Frage: Ich habe Ihr Buch über die Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys verschlungen.....wirklich toll, wie ich finde mit vielen praktischen, nützlichen Tipps. Vielen Dank dafür.
Trotzdem hätte ich noch eine Frage an einen erfahrenen Züchter: Eines meiner Eier legenden Weibchen macht mir dieses Jahr mit dem Legeverhalten Sorgen. Ich bin von ihm gewöhnt, dass es normalerweise ein, höchstens zwei Tage um den Legehügel schleicht, hie und da am Boden riecht, ein paar Probebohrungen macht und dann anfängt, die Nisthöhle auszuheben. Es legt meist zwischen sechs und acht Eier, ist 1999 geboren und hat 2008 das erste Mal gelegt.
Sie hat die letzten Jahre relativ früh nach dem Winterschlaf, meist schon im April gelegt. Dieses Jahr sind es fast schon drei Wochen, dass sie immer wieder Probegrabungen macht, das Loch offen lässt und wieder wegkriecht. Sie wird von den anderen Schildkröten nicht gestört; der Hügel liegt wie immer in der Sonne, nur das Wetter ist im Moment alles andere als gut.
Ich war am 24. Mai mit der Schildkröte bei einer (so lt. Inernet - reptilienerfahrenen) Tierärztin. Sie hat geröntgt und man konnte acht normal große, eigentlich unauffällig liegende Eier sehen. Die Tierärztin gab eine Kalziumspritze und ich habe noch eine zusätzliche mitbekommen.Sie wollte schon Oxytocin spritzen (ich habe es aber noch hinaus gezögert) und sprach sogar von einer Not-Operation, was ich natürlich nicht will.
Ich schaue täglich im Hügel nach, ob sie inzwischen gebuddelt hat; auch in der Schutzhütte habe ich nichts gefunden. Sie geht immer noch spazieren, wenn auch langsam, frisst und schaut mich ganz munter an. Mein zweites Weibchen hat, trotz gleicher Witterungsbedingungen, bereits vor acht Tagen gelegt.
Wie lange kann ich abwarten, bis ein Wehenmittel gespritzt wird? Ich denke einfach, den Tierärzten fehlt die praktische Erfahrung.
A.G., Frankreich (per Email)

 

LegenotWenn eine Nisthöhle einmal derart tief ausgehoben ist wie durch dieses Maurische Landschildkröten-Weibchen (Testudo graeca ibera), bricht das Tier den Legevorgang nur noch bei einer massiven Störung ab. Doch nicht immer verläuft die Eiabsetzung ohne Probleme. Verbleiben die Eier zu lange in der Gebärmutter, verkalken sie, bekommen eine dicke Schale mit höckeriger Oberfläche und können möglicherweise den Beckengürtel nicht mehr passieren. Es gibt mehrere Ursachen der Legenot, die nur ein versierter, mit Reptilien gut vertrauter Tierarzt unterscheiden kann. Foto von Horst Köhler.

Antwort: Ich nehme an, es handelt sich bei den von Ihnen gehaltenen Schildkröten um europäische Landschildkröten und nicht etwa um tropische Arten.
Es ist natürlich außerordentlich schade, dass die Tierärztin aufgrund der Röntgenaufnahme offensichtlich keine exakte Schlussfolgerung über das Aussehen, die Größe und Beschaffenheit der Eier und ihre Lage gezogen hat. Man kann nämlich durchaus gut beurteilen, ob die reifen Eier im Körper übermäßig verkalkt, rau oder höckerig sind, oder auch zu groß im Verhältnis zur Beckenweite. Man kann auch erkennen, ob die Eier richtig liegen oder miteinander verwachsen sind oder nicht.
Wenn sich eindeutige Legevorbereitungen Ihres Weibchens nunmehr schon drei Wochen lang hinziehen, sollte die Austreibung der Eier möglichst rasch eingeleitet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn weitere Warnanzeichen (wie Atmung durch das halb geöffnete Maul, Fressweigerung, Apathie usw.) erkennbar werden. Versuchen Sie aber zunächst erst noch ein Wärmebad im 30 °C warmem Wasser (Dauer ca.20 Minuten). Sollte diese Maßnahme nicht zum Erfolg führen, dann vereinbaren Sie mit Ihrer Tierärztin umgehend einen Termin zur Spritzung des Hormons Oxitocin. Mitunter beginnt die Eiabgabe dann bereits 15 Minuten später. Sie brauchen davor keine Angst zu haben: ich kenne mehrere Besitzer von geschlechtsreifen Schildkröten-Weibchen, die die Eiabgabe ihres „Problemtiers“ regelmäßig schon seit Jahren durch Oxitoncingaben durch den Tierarzt einleiten lassen. Unterbleibt die Oxitocin-Behandlung, kann die Folge in der Tat eine teure Not-OP (Kaiserschnitt) oder im schlimmsten Fall ein Verlust des Tieres sein.
Stellen Sie vor dem Tierarzttermin nochmals sicher, dass das Weibchen nicht doch schon Eier abgesetzt hat (Fingerprobe in den rechten und linken häutigen Kniefalte; genaues Durchsuchen des Eiablagehügels/Substrats im Schildkrötenhaus usw.) und dass es nicht doch durch anwesende Männchen bedrängt wird.

Horst Köhler (8. Juni 2012)