Frage: Mit der Nachzucht von Glattrand-Gelenkschildkröten habe ich bisher Pech, denn nach einer Inkubationsdauer der Gelege meiner Tiere von ca. 160 Tagen bei etwa 90 % Feuchtigkeit finde ich in den meisten Eiern nur abgestorbene Embryos, die aber fast voll entwickelt sind. Wo kann ich ansetzen? B. Z., Gespräch auf einer Reptilienbörse in Augsburg am 6.12.2008
Antwort: Die tropischen Landschildkröten der Gattung Kinixys leben in Afrika und auch auf Madagaskar; dort wurde allerdings die Unterart Kinixys belliana zombenis durch Menschen angesiedelt (Rogner, 2007). Neben der Nominatform von K. belliana (K. b. belliana) und der Unterart K. b. zombensis gibt es als weitere Unterart noch K. b. nogueyi, die etwas einfacher zu pflegen und deswegen auch häufiger bei Terrarianern anzutreffen ist. Für die Gattung gilt der Schutzstatus B; die Tiere sind anzeigepflichtig, jedoch nicht kennzeichnungspflichtig; benötigt wird ein Herkunftsnachweis. Wie fast alle tropischen Schildkröten sollten auch die Kinixys-Arten den schon etwas erfahreneren Terrarianern vorbehalten bleiben: für Anfänger sind europäische Formen sicherlich "pflegeleichter", vor allem was die Zucht betrifft.
Die sehr geringen Schlupfraten und Ihre eigene Beobachtung, dass die Embryos fast oder auch voll entwickelt im Ei absterben, sind bei den Haltern dieser Art gut bekannt, obwohl die Situation sich gegenüber früher bereits deutlich verbessert hat: eine Auswertung von Zuchtbüchern aus dem Zeitraum1994 bis 1998 (Christoph, 2007) erbrachte folgende (recht ernüchternde) Statistik: insgesamt sieben Züchter haben zusammen 125 Eier von Kinixys belliana inkubiert; von diesen Eiern schlüpften nur 12 (Schlupfrate: 10 %), und davon wiederum haben nur acht Schildkröten (= 6,5 %) ein Alter von über sechs Monaten erreicht. Aber, wie gesagt, heutzutage hat sich die Situation doch merklich verbessert.
Die bisher nicht zufrieden stellenden Ergebnisse bei der Zucht Ihrer Kinixys-Landschildkröten können unterschiedliche Ursachen haben. Zunächst fällt auf, dass die von Ihnen genannte Inkubationsdauer der Gelege von rund 160 Tagen (bei Bebrütung der Gelege mit durchgehend konstanter Temperatur) im Vergleich zu Angaben in der Fachliteratur sehr lange erscheint. Sylvia und Volker Büddefeld (2001) geben nämlich Inkubationszeiten zwischen nur 112 und höchstens 138 Tagen an; sie legen die Schildkröteneier auf leicht angefeuchtetes Vermiculit und zeitigen sie bei 30 – 31 °C und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 70 und 80 %. Es ist aber selbst bei ihnen nicht ungewöhnlich, dass von den befruchteten Eiern ein Ei (von bis zu 5 Eiern im Inkubator) abstirbt. Häufiger kommt es vor, so der Bericht der beiden Autoren, dass die Eier unbefruchtet sind (38 % der in den Inkubator überführten Eier).
Zwei andere Autoren (Jasser-Häger & Philippen, 2004) nennen ganz ähnliche Werte zur Inkubation der Eier der Glattrand-Gelenkschildkröte. Bei ihnen ist die Inkubationsdauer nie länger als 120 Tage, also ebenfalls deutlich kürzer als die von Ihnen genannte Inkubationszeit. Sie stellen eine Temperatur von 28 – 31 °C und eine Luftfeuchtigkeit von 80 % ein. Die Gelege liegen bei diesen Züchtern, die im Gegensatz zu den oben zitierten mit Perlit und auch mit Vermiculit als Inkubationssubstrat keine guten Erfahrungen gemacht haben, auf trockenem Kies.
Etwa drei Jahre alte Glattrand-Gelenkschildkröte Kinixys belliana. Juvenile Exemplare wie dieses sind noch einfarbig: Färbung und Zeichnung bilden sich erst später heraus.. Der Gattungsname Kinixys ist griechisch und bedeutet so viel wie „beweglich“. Dies bezieht sich auf eine Art Gelenk im hinteren Teil des Carapax, das die Tiere bei Gefahr verschließen und so Schwanz und die hinteren Extremitäten schützen können. Bei Jungtieren ist von diesem Scharnier jedoch noch nicht sehr viel zu erkennen. Gelenkschildkröten werden in der Regel bis zu 20 cm groß, manchmal auch bis zu 22 cm (Stockmaß). Die Männchen bleiben kleiner als die Weibchen. Foto von Horst Köhler.
Vielleicht sollten Sie die nächsten Gelege bei den hier zitierten Temperaturen und bei Feuchtigkeiten von nicht über 80 % inkubieren. Kurz vor dem „rechnerischen“ Schlupfdatum könnte der Schlupf dann versuchsweise durch die Erhöhung der Feuchtigkeit des Substrates auf 90 % eingeleitet werden. Dazu sollten die Eier etwa bis zur Hälfte in das Substrat eingebettet werden: durch den dann entstehenden Temperaturunterschied zwischen der oberen und unteren Eihälfte entstehen Spannungsrisse und der Schlüpfling kann sich leichter aus der Eihülle befreien. Dieses Verfahren ist jedenfalls sichererer als das Ei selbst aufzuritzen.
Möglicherweise ist auch eine ganz andere Strategie zu verfolgen, nämlich eine Inkubation mit Nacht-Temperaturabsenkung. Ein Schweizer Züchter (Mislin und Eberling, 2007) hat mit einer täglichen Nachtabsenkung auf 24 °C (zwischen 18 und 6 Uhr) immerhin eine Schlupfrate einzelner Gelege bis zu 80 % erreicht, wobei dann natürlich die Inkubationszeiten wesentlich länger sind als die von Ihnen genannten 160 Tage.
Sollten trotz aller künftiger Versuche wieder übermäßig viele Embryos im Ei absterben und etwaige Störungen in der Technik und Handhabung (z.B. Stromausfall, Verdrehen der Eier) ausscheiden, sind die Haltungsbedingungen der Elterntiere, vor allem der Weibchen, (selbst-) kritisch zu prüfen. Dazu gehört beispielsweise eine strikte Geschlechtertrennung bei "überaktiven" Männchen und die Imitierung der Bedingungen im natürlichen Lebensraum (Temperatur, Feuchtigkeit; höhere Feuchtigkeit und längere Beleuchtungsdauer im Sommer; Einhaltung einer "Ruheperiode") ; dafür müsste dann aber nach Möglichkeit die genaue Unterart bekannt sein, da die verschiedenen Unterarten in unterschiedlichen afrikanischen Regionen mit unterschiedlichen Klimaten leben. Etwaige Mangelerscheinungen bei den Muttertieren, und dies gilt generell für alle Schildkrötenarten, können sich nämlich nachteilig auf deren Eier auswirken, weil sie dann nicht alle wichtige Stoffen enthalten.
Literatur:
Büddefeld Sylvia & Volker (2001): Haltung und Nachzucht der Glattrand-Gelenkschildkröte (Kinixys belliana). DRACO-Sonderheft Tropische Landschildkröten, Nr. 8, Jahrgang 2,NTV Münster
Christoph Gunter (2007): Über die Haltung und Nachzucht von Glattrand-Gelenkschildkröten (Kinixys belliana) im deutschsprachigen Raum: eine Auswertung von Erfahruntgsberichten. RADIATA 16 (4), S. 2-9
Jasser-Häger Irmtraud & Phlippen Hans-Dieter (2004): Bemerkungen zur Biologie und zur alternativen Haltung und Zucht von Kinixys belliana nogueyi. MARGINATA, Jahrgang 1, Nr. 1
Rogner Manfred (2007): Glattrand-Gelenkschildkröten in der Natur und im Terrarium. DATZ 6/2007, S. 34-37
Mislin Viktor & Eberling Gabriela (2007): Haltung von Kinixys belliana belliana von Madakaskar im Zeitraum 2000 bis 2006. RADIATA 16 (4), S. 28-31
Horst Köhler (15. Dezember 2008)
Nachzuchtprobleme bei Glattrand-Gelenkschildkröten (Kinixys belliana)
- Details
- Kategorie: Fragen & Antworten
- Zugriffe: 9483