von Ludwig Kalt, Österreich


Oft wird behauptet, dass Pflanzen, die Oxalsäure enthalten, für die Ernährung von Landschildkröten ungeeignet wären, da sie dem Körper Kalzium entziehen. Kommen nämlich in der Zellflüssigkeit Oxalationen und Kalziumionen zusammen, reagieren sie zu unlöslichem Kalziumoxalat. Das bedeutet, dass ein Teil der Kalziumionen für den Stoffwechselprozess fehlt und der Blutkalziumspiegel sinkt.
Doch diese Annahme ist für viele relevante Schildkröten-Futterpflanzen falsch. Enthält eine Pflanze nämlich genug Kalium - was bei vielen Futterpflanzen der Fall ist - kann dieses die Oxalsäure binden, bevor sie dem Körper Kalzium entziehen kann. Denn die Oxalsäure bindet sich lieber mit einfachen, kleinen Ionen, als mit denen von Kalium, bevor sie eine Bindung mit größeren Ionen, wie denen von Kalzium, eingeht.
Wissenschaftler zeigen, dass - zumindest beim Menschen - nicht einmal der stark oxalsäurehaltige Spinat (800 mg Oxalsäure pro 100 g und nur 633 mg Kalium pro 100 g frischen Spinat) als so genannter Kalziumräuber gelten kann [1]. Zumindest Ähnliches sollte auch für Landschildkröten gelten, wobei Spinat für die Landschildkrötenernährung ohnehin keine große Rolle spielen sollte. Pflanzen, von denen wegen ihres Oxalsäuregehalts abgeraten wurde, scheinen in Wirklichkeit durchaus als Futtermittel geeignet, weil sie deutlich mehr Kalium als Oxalsäure enthalten. So enthält z.B. Petersilie nur 0 – 185 mg Oxalsäure je 100 g Frischfutter, doch gleichzeitig 1.000 mg Kalium. Löwenzahn, der ca. 250 mg Oxalsäure pro 100 g Frischfutter enthalten kann (was viele Schildkrötenpfleger überhaupt nicht wissen), enthält 440 mg Kalium pro 100 g Frischfutter. Gerade Löwenzahn hat sich als Schildkrötenfutter bewährt und ist für viele Schildkrötenhalter seit langem ein Hauptfutter, ohne dass dabei Schäden für die Tiere entstanden sind. So sollte man meiner Meinung nach aufhören, Pflanzen, von denen man gehört hat, sie enthielten Oxalsäure, nur deshalb nicht zu verfüttern.
(Die hier angegebenen Oxalsäure- und Kaliummengen sind nur Richtwerte, da der tatsächliche Gehalt von der Pflanzensorte, der Jahreszeit und den Kulturbedingungen abhängt; demzufolge finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben.)

In bezug auf Oxalsäure scheint sich ein Missverständnis, das sich wohl in der Humanmedizin gebildet hat, auf die Wahl des Schildkrötenfutters übertragen zu haben. Denn Humanmediziner warnen zwar vor Oxalsäure als Kalziumräuber in Lebensmitteln, doch ist es unter ihnen auch bekannt, dass dies nicht für Lebensmittel gilt, die viel mehr Kalium als Oxalsäure enthalten bzw. dass eine kaliumreiche Ernährung es verhindert, dass die Oxalsäure dem Körper Kalzium oder andere Mineralstoffe entzieht.

Probleme mit Oxalsäure als Kalziumräuber können zwar relativ leicht beim Menschen vorkommen, aber nicht so häufig bei den Landschildkröten, da der Mensch weniger kaliumreiche Nahrung zu sich nimmt als eine artgerecht ernährte Landschildkröte. Die gesamte verdaute Mahlzeit spielt bei der Ausscheidung der Oxalsäure eine Rolle. So auch der Anteil an Kalium in der gesamten Mahlzeit, der durch die relative Kaliumarmut vieler Lebensmittel  - wie Süßwaren - noch niedriger wird. Nimmt man z.B. weitere Kalziumräuber, wie Salz oder Alkohol, im Übermaß zu sich, verschlechtert sich der Kaliumwert weiterhin und die Oxalsäure beginnt dann damit, auch Kalzium zu rauben.

 

BildKalt1Bild 1: Eine juvenile Spaltenschildkröte (Malacochersus tornieri) beim Fressen von Sedum. Diese oxalsäurehaltige Pflanze ist ein beliebtes Futter und steht auch im Winter als Futterpflanze zur Verfügung.

Landschildkröten, die sich bei artgerechter Ernährung hauptsächlich von kaliumreichen Pflanzen, wie Wildkräutern und Blattgemüsen oder z.B. Sukkulenten ernähren, scheinen in ihrer Nahrung immer genug Kalium vorzufinden, um die Oxalsäure ohne Kalziumverlust ausscheiden zu können. Folgende Tabelle zeigt, wie viel Milligramm Kalium 100 Gramm Frischfutter ausgewählte Pflanzen enthalten. Umso höher der Kaliumanteil ist, desto mehr von der vorhandenen Oxalsäure wird gebunden.

 

Kaliumgehalt  pro 100 g Frischfutter.

 

Radicchio                                                             240 mg

Petersilie                                                            1000 mg

Brennessel                                                          400 mg

Löwenzahn                                                          440 mg

Brunnenkresse                                                     276 mg

Gartenkresse                                                       550 mg

Spinat                                                                 633 mg

 

Alle in der Tabelle aufgeführten Pflanzen enthalten, einmal mehr, einmal weniger, Oxalsäure. Spinat enthält, wie bereits erwähnt, sehr viel, die anderen deutlich weniger. Weitere Pflanzen mit (zum Teil geringem) Oxalsäuregehalt sind z.B. Luzerne, Portulak, Brennessel, Rotklee und Sedum-Arten [2]. Viele Wüstenpflanzen sind besonders kaliumreich [3] und enthalten oft auch Oxalsäure. Hat eine ansonsten geeignete Futterpflanze einen relativ geringen Oxalsäuregehalt, enthält dabei aber viel Kalium, ist sie als Futterpflanze durchaus geeignet.

 

BildKalt2Bild 2: Sauerampfer (Rumex acetosa) enthält sehr viel Oxalsäure: je nach Literatur werden bis zu 1,5 g je 100 g Frischpflanzengewicht angegeben. Damit ist er wohl als wirklicher Kalziumräuber anzusehen, zumal er sehr viel weniger Kalium enthält als z.B. Spinat. Außerdem weist er aufgrund seines relativ hohen Phosphorgehaltes ein ungünstiges Ca/P-Verhältnis auf. Sauerampfer sollte deshalb nicht als alleiniges Hauptfutter angeboten werden. Beide Fotos stammen vom Verfasser.

 



 

 

 


Somit lässt sich aussagen, dass eine kaliumreiche Ernährung - wie sie jede Landschildkröte, die zum Großteil mit Wildkräutern, Blattgemüse, Sukkulenten und Ähnlichem ernährt wird, erfährt - einen eventuellen merklichen Kalziumverlust durch Oxalsäure verhindern kann. Ernährt der Pfleger seine Landschildkröte(n) abwechslungsreich und nicht gerade mit Sauerampfer als alleinigem Hauptfutter, spielt der Oxalsäuregehalt einzelner Wiesenkräuter nur eine untergeordnete Rolle.

 

Literatur
[1] Anonym: Eisenmangel - Vegetarier haben es schwer. Medic. Trib. 2006; 39 (33), S. 4-5
[2] www.liberherbarum.com
[3] Dennert, C.: Ernährung von Landschildkröten. NTV, Münster 2005
Weitere Quellen:

Hess, B.: Nephrolithiasis. Med. Forum 2001; 1:1119-27
http://www.dialyse.de/bls/
http://www.gesund-durch-essen.ch/Nierensteine.html

 

Dieser Beitrag wurde am 18. Oktober 2010 online gestellt.