Auf der Seite „Fragen & Antworten“ wollen wir auf interessante Anfragen unserer Besucher rund um das Thema Landschildkröten antworten. Sollten wir trotz Recherchen in der Fachliteratur bzw. bei Kollegen keine Antwort geben können - niemand kann schließlich alles wissen - werden wir uns bemühen, eine entsprechende Stellungnahme von einem Biologen oder Herpetologen zu erhalten. Wir bitten Sie, uns eventuelle Fragen per Brief oder Fax oder Email zu übersenden. Ihre Frage erscheint im Netz, wenn gewünscht, nur mit Ihren Initialen und Ihrem Wohnort, der volle Namen und die Anschrift wird dann nicht angegeben.
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Frage: Wir haben zwei Griechische Landschildkröten, die geschätzt etwa fünf Jahre alt sind und 178 g (Soki) bzw. 165 g (Morti) wiegen. Wir haben sie von einer Halterin übernommen, die wohl nicht alles richtig gemacht hat; die beiden waren bei der Übernahme auch schon etwas höckrig. Bis vor Kurzem waren sie draußen auf dem Balkon, und zwar in einem Terrarium mit einem eigenen Freilaufgehege-Anbau. Vor einigen Tagen waren wir mit den beiden zur Untersuchung bei unserer Tierärztin, die feststellte, dass die Schildkröten für ihr Alter zu wenig wiegen. Sie meinte, dass mit diesem Gewicht eine Winterstarre eher gefährlich wäre. So haben wir uns dazu entschieden, die Tiere im kommenden Winter nicht in die Winterruhe zu geben.
Die Tierärztin machte uns außerdem darauf aufmerksam, dass die von uns verwendete Ultra Vitalux-Bestrahlungslampe von Osram nach etwa einem Jahr Betriebszeit schon sehr an Leistung verloren hat und wir eine neue kaufen sollen, damit die Schildkröten besser mit UVA- & UVB-Strahlung versorgt werden. Sie meinte, dass der Organismus durch die Lampe positiv beeinflusst wird. Wir haben ihren Rat befolgt und jetzt eine neue Osram-Lampe im Einsatz.
Optisch und von der Panzerhärte und vom Verhalten her sind die beiden Schildkröten unauffällig. Sie fressen auch normal: Löwenzahn, Klee, Spitzwegerich usw.
Ihr Urin ist weißlich... eine Sepiaschale liegt im Terrarium. Wasser ist natürlich auch vorhanden. Hin und wieder werden sie gebadet. Jetzt hoffen wir, dass sie noch an Gewicht zulegen werden, ohne dass wir sie mästen müssen!
Nachdem ich Ihren UVB-Fachartikel auf schildi-online.eu gelesen habe, wurde ich ein wenig skeptisch bezüglich der Eignung dieser UV-Lampe, da wir ja nicht vorhaben, die Tiere zu "grillen". Dass es eine Einbrennzeit gibt, war mir zum Beispiel bis jetzt völlig unbekannt. Auch die Tierärztin hatte nichts darüber gesagt. Aktuell läuft die Vitalux bei uns 20 Minuten täglich. Möglichkeiten sich zu verstecken haben die Tiere; sie sind also nicht dauerhaft zwangsweise der Strahlung ausgesetzt.
Können Sie mir ein paar gute Tipps & Ratschläge zu diesen beiden Punkten geben?
Herzlichen Dank für Ihre Hilfe und liebe Grüße, A. Sch.
Antwort: Auf Rückfrage hin hatte der Besitzer die Umfänge seiner beiden Griechischen Landschildkröten wie folgt durchgegeben:
Soki: Querumfang = 19,5 und Längsumfang = 23 cm
Morti: Querumfang = 20 und Längsumfang = 23 cm.
Zunächst zu den Gewichten Ihrer fünfjährigen Schildkröten, die etwa gleich groß sind: Gehen wir einmal davon aus, dass sie wirklich ein Alter von fünf Jahren haben - Sie können dies aus der hoffentlich vorhandenen EU-Bescheinigung entnehmen; gfls. ist die Vorbesitzerin zu fragen - sollten Griechische Landschildkröten etwa 300 - 350 g wiegen. Geht man aber von den von Ihnen erbetenen, mit einem Zentimetermaß einfach zu messenden Umfängen längs und quer über die höchste Carapaxwölbung aus, dann passt bei Griechischen Landschildkröten nach den von mir ermittelten Wachstumskurven die von Ihnen genannten Gewichte von 178 bzw. 165 g recht gut zu meinem "theoretischen Wert" (= 180 g) (siehe u.a. mein Artikel "Über Schwimmverhalten, Gewichte und Gewichtskurven (Wachstumskurven) von Landschildkröten" in dieser Website; zum Auffinden einfach links am Rand unter der Rubrik "Meist gelesene Artikel" auf den dritten Beitrag klicken). Die Frage ist nur, warum Ihre Schildkröten für ein Alter von (angeblich) fünf Jahren im Wachstum so zurückgeblieben sind. Sind sie aber jünger, was ja nicht ausgeschlossen ist, haben sie Appetit und geben sich (in der warmen Jahreszeit) nicht lethargisch, würde ich mir keine großen Sorgen machen. Ich rate aber zu einer Kotuntersuchung und zur regelmäßigen Gewichtskontrolle: abnehmen sollten die Schildkröten jedenfalls nicht.
Die UVB-Versorgung von Landschildkröten ist zugegebenermaßen ein recht schwieriges Gebiet, das gründliches Erarbeiten erfordert. Nicht umsonst ist mein UVB-Fachartikel in schildi-online.eu so umfangreich ausgefallen. Wer sich aber die Mühe macht, ihn von Anfang an mehrmals durchzuarbeiten, weiß worauf es ankommt und wird beim Erwerb einer UV-Strahlungslampe und ihrem Einsatz im Schildkrötengehege bzw. -terrarium nie mehr einen Fehler begehen. Es würde auch Tierärzten und den Verkäufern in den Zoogeschäften nicht schaden, wenn sie sich diesen Beitrag vornehmen.
Sie haben Ihre Osram-Lampe meiner Meinung nach zu früh ausgetauscht. Nach Herstellerangaben (vgl. die entsprechenden Ausführungen in meinem Buch "Aufzucht europäscher Landschildkröten-Babys") gibt dieses Produkt, eine starke Bräunungslampe zur Anwendung für uns Menschen (!), nach z.B. 700 Betriebsstunden in 50 cm Abstand vom Tier immer noch eine UVB-Dosis von 200 µW/cm2 ab, bei geringerem Abstand natürlich mehr. Bei nur 20 Minuten Bestrahlungsdauer täglich sind 700 Stunden erst nach 5 1/2 Jahren Brenndauer erreicht. Über das Jahr gerechnet, ist die durch die künstliche UVB-Bestrahlung erzeugte Dosis auf Ihre beiden Schildkröten ein Mehrfaches im Vergleich zur Versorgung im natürlichen Lebensraum (allerdings ist mir der genaue Bestrahlungsabstand in Ihrem Terrarium unbekannt): denn zum einen gibt es auch dort Tage, an denen die Sonne nicht scheint, es regnet oder die Schildkröten im Dickicht verschwunden sind, z.B. weil es an heißen Sommertagen in den Mittagsstunden viel zu heiß ist, andererseits bewirkt die Sonne auf Ihrem Balkon dann eine zusätzliche UVB-Versorgung, wenn die Sonnenstrahlen frei auf die Schildkröten auftreffen können.
Europäische Landschildkröten, hier ein Pärchen Griechischer Landschildkröten mit einem Maurischen Männchen in meinem Freigehege, benötigen bei vorwiegender Außenhaltung keine eigene UVB-Bestrahlung durch Lampen. Wie das gegen 9.30 Uhr aufgenommene Bild zeigt, erwärmen sich die Tiere vorwiegend am Morgen an der noch tief stehenden Sonne und erhalten dabei ihre - im Gegensatz zur Meinung vieler Terrarianer eher mäßige - UVB-Versorgung. Wenn die Sonnenstrahlung gegen Mittag intensiver ist und damit auch die am Boden ankommende UVB-Intensität, sitzen die Tiere nicht mehr ungeschützt an der Sonne, sondern vorwiegend im Halb- und Vollschatten. An solchen Ruheplätzen ist die UVB-Intensität in der Regel gering, obwohl die Sonne zu diesem Zeitpunkt ihr UVB-Maximum im Tageslauf erreicht hat. Gleiches gilt auch für wild lebende Europäische Landschildkröten. Foto von Horst Köhler.
Aus diesen Gründen setze ich zur UVB-Versorgung meiner tropischen Schildkröten, die sich ab Herbst bis zum Frühjahr in ihrem Innengehege im Haus befinden, einen 26-W-UVB-Kompaktstrahler ein, der über eine Zeitschaltuhr etwa 6-7 Stunden täglich in Betrieb ist. Meine europäischen Landschildkröten, die ganzjährig im Freigehege leben, erhalten überhaupt keine künstliche UVB-Strahlung; die natürliche Sonnenstrahlung reicht zur UVB-Versorgung völlig aus, auch wenn die Schildkröten an kühlen oder regnerischen Tagen nicht aus ihrer Schutzhütte kommen.
Horst Köhler (29. September 2014)
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Frage: Seit etwa 30 Jahren besitze ich Juliana, eine weibliche Vierzehen-Landschildkröte (Steppenschildkröte, Russische Landschildkröte). Seit nunmehr 27 Jahren verbringt sie ihre Winterruhe zwischen November und Ende Februar immer in dem "gleichen kühlen Raum" in meinem Haus. Doch diesmal ist sie bereits Anfang Dezember wieder aufgewacht und läuft in ihrer Überwinterungskiste herum. Vielleicht hängt dies ja mit dem derzeitigen milden Winterwetter bei uns zusammen. Was soll ich tun? Frau F.
Antwort: Vielleicht ist Ihr "kühler" Überwinterungsraum für Vierzehen-Landschildkröten ja doch nicht kühl genug. Vergessen Sie nicht, dass die Art in ihrem natürlichen Lebensraum im Winter, im Gegensatz zu den südeuropäischen Arten, extrem tiefen Temperaturen ausgesetzt ist, so dass also der Überwinterungsraum nicht kühl genug sein kann. Dies gilt erst recht dann, wenn die Außentemperaturen im Verlauf des Winters plötzlich ansteigen.
Übrigens: auch in der Natur wachen Landschildkröten an wärmeren Wintertagen immer mal wieder kurzzeitig auf, ja, sie kommen bei Sonnenschein sogar für ein bis zwei Stunden zum Sonnen aus ihren Verstecken, um sich dann am Spätnachmittag wieder zu vergraben.
Versuchen Sie, durch Öffnen des Fensters die Temperatur im Überwinterungsraum abzusenken. Sie dürfen Ihre Vierzehen-Schildkröte aber keinesfalls bei Temperaturen um 12 °C oder noch höher über den Winter bringen. Stellen Sie also die Kiste mit dem aufgewachten Tier für ein paar Tage (auch Nächte !) in die Garage oder auch gut abgedeckt ins Freie, wobei die Temperatur im Substrat aber nachts nicht unter Null Grad abfallen sollte (Überwachung mit einem Thermometer mit Außenfühler).
Alternativ bietet sich auch eine Wieder-Einwinterung im (ausgedienten) Kühlschrank an. Stellen Sie die Temperatur ruhig auf 4-5 °C ein und kontrollieren Sie sie mittels eines Thermometers.
Sollte die Schildkröte nicht mehr einschlafen, müssen Sie die Winterruhe für diesmal beenden und das Tier schrittweise wieder an die gewohnte Temperatur in seinem Übergangsgehege in der Wohnung gewöhnen. Dabei sollte es im lauwarmen Wasser gebadet werden. Untersuchen Sie es dabei gut und gehen Sie bei eventuellen Auffälligkeiten zu einem mit Reptilien vertrauten Tierarzt.
Dieses Steppenschildkröten-Paar entdeckte der Fotograf unlängst im Augsburger Zoo. Links das größere Tier ist das Weibchen. Foto: Horst Köhler
Rückmeldung von Frau F.: Die Vierzehenschildkröte ist nach zwei Tagen im Freien wieder eingeschlafen und konnte anschließend in den Überwinterungsraum gebracht werden. Durch Öffnen des Fensters blieb die mittlere Tagestemperatur immer knapp unter 7 °C.
Horst Köhler (3. Januar 2013)
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Frage: Ich besitze eine fast 1,7 kg schwere weibliche griechische Landschildkröte (Testudo hermanni boettgeri), die etwa 70 bis 80 Jahre alt ist. Da sie am Hals ein Ödem entwickelt hat (siehe Bild 1) und sich auch nicht mehr so aktiv wie früher bewegt, stellte ich das Tier meinem Tierarzt vor. Dieser diagnostizierte aufgrund einer Blutuntersuchung schlechte Nierenwerte, vor allem einen mit 389 µmol/l deutlich erhöhten Harnsäurepegel. Außerdem ergab die gleichzeitige Kotuntersuchung einen hohen Befall mit Oxyuren (Madenwürmern). Seit der Untersuchung bekommt die Schildkröte täglich 150 mg Allopurinol mit dem Futter; tatsächlich ist das Ödem bereits merklich zurückgegangen. Zum Glück ist auch das Fressverhalten gut, denn zu einer täglichen Zwangseingabe des Medikamentes per Sonde hätte ich mich nicht durchringen können, ganz abgesehen davon, dass diese Art der Zwangsverabreichung (zusätzlichen) Dauerstress für meine erkrankte Schildkröte bedeuten dürfte.
Bild 1: Deutlich ist auf dieser Aufnahme die starke Ödembildung am Hals der griechischen Landschildkröte zu sehen. Liegt die Ursache, wie im beschriebenen Fall, in Nierenproblemen (hoher Harnsäurewert), hilft bei rechtzeitigem (!) Einsatz das Medikament Allopurinol. Foto: S.D.
In etwa zwei Wochen wird nochmals Blut abgenommen, um die Wirkung von Allopurinol festzustellen. Der Tierarzt meint, dass die Schildkröte das Medikament wohl für den Rest des Lebens einnehmen muss. Ist dem wirklich so oder ist der schlechte Harnsäure-Pegel eine austherapierbare Angelegenheit?
S.D. (Name bekannt)
Antwort: Weil diese Thematik in dieser Schildkröten-Website bisher noch nicht behandelt wurde, vor allem aber deswegen, weil es beim Auftreten von sichtbaren klinischen Symptomen (Appetitlosigkeit bis hin zur Nahrungsverweigerung, Bewegungsunlust bis hin zu Lähmungen, Gelenkverdickungen und Ödeme) als Folge erhöhter Harnsäurewerte unter Umständen schon zu spät für eine Heilung sein kann, sei der Problemkreis hier etwas ausführlicher behandelt.
Unter einem Ödem versteht man die vermehrte Einlagerung von Flüssigkeit im Gewebe. Bei Schildkröten treten Ödeme bevorzugt am Hals (Bild 1) und an den Gliedmaßen (vor allem hinten; Bild 2) sowie an den Augenlidern auf. Die Ursachen können neben Nierenproblemen vor allem Kreislauferkrankungen, Vergiftungen und Gewebe-Beschädigungen sein. Eine Blutuntersuchung, vor allem die Feststellung des Harnsäurewertes, gibt einen Hinweis auf den Verursacher.
Gesunde Landschildkröten scheiden einen Großteil der sich bildenden Stickstoffverbindungen in Gestalt der wenig löslichen Urate aus. Urate sind die Salze der Harnsäure. Kann die Harnsäure wegen eines Nierendefektes nicht mehr über die Nieren ausgeschieden werden, kommt es zu einem Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut und zu einer Art Rückstau. Nun setzen die Urate als feste und harte Kristalle die feinen Nierenkanäle (Nierentubuli) zu (Nierengicht) und können sogar ein totales Versagen der Nieren bewirken. Gleichzeitig werden die Harnsäure-Salzkristalle in den Gelenken als zähe Masse eingelagert (Gelenkgicht). Letzteres ist für die Schildkröte äußerst schmerzhaft, vor allem dann, wenn zusätzlich noch eine geschwollene Niere auf den Ischiasnerv drückt, Grund für eine dann auffällig werdende Bewegungsunlust.
Ist eine geschädigte Niere nicht mehr in der Lage, Wasser aus dem Organismus zu entfernen, wird dieses im Bauchraum und an den soeben genannten Stellen des Körpers eingelagert (Ödembildung).
Bild 2: Ödembildung in Form sackartiger Ausstülpungen an den Hinterextremitäten eines kurz vor der Aufnahme verstorbenen, etwa sieben Monate alten Spornschildkröten-Schlüpflings (Geochelone sulcata). Es handelt sich um eines der vier Jungtiere, von denen zwei Überlebende im Foto auf der Startseite im Zusammenhang mit dem früheren Aufruf „Kümmernde Spornschildkröten-Jungtiere“ zu sehen sind. Foto: Horst Köhler.
Die Ursachen von Nierenproblemen bei Schildkröten werden in einer zu kohlenhydratreichen Ernährung gesehen; daneben kommen eine zu trockene Haltung (Wassermangel), eine nicht ausreichende Grundhelligkeit im Gehege (Terrarium) und/oder ein zu eiweißreiches (proteinreiches) Futter infrage. Auch die vermehrte Aufnahme von tierischem Eiweiß durch Landschildkröten (Pflanzenfresser !) kann Nierenprobleme auslösen, weil beim Abbau verstärkt Vorstufen der Harnsäure anfallen und die Ausscheidungsfähigkeit der Schildkröte überschritten werden kann. Damit ist schon aufgezeigt, wie Nierenprobleme vermieden werden können: Z.B. sollten eiweißreiche Pflanzen bzw. Gemüsesorten, wie Batavia, Brennnessel, Kresse, Spinat oder China- bzw. Blumenkohl, nie alleiniges Hauptfutter sein. Der Rohproteingehalt der Nahrung ausgewachsener Landschildkröten sollte nur etwa bis zu 20 % (bezogen auf die Trockensubstanz) betragen (neben Rohfett bis zu 10 % und Rohfaser mindestens 12 %; bei einem optimalen Calcium/Phosphorverhältnis von 1,5 bis 2 : 1). Allerdings möchte ich nicht ausschließen, dass manche Schildkrötenarten, wie Spornschildkröten im jungen Alter, besonders zur Ödembildung neigen (Bild 2). Die genaue Ursache dafür ist allerdings leider noch ungeklärt.
Nun aber zu dem berichteten Krankheitsfall. Ich habe mir die Blutwerte Ihrer Schildkröte angesehen; eigentlich übersteigt nur der Harnsäure-Pegel die für gesunde Schildkröten gemessene Höchstgrenze, mit 388 µmol/l (Mikromol je Liter) allerdings recht deutlich. Umgerechnet in die mir gewohnte Masseneinheit mg/dl (Milligramm je Deziliter) entspricht dies 6,52 mg/dl. Dies gilt aus meiner Sicht nach den mir bekannten Heilerfolgen als durchaus therapierbar, denn erst ab Harnsäure-Werten über 10 mg/dl gelten die Heilungsaussichten als „ziemlich“ schlecht. Zum Vergleich: Bei veterinärmedizinischen Schildkröten-Reihenuntersuchungen lagen die festgestellten Mittelwerte von gesunden weiblichen Schildkröten im Sommer bei etwa 4 mg/dl, im Herbst bei etwa 2 mg/dl und im Frühjahr bei 2,7 mg/dl. Dies sind Durchschnittswerte, d.h. die gemessenen Höchstpegel bei einigen Tieren liegen sogar höher. Die Harnsäure-Normalwerte bei gesunden Landschildkröten sind übrigens nicht nur abhängig von Schildkrötenart und Jahreszeit, sondern auch vom Geschlecht: Männliche Schildkröten haben höhere Harnsäurepegel als weibliche. Außerdem ist auch das Alter von Einfluss: Adulte Tiere weisen höhere Werte als juvenile auf.
Eine lebenslange Medikation muss nicht der Normalfall sein: Mir sind Krankheitsfälle bekannt, bei denen Allopurinol bis zur vollständigen Gesundung nur über zwei Monate hinweg gegeben wurde.
Die von Ihrem Tierarzt zur täglichen Verabreichung empfohlene Menge Allopurinol von 150 mg (entspricht 88 mg je kg Körpergewicht) erscheint mir etwas hoch, es sei denn, das Tier frisst nicht immer das gesamte mit dem Medikament angereicherte Futter. In der Fachliteratur (siehe Literaturverzeichnis) findet man Dosierungen um 50 mg/kg Körpermasse.
Eine erneute Blutabnahme und –Untersuchung bereits nach zwei Wochen scheint mir ferner angesichts der Belastung des Tiers (und der für Sie entstehenden Kosten) nicht unbedingt nötig zu sein. Sie sollten die Allopurinol-Gabe erst einmal vier Wochen lang durchziehen und erst dann die Blutwerte kontrollieren lassen. Sprechen Sie diese Punkte gelegentlich mit Ihrem Tierarzt durch; er kann den Zustand der Schildkröte naturgemäß besser einschätzen als ich aus der Ferne.
Ergänzend ist es angebracht, dass Sie Ihre Patientin täglich mindestens 20 Minuten lang im lau-warmen Schwarztee-Wasser baden.
Sollte der Oxyurenbefall bei Ihrem Tier wirklich massiv sein, rate ich im vorliegenden Fall zu einer Bekämpfung der Parasiten mit Hilfe des Präparates Panacur. Bei einem nur mäßigen Befall und ohne eine weitere ernsthafte Erkrankung kann nach neuerem Erkenntnisstand auf eine Behandlung verzichtet werden: fast alle in der Natur aufgefundenen Landschildkröten sind von Madenwürmern befallen.
Literatur:
Baur Markus (2000): Physiologie und Pathologie der Fortpflanzung bei Schildkröten, Teilkapitel "Gicht". In Artner/Meier: Schildkröten-Symposiumsband "Großes Schildkrötensymposium" Salzburg 1997, NTV Münster, ISBN 3-931587-42-8
Eggenschwiler Ursula (2000): Die Schildkröte in der tierärztlichen Praxis. Schöneck-Verlag Schweiz, ISBN 3-9522067-0-9
Dennert Carolin (2001): Ernährung von Landschildkröten. NTV Münster, ISBN 3-931587-53-5
Holz Alexandra (2007): Bestimmung hämatologischer und biochemischer Parameter bei der gesunden Europäischen Landschildkröte. Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover
Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys: Vom Ei zum robusten Jungtier. Schildi-Verlag Augsburg, ISBN 978-3-00-023839-0
Sassenburg Lutz (2005): Schildkröten-Krankheiten. bede/Dähne-Verlag, 3. Auflage, ISBN 3-898 60-110-2
Horst Köhler (17. August 2012)
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Frage: Ich habe Ihr Buch über die Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys verschlungen.....wirklich toll, wie ich finde mit vielen praktischen, nützlichen Tipps. Vielen Dank dafür.
Trotzdem hätte ich noch eine Frage an einen erfahrenen Züchter: Eines meiner Eier legenden Weibchen macht mir dieses Jahr mit dem Legeverhalten Sorgen. Ich bin von ihm gewöhnt, dass es normalerweise ein, höchstens zwei Tage um den Legehügel schleicht, hie und da am Boden riecht, ein paar Probebohrungen macht und dann anfängt, die Nisthöhle auszuheben. Es legt meist zwischen sechs und acht Eier, ist 1999 geboren und hat 2008 das erste Mal gelegt.
Sie hat die letzten Jahre relativ früh nach dem Winterschlaf, meist schon im April gelegt. Dieses Jahr sind es fast schon drei Wochen, dass sie immer wieder Probegrabungen macht, das Loch offen lässt und wieder wegkriecht. Sie wird von den anderen Schildkröten nicht gestört; der Hügel liegt wie immer in der Sonne, nur das Wetter ist im Moment alles andere als gut.
Ich war am 24. Mai mit der Schildkröte bei einer (so lt. Inernet - reptilienerfahrenen) Tierärztin. Sie hat geröntgt und man konnte acht normal große, eigentlich unauffällig liegende Eier sehen. Die Tierärztin gab eine Kalziumspritze und ich habe noch eine zusätzliche mitbekommen.Sie wollte schon Oxytocin spritzen (ich habe es aber noch hinaus gezögert) und sprach sogar von einer Not-Operation, was ich natürlich nicht will.
Ich schaue täglich im Hügel nach, ob sie inzwischen gebuddelt hat; auch in der Schutzhütte habe ich nichts gefunden. Sie geht immer noch spazieren, wenn auch langsam, frisst und schaut mich ganz munter an. Mein zweites Weibchen hat, trotz gleicher Witterungsbedingungen, bereits vor acht Tagen gelegt.
Wie lange kann ich abwarten, bis ein Wehenmittel gespritzt wird? Ich denke einfach, den Tierärzten fehlt die praktische Erfahrung.
A.G., Frankreich (per Email)
Wenn eine Nisthöhle einmal derart tief ausgehoben ist wie durch dieses Maurische Landschildkröten-Weibchen (Testudo graeca ibera), bricht das Tier den Legevorgang nur noch bei einer massiven Störung ab. Doch nicht immer verläuft die Eiabsetzung ohne Probleme. Verbleiben die Eier zu lange in der Gebärmutter, verkalken sie, bekommen eine dicke Schale mit höckeriger Oberfläche und können möglicherweise den Beckengürtel nicht mehr passieren. Es gibt mehrere Ursachen der Legenot, die nur ein versierter, mit Reptilien gut vertrauter Tierarzt unterscheiden kann. Foto von Horst Köhler.
Antwort: Ich nehme an, es handelt sich bei den von Ihnen gehaltenen Schildkröten um europäische Landschildkröten und nicht etwa um tropische Arten.
Es ist natürlich außerordentlich schade, dass die Tierärztin aufgrund der Röntgenaufnahme offensichtlich keine exakte Schlussfolgerung über das Aussehen, die Größe und Beschaffenheit der Eier und ihre Lage gezogen hat. Man kann nämlich durchaus gut beurteilen, ob die reifen Eier im Körper übermäßig verkalkt, rau oder höckerig sind, oder auch zu groß im Verhältnis zur Beckenweite. Man kann auch erkennen, ob die Eier richtig liegen oder miteinander verwachsen sind oder nicht.
Wenn sich eindeutige Legevorbereitungen Ihres Weibchens nunmehr schon drei Wochen lang hinziehen, sollte die Austreibung der Eier möglichst rasch eingeleitet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn weitere Warnanzeichen (wie Atmung durch das halb geöffnete Maul, Fressweigerung, Apathie usw.) erkennbar werden. Versuchen Sie aber zunächst erst noch ein Wärmebad im 30 °C warmem Wasser (Dauer ca.20 Minuten). Sollte diese Maßnahme nicht zum Erfolg führen, dann vereinbaren Sie mit Ihrer Tierärztin umgehend einen Termin zur Spritzung des Hormons Oxitocin. Mitunter beginnt die Eiabgabe dann bereits 15 Minuten später. Sie brauchen davor keine Angst zu haben: ich kenne mehrere Besitzer von geschlechtsreifen Schildkröten-Weibchen, die die Eiabgabe ihres „Problemtiers“ regelmäßig schon seit Jahren durch Oxitoncingaben durch den Tierarzt einleiten lassen. Unterbleibt die Oxitocin-Behandlung, kann die Folge in der Tat eine teure Not-OP (Kaiserschnitt) oder im schlimmsten Fall ein Verlust des Tieres sein.
Stellen Sie vor dem Tierarzttermin nochmals sicher, dass das Weibchen nicht doch schon Eier abgesetzt hat (Fingerprobe in den rechten und linken häutigen Kniefalte; genaues Durchsuchen des Eiablagehügels/Substrats im Schildkrötenhaus usw.) und dass es nicht doch durch anwesende Männchen bedrängt wird.
Horst Köhler (8. Juni 2012)
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Frage: Bin bei der Suche nach den Zusammenhängen zwischen UVB-Strahlung, Breitengraden usw. auf Ihren mehr als interessanten Artikel in dieser Website gestoßen. Was Sie über UVB und die Produktion von Vitamin D3 bei Landschildkröten schreiben, gilt vermutlich auch für uns Menschen. Jedenfalls sind meine Fragen bezüglich Breitengrad und UVB-Strahlung mehr als ausreichend beantwortet. Zu diesem äußerst informativen Artikel darf ich Sie beglückwünschen. Sie haben die Zusammenhänge einprägsam beschrieben.
Doch bei meiner heutigen Frage geht es mir um die UVB-Versorgung von uns Menschen, und zwar im Winter. Ich persönlich möchte mich in dieser Jahreszeit für die Vitamin D-Produktion nicht unter eine Sonnenbank legen, denn die sind meiner Meinung nach unausgegoren und für sie gilt Ähnliches wie für das von Ihnen geschilderte Dilemma mit den UV-Lampen.
Wäre Ihnen daher sehr verbunden, wenn Sie mir eine geeeignete UV-Lampe empfehlen könnten, deren Spektrum so ist, dass Vitamin D in den Hautzellen nach 10- bis 20-minütiger Expositionsdauer produziert wird (in den Wintermonaten). Andererseits sagen Sie allerdings in Ihrer Abhandlung, dass gemäß Ihren Messungen unter bestimmten Wetterbedingungen die UVB-Strahlung die Erdoberfläche auch in unseren Breitengraden in den Wintermonaten erreicht, oder habe ich da Ihre Messungen falsch interpretiert? Bisher dachte ich nämlich, dass von November bis etwa Mitte Februar bei uns keine UVB-Strahlung an der Erdoberfläche ankommt. Bitte korrigieren Sie meine Ansicht, wenn ich mich getäuscht haben sollte. K.W., Landshut (per Email)
Antwort: Vielen Dank für Ihr Lob über meinen UVB-Artikel (obige Anfrage wurde gekürzt wiedergegeben). Nun bin ich weder Arzt noch Apotheker und möchte mich eigentlich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, dass ich Ihnen zur persönlichen UVB-Versorgung speziell in den Wintermonaten eine UV-Bestrahlungslampe empfehle, vor allem deswegen, weil ich nur bei Landschildkröten - und nicht bei Menschen - genau weiß, auf welchen Teil des Sonnenspektrums es bei der UVB-Bestrahlung ankommt.
Ich bin sicher, dass eine "künstliche" UVB-Versorgung für Sie nicht nötig ist, denn Ihre Ansicht, dass die am Boden ankommende Sonnenstrahlung im Winter keinen UVB-Anteil enthält, stimmt nicht. Wir hatten heute, am 1. Februar 2012, hier im Bereich Augsburg Sonnenschein bei lockerer Bewölkung, und ich habe die UVB-Intensitäten als Funktion der Tageszeit wie folgt gemessen (direkt in die Sonne):
10 Uhr: 19 mikroSiemens/cm2
11 Uhr: 52
12 Uhr: 72
13 Uhr: 70
14.30 Uhr: 35 mikroSiemens/cm2
Hätten wir wolkenlosen, blauen Himmel und Sonnenschein gehabt, wären die Intensitäten entsprechend höher gewesen. Die Intensität in der Mittagszeit in unserem Winter ist also mindestens genauso stark wie sie die Landschildkröten in den Verstecken ihrer europäischen Ursprungsländer als Jahres-Durchschnittswert verspüren. Eben aus diesem Grund empfehle ich ja auch in meinem Schildkrötenbuch und in Vorträgen, die erst wenige Monate alten Schlüpflinge, sofern sie nicht schon bzw. noch in der Winterruhe sind, auch noch im Dezember oder dann wieder ab Februar bewusst dann für ein oder zwei Stunden im Freien direkt an die Sonne zu stellen, wenn dort im Lichtkreis der Sonne die Temperatur mindestens 15 °C beträgt.
Ich bin mir sicher, dass Ihnen ein Winterspaziergang an der Sonne in den Mittagsstunden guttun wird und dass Sie, wenn überhaupt, im Winter allenfalls Vitamin D-Zusatzmittel aus der Apotheke oder aus dem Drogeriemarkt benötigen: es sei denn, Sie wollen so braun wie ein Urlauber werden, der drei Wochen im Pazifik verbracht hat.
Horst Köhler (10. Februar 2012)