Im Mai 2011 wurden zwar keine Würmer, aber Flagellaten in einer Befallsstärke von 3+ (= starker Befall) nachgewiesen. Meine Tierärztin verabreichte daraufhin oral einmalig 250 mg Metronidazol je kg Körpergewicht bei allen im gleichen Gehege lebenden Tieren.
Bei der Kontrolluntersuchung einer Kotprobe von Tamu zwei Monate später waren zwar keine Flagellaten mehr nachweisbar, dafür aber überraschenderweise viele Oxyuren (3+). Zur Absicherung ließ ich 14 Tage später noch eine weitere Kotprobe von Tamu untersuchen: Wieder war das Ergebnis (erwartungsgemäß, da keine Medikamentenbehandlung erfolgte) Oxyuren 3+; außerdem wurde auch noch ein geringer Flagellatenbefall (1+) festgestellt.
Da ich den wechselnden Befall von Oxyuren und Flagellaten trotz entsprechender tierärztlicher oraler Medikamentenverabreichung auch im Jahr 2011 regelrecht „durchlitt“, wagte ich nunmehr den Weg der Medikamentenverabreichung über das Futter, zumal meine Sternschildkröten trotz ihrer Parasitenprobleme gute Fresser waren und es auch heute immer noch sind.
Bild 2: Dies ist Tamu, mein Sternschildkröten-Männchen, bei dem in den Jahren 2011/2012 immer wieder wechselweise und sogar gleichzeitig Flagellaten und Oxyuren im Kot nachweisbar waren. Muss man ein offensichtlich vitales und gut fressendes Tier überhaupt zwangsläufig gegen Darmparasiten behandeln? Beide Fotos stammen vom Autor.
Durchführung
Wichtig bei dieser Art der Behandlung ist nach meiner Meinung, dass die angefeuchtete Grünfutterportion vor der Verfütterung sehr klein geschnitten wird, damit die zu verabreichende Medikamentenmenge (Pulver) möglichst gleichmäßig auf die gesamte Futteroberfläche verteilt werden kann. Selbstverständlich darf es im Futter weder zu einer lokalen Medikamentenanhäufung noch dazu kommen, dass ein Teil des Futters ganz ohne Medikament bleibt. In einer kleinen Plastikschüssel wurde das so präparierte Futter deshalb gründlich durchmischt und zur „Geschmacksneutralisierung“ zusätzlich mit fein gehacktem Agrobs-Trockenwiesengrün und einer Kalk-Vitaminmischung bestreut; dies sind meine Tiere seit Jahren gewöhnt. Vor jeder Medizinalfutter-Verabreichung erhielten sie zwei Tage lang kein Futter, so dass sie sich jedes Mal regelrecht heißhungrig auf das angebotene Medizinalfutter stürzten.
Ich entschied mich für die Bekämpfung der Darmwürmer mit Panacur über das Futter zunächst für eine Dosierung von knapp 1/2 Tablette je kg Körpergewicht. Nur beim ersten Mal dosierte ich lediglich 1/3 Tablette / kg KG, um die Verträglichkeit zu überprüfen.
Wenn beispielsweise das Gesamtgewicht aller im Gehege befindlichen Sternschildkröten 5 kg beträgt, wären etwa 2 ½ Tabletten mit einem Mörser möglichst fein zu zerreiben. Eine ausreichende Zerkleinerung gelingt übrigens auch, wenn die Tabletten zwischen Zeitungspapier gelegt und mit einem Hammer gründlich zerklopft werden. Je feiner das Pulver gemahlen ist, desto besser und gleichmäßiger lässt es sich auf das Futter verteilen.
Die drei Oxyuren-Bekämpfungsmaßnahmen erfolgten jeweils in Abständen von zwei Wochen. Das Futter mit dem pulverisierten Medikament wurde dabei restlos innerhalb von etwa 15-20 Minuten gefressen. Ich habe während der Fütterung stets darauf geachtet, dass kein Tier von einem anderen vom Futter abgedrängt wurde.
Ausgeschiedener Kot wurde in den Tagen danach sofort aus dem Gehege entfernt. Hierzu ist anzumerken, dass Sternschildkröten gerne Kot fressen; es ist bei meiner Tiergruppe durchaus keine Seltenheit, dass ich zwei oder gar drei Wochen lang keinen frischen Kot im Sternschildkröten-Gehege sehe.
Etwa einen Monat nach der letzten Panacur-Medizinalfütterung schickte ich eine neue Kotprobe von Tamu an die Tierklinik. Ergebnis: keine Oxyuren, aber die Flagellaten-Befallstärke war nunmehr zu meinem Bedauern von 1+ bei der letzten Untersuchung (siehe oben) auf jetzt 3+ (= starker Befall) angestiegen.
Folglich musste ich nach einer Behandlungspause von vier Wochen noch eine dreistufige Behandlung in ein- bis zweiwöchentlichen Abständen zur Bekämpfung der Einzeller anschließen. Verwendet wurde der Wirkstoff Metronidazol, und zwar in einer Dosierung von 230 mg je kg Körpergewicht. Die Vorgehensweise erfolgte analog zur vorausgegangenen Oxyurenbekämpfung (d.h. klein geschnittenes, frisches und angefeuchtetes Grünfutter, Zerkleinern der jeweils benötigten Tablettenmenge, zweitägige Hungerpause vor jeder Verfütterung des Medizinalfutters). Während der gesamten Dauer der Metronidazol-Behandlung wurde außerdem gemäß einem früheren Vorschlag von H.-J. Bidmon (Bidmon, 2002) das Substrat im Gehege zur Eindämmung der Ausbreitung von mit dem Kot ausgeschiedenen Flagellaten täglich mit Wasser besprüht, in das ich Metronidazol-Tabletten auflöste, deren Verfallsdatum schon überschritten war. Da ich noch genügend davon besaß, löste ich eine zerkleinerte Tablette für den Inhalt meines Blumen-Pumpsprühers (ca. 1,5 l Inhalt) auf und besprühte damit die Gehegefläche täglich und gründlich.
Nun wurde es spannend und es sollte sich herausstellen, ob die Medizinalfutter-Verabreichung erfolgreich war oder nicht. Nachdem ich von Tamu keinen Kot fand und das Sternschildkröten-Männchen auch beim Bad keinen Kot absetzte, schickte ich am 8. Dezember 2012 eine Kotprobe von Suraj zur Untersuchung ein. Erfreuliches Ergebnis: negativ, es waren weder Flagellaten noch Oxyuren zu finden.
Eine Woche später beobachtete ich doch noch zufällig eine Kotabgabe von Tamu und schickte auch davon eine Probe an die Untersuchungsstelle. Das Ergebnis war auch hier: keine Flagellaten und keine Oxyuren.
Sechs Wochen später, Anfang Februar 2012, gab ich nochmals die Untersuchung von frischem Kot von Tamu in Auftrag. Auch jetzt, immerhin zwei Monate nach Abschluss der Flagellatenbekämpfung, war das Ergebnis unverändert: nach wie vor waren keine Flagellaten und keine Oxyuren nachweisbar.
Ich hoffe, dass dieser Zustand durch Vergrößerung des Anteils an getrocknetem Wiesengrün im Futter und, gerade jetzt im Frühjahr, durch Zugabe des wurmtreibenden Bärlauchs (Köhler, 2008) möglichst lange anhält.
Die Tiere haben übrigens beide Behandlungszyklen nach meiner Beobachtung sehr gut vertragen und in diesem Zeitraum sogar an Gewicht zugenommen. Ihr normales Futter haben sie schon am Tag nach der Aufnahme der mit dem Medikament versetzten Futterration restlos aufgefressen.
Hinweis: Behandlung überhaupt notwendig?
Die entscheidende Frage, ob die Behandlung von Landschildkröten bei einem Befall mit Flagellaten und/oder Oxyuren überhaupt immer dringend notwendig ist, vor allem wenn die Tiere keine auffälligen Befallssymptome zeigen (Bild 2), und ob Panacur von den verschiedenen Schildkrötenarten stets anstandslos vertragen wird, soll hier nicht behandelt werden, wird uns aber auf dieser Schildkröten-Website noch eingehend beschäftigen.
Literatur
Bidmon Hans-J. (2002): Die Indische Sternschildkröte – Teil 4: Schlupf, Aufzucht und Krankheiten. Reptilia Nr. 35, Jahrgang 7 (3), Juni/Juli, S.56-63
Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys. Schildi-Verlag Augsburg, ISBN 978-3-00-02839-0
Dieser Beitrag wurde am 21. März 2012 online gestellt