Auf der Seite „Fragen & Antworten“ wollen wir auf interessante Anfragen unserer Besucher rund um das Thema Landschildkröten antworten. Sollten wir trotz Recherchen in der Fachliteratur bzw. bei Kollegen keine Antwort geben können - niemand kann schließlich alles wissen - werden wir uns bemühen, eine entsprechende Stellungnahme von einem Biologen oder Herpetologen zu erhalten. Wir bitten Sie, uns eventuelle Fragen per Brief oder Fax oder Email zu übersenden. Ihre Frage erscheint im Netz, wenn gewünscht, nur mit Ihren Initialen und Ihrem Wohnort, der volle Namen und die Anschrift wird dann nicht angegeben.
Unsere Besucher sind vielmals eingeladen, die Beiträge in dieser Rubrik durch eigene Erfahrungen oder Beobachtungen aus ihrer Sicht zu kommentieren bzw. zu ergänzen.
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Horst Köhler
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Frage: Ich habe seit 1997 ein Freigehege, unter anderem mit zwei männlichen Maurischen Schildkröten, Felix und Tiger. Sie fühlen sich wohl, nur ist leider bei unserem Felix seit 1999 der Panzer nicht mehr mitgewachsen. Ich habe bei einen Tierarzt, bei mehreren Foren und auch im Frankfurter Zoo nachgefragt, leider konnte mir niemand helfen. Im Anhang sende ich Ihnen einige Bilder (eines davon wird hier gezeigt), damit Sie sich ein Bild machen können. Was ist Ihre Meinung?
H. J. (per Email)
Antwort: Das hier gezeigte Foto ist nun wirklich kein schönes Bild, aber auch solche Aufnahmen müssen aus dokumentarischen Gründen auf dieser Website erlaubt sein. Noch vor einigen Jahren hätte ich das Aussehen dieser Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) - aus heutiger Sicht voreiligerweise - vielleicht einer Fehlernährung oder anderen Haltungsfehlern zugeschrieben. Sicherlich dürften die meisten erfahrenen Schildkrötenhalter und -Experten auch heute noch spontan zu einer ganz ähnlichen Aussage neigen und die Schuld dem Halter zuschieben.
Doch so einfach ist der Fall zumindest hier nicht, denn Ihre anderen Schildkröten wachsen schließlich normal und werden in der warmen Jahreszeit in einem großen Freigehege im Garten gehalten. Damit erhalten sie automatisch auch ausreichend natürliche UVB-Strahlung durch die Sonne. Zusammen mit der Verfütterung von frischem calciumhaltigem Grünfutter sind somit eigentlich alle Voraussetzungen für eine wirksame Vitamin D3-Synthese und damit für ein gutes Wachstum mit normalem Knochenbau gegeben.
Und selbst wenn Ihre Tiere in den Wochen der Übergangszeiten vor und nach der Winterruhe im Innengehege nicht mit UVB bestrahlt werden sollten, ist eine derartige Panzerentwicklung, wie sie auf diesem Bild zu sehen ist, unwahrscheinlich. Schließlich erhalten wild lebende Landschildkröten in ihren Verstecken in diesen Zeiten auch nur ein Minimum an UVB-Strahlung (kurze Sonnenscheindauer, niedriger Sonnenstand im Winter, damit geringe UVB-Intensität am Boden). Ganz abgesehen davon ergibt sich aus Messungen in der Natur keine Notwendigkeit einer intensiven UVB-Bestrahlung von Landschildkröten mittels starker Strahler, wie dies manchmal zu sehen ist: Auch im Sommer ist sogar an einem wolkenlosen Tag im Mikrohabitat unserer Lieblinge in Südeuropa die empfangene UVB-Tagesdosis überraschend gering, und im Winter geht sie sogar gegen Null (siehe Rubrik "UVB-Fachartikel" dieser Website).
Was könnte dann aber diesen auffälligen Carapaxdefekt bewirkt haben? Nun, es gibt mehrere mögliche Ursachen dafür (ich danke an dieser Stelle Herrn H.-J. Bidmon für seine wertvollen Hinweise in dieser Angelegenheit). Vorstellbar wäre zunächst, dass aufgrund einer Darmschädigung (hervorgerufen beispielsweise durch einen massiven Befall mit Würmern, deren Larven die Darmwand durchbohren) die Kalziumaufnahme gestört ist. Zweitens, durch eine eingeschränkte Nieren- und/oder Leberfunktion könnte es dazu kommen, dass die biologisch aktive Form des Vitamins D3 im Körper (Calcitriol) nicht mehr, oder nicht im ausreichenden Maße, produziert wird. Schließlich kann auch eine virale Infektion eine Deminerailisierung und damit einen Stopp des Panzerwachstums zur Folge haben. Und, viertens, können auch genetische Effekte nicht ganz ausgeschlossen werden.
Unter Umständen nützt damit weder eine noch so kräftige UVB-Bestrahlung, noch eine (nicht ganz ungefährliche !) Zufütterung von Vitamin D3. Wenn das mit dem Futter zugeführte Calcium vom Körper nicht mehr verwertet werden kann, wird der Organismus das Calcium aus dem Knochengerüst ziehen. Dann stagniert logischerweise das Knochenwachstum, der Panzer wird eventuell weich, während Arme und Beine weiter an Umfang und Masse zunehmen und, wie das Foto zeigt, aus einem zu klein gewordenen Panzer herausquellen. Im weiteren Krankheitsgeschehen kann es zu einer massiven Erweichung des Panzers, zu seiner Absenkung (Flachpanzer) und sogar zu einem Knick in der Wirbelsäule kommen. Letzteres ist gut zu erkennen, wenn man von oben auf die Schildkröte blickt.
Was ich Ihnen raten würde? Sie schreiben, dass sich Ihr "Felix" wohl fühlt. Kann er seinen Körper noch vom Boden abheben? Wenn ich mir das hier gezeigte Bild ansehe, kommen mir gewisse Zweifel. ..Wenn aber Ihre Schildkröte tatsächlich noch problemfrei laufen und fressen kann und wenn (noch ?) keine Knochenerweichung vorliegt, dann sollten Sie das Tier weiterhin gut versorgen und umsorgen, nach Rücksprache mit einem wirklich erfahrenen Reptilienarzt, vor allem auch mit Mineralien und Vitamin D3 (vermutlich würde eine Untersuchung von Kot, Harn und Blut die wahrscheinliche Ursache einkreisen). Wenn allerdings der Panzer trotz aller Maßnahmen weicher werden sollte, das Tier nicht mehr richtig läuft, offensichtlich Schmerzen beim Fressen hat und/oder das Futter ganz verweigert, dann sollten Sie mit Ihrem Tierarzt außer der Möglichkeit der Zwangsfütterung auch die Option einer Euthanasie der Schildkröte in Erwägung ziehen. Letzteres ist natürlich keine sehr schöne Maßnahme für Sie als besorgten Schildkröten-Liebhaber, aber für ein krankes, deutlich geplagtes Tier letztendlich doch eine Erlösung.
Horst Köhler (20. November 2011)
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Frage: Ich halte meine beiden einjährigen Landschildkröten (35 bzw. 39 g Gewicht) seit März auf unserem großen Balkon in einem 140 x 140 cm -Freigehege mit Frühbeet. Jetzt habe ich mir überlegt, ob ich den Kleinen eine Überwinterungskiste ähnlich wie in Ihrem Buch beschrieben baue und diese im Freigehege auf dem Balkon stehen lasse. Könnten sie so dauerhaft über den Winter draußen bleiben, es sei denn, die Temperaturen sinken unter Null ab? Das passiert aber mitten in Düsseldorf meist nur für ein bis zwei Wochen. In dieser Zeit würde ich sie in unseren ungeheizten Keller stellen. Aber ich will sie dort nicht den ganzen Winter über stehen lassen, da es ein Keller in einem alten Haus ist, der das ganze Jahr über sehr feucht ist.
Und eine zweite Frage: Unser Tierarzt sagte bei der Untersuchung der Kotproben, dass wir auch kleine Schildkröten so lange schlafen lassen sollen, bis sie von selbst wieder wach werden - auch wenn es fünf oder sechs Monate dauert. In Ihrem Buch steht aber, dass man sie spätestens nach drei Monaten wieder wecken sollte. Was sagen Sie dazu? Soll ich sie lieber aufwecken und bis es wieder warm genug für den Balkon ist, in ein Terrarium in der Wohnung unterbringen?
S.M., Düsseldorf
Antwort: Natürlich können Sie Ihre beiden juvenilen Schildkröten in eine Überwinterungskiste setzen und diese in Ihr Frühbeethaus auf dem Balkon stellen. Ein Luftaustausch muss jedoch gewährleistet sein und ich empfehle außerdem dringend, dass Sie sich ein Thermometer mit Fernfühler am Kabel kaufen, der dann in das Substrat gesteckt wird. So haben Sie die Möglichkeit, vom Zimmer hinter dem Balkon aus die Temperatur im Überwinterungssubstrat ständig zu überwachen und können eingreifen, wenn es einmal wirklich zu kalt werden sollte. Ich denke aber, dass bei Ihnen in Duisburg im Winter eher die Gefahr von zu hohen Außentemperaturen besteht und die jungen Schildkröten vorzeitig aufwachen.
Die Meinung Ihres Tierarztes, dass man auch derart junge Tiere im ersten Jahr 5 bis 6 Monate lang in der Winterstarre belassen soll, teile ich nicht. Der Grund ist der auftretende Gewichtsverlust: 10 - 20 Gramm Verlust über die Winterpause bei einer ausgewachsenen Schildkröte von z.B. 2 kg Gewicht halte ich für völlig unbedenklich, aber bereits 4 g Abnahme bei einem Schildköten-Baby kann unter Umständen schon kritisch sein.
Daher meine Empfehlung: 6 bis 8 Wochen Winterruhe für Schlüpflinge im 1. Lebensjahr und etwa 8 bis max. 12 Wochen im 2. Jahr.
Ein Vorschlag: Lassen Sie doch einfach die Tiere sich selbst entscheiden: Wenn sie nach 8 Wochen noch nicht von selbst aufgewacht sind, dann wiegen Sie sie. Sollte der Gewichtsverlust im oben genannten Bereich liegen, also ca. 4 g bereits erreicht haben, dann sollten Sie die Winterruhe durch langsames Gewöhnen der jungen Schildkröten an etwas höhere Temperaturen beenden. Wenn nicht, können Sie die Winterstarre noch um weitere zwei Wochen verlängern.
Es wird nicht ausbleiben, dass Sie Ihre Jungtiere in den Übergangszeiten für einige Wochen in der Wohnung halten (mit Bestrahlung). Bei ausgewachsenen Schildkröten ist die Situation natürlich anders: Auch meine Zuchttiere sind bis Mitte November und nach der Winterruhe ab spätestens Ende März im Freien. Allerdings haben meine Tiere in ihrem Gehege ein beheizbares Schutzhaus.
Wie Sie in verschiedenen Artikeln dieser Schildkrötenseite lesen können, ist die Winterruhe bei mediterranen Landschildkröten in der Natur viel kürzer als die meisten Schildkröten-Liebhaber denken: Man findet die Tiere, auch Schlüpflinge, an sonnigen Tagen im natürlichen Verbreitungsraum noch im Dezember und sieht die ersten schon wieder ab Mitte Februar.
Wenn Ihre beiden Landschildkröten nach einigen Jahren größer werden, dann dürfte sich die Frage stellen, ob das Balkongehege für sie noch ausreichend ist. Was Sie bei dieser Entscheidung beachten müssen, können Sie in der Rubrik "Berichte & Artikel" in dem Artikel "Balkon-Schildkrötengehege? Ja, aber nicht generell" nachlesen. Dieser Bericht ist übrigens der meist gelesene Artikel unserer Website.
Horst Köhler (8. Oktober 2011)
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Frage: Ich bin seit zwei Jahren im Besitz eines adulten Pärchens von Testudo graeca ibera (0,1 ca. 30-40 Jahre und 1,0 ca. 10 Jahre) und eines semi-adulten Weibchens aus dem Jahr 2002. Dazu haben wir noch Jungtiere aus der Saison 2007 und 2008. Bild 1 zeigt die derzeitige Gruppe, Bild 2 unser Schildkröten-Schutzhaus im Freigehege.
Bild 1: Unsere fünf Maurischen Landschildkröten, Testudo graeca ibera, einträchtig nebeneinander in ihrer Schutzhütte.
Was kann der Grund dafür sein, dass das immerhin fast neun Jahre alte semi-adulte Weibchen erst 500-600 g wiegt und auch im letzten Jahr (2010) nicht wesentlich zugenommen hat? Hängt es vielleicht mit dem Ortswechsel zusammen? Die Tiere sind alle entwurmt in die letzte Winterruhe 2010/11 gegangen.
Meine zweite Frage: ich habe momentan Interesse an einem weiteren wunderschönen, glatt gewachsenen ibera-Weibchen aus dem Jahr 2005, das zu meiner Überraschung schon jetzt zwischen 1,4 und 1,5 kg wiegt. Kann das denn überhaupt sein? Wenn ja, warum ist es dann im Vergleich zu meinem drei Jahre älteren Weibchen so schwer? Oder handelt es sich um eine Riesenform?
J.G.
Bild 2: Unser fast 2 qm großes Schutzhaus hat zwei Seiten aus Alltop und einen Deckel, in den ein Wärmestrahler, einen Thermotimer und ein automatischer Öffner installiert ist. Hinten links, durch Tücher abgetrennt, der Schlafbereich unserer Tiere, den sie sehr gerne annehmen. Das Schutzhaus steht in einem etwa 40 qm großen Gehege, das mit Erde, Muschelgrit und Steine als Untergrund ausgelegt ist. Als Bepflanzung haben wir einen Bambusstrauch gewählt: die Tiere rascheln gerne durch die herabgefallenen Bambusblätter und der Strauch ist zugleich ein guter Sichtschutz zu unseren Nachbarn. Beide Fotos von J.G.
Antwort: Wenn ein Maurisches Schildkröten-Weibchen mit 8-9 Jahren erst 600 g Gewicht hat, dann halte ich dies eigentlich für sich allein gesehen nicht für sehr dramatisch. Viel interessanter und aussagekräftiger ist erst der Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht. Messen Sie also bei Ihrem Tier den Längs- und Querumfang und gehen mit dem Produkt daraus in meine Wachstumskurve für Testudo graeca ibera-Wildtiere in www.schildi-online.eu; dann werden Sie schnell sehen, ob Ihr Weibchen untergewichtig und damit evtl. krank ist oder nicht. Es ist auch nicht so ungewöhnlich, dass ein semi-adultes Tier ein Jahr lang kaum an Gewicht zunimmt (ältere Landschildkröten werden ohnehin kaum merkbar schwerer) – möglicherweise ist die Zunahme im Jahr darauf dann umso deutlicher.
Wenn eine erst sechs Jahre alte Maurische Schildkröte schon fast 1,5 kg wiegt, wurde sie vielleicht falsch ernährt, auch wenn sie glatt gewachsen ist (Letzteres ist übrigens bei Maurischen Schildkröten im Gegensatz zu den "Griechen" fast immer der Fall). Dies zu beurteilen, ist mir ohne aussagekräftige Fotos vom Tier leider nicht möglich. Gehen Sie also auch hier wie oben beschrieben vor und stellen Sie selbst fest, was eine frei lebende Landschildkröte in dieser Größe in ihrer Heimatregion wiegen würde. Das gibt Ihnen zumindest einen Richtwert zur Orientierung. Und dafür ist diese Grafik auch aufgestellt worden.
Riesenwachstum gibt es durchaus (vor allem wenn die Tiere von ihrem Halter regelrecht gemästet werden), bei wild lebenden Testudo graeca ibera in der Türkei allerdings eher seltener; frei lebende „Giganten“ unter den Maurischen Landschildkröten kommen in der Regel in Bulgarien oder Rumänien vor (siehe Artikel „Riesenwachstum: die bisher größten gefundenen Maurischen Landschildkröten, Testudo graeca (ibera)“ in der Rubrik "Berichte & Artikel" vom 25. April 2011).
Horst Köhler (27. Mai 2011)
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Frage: Da ich mir vier Spornschildkröten-Babys anschaffen wollte und mittlerweile auch besitze, habe ich mich im Vorfeld bei einem Zoogeschäft im Ruhrgebiet nach der optimalen Beleuchtung meines offenen Holz-Innengeheges erkundigt. Im Gegensatz zur Empfehlung in Ihrem Buch und auch in Ihrer Website für zwei getrennte Lampen für Helligkeit/Wärme bzw. für die UVB-Versorgung wurde mir dort erklärt, dass dies veraltet sei, weil mittlerweile moderne „Kombilampen“ zur Verfügung stehen, die sowohl Helligkeit, Wärme als auch UVB im ausreichenden Maße liefern. Ich bestellte daraufhin eine derartige Lampe, und zwar vom Typ Solar Glo (125 W) von Exo Terra, bin aber trotzdem total verunsichert. Habe ich mich richtig entschieden?
S.K., Friedberg
Antwort in Form eines Schreibens an das Zoogeschäft (der Anfrager wurde entsprechend informiert):
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben Ihrem Kunden S.K. erklärt, dass die Empfehlung für zwei getrennte Lampen „veraltet“ sei, denn es gäbe mittlerweile Lampen, die für Helligkeit, Wärme und Licht in einem sorgen ("Komiblampen").
Letzteres ist richtig, solche Lampen gab es übrigens schon zu der Zeit, als mein Buch erschien (2008). Schon aus diesem Grund ist dieses nicht etwa veraltet, denn es gibt mehrere überzeugende Gründe, die Funktionen Helligkeit/Wärme einerseits und UVB andererseits zu trennen, vor allem bei der Pflege von noch sehr jungen Landschildkröten.
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Zunächst erweisen sich die „Alleskönner“ unter den Terrarien-Strahlern als relativ unflexibel: ist ihre Wärmestrahlung nämlich zu stark, müssen sie relativ hoch über den jungen Schildkröten befestigt werden, da diese sonst überhitzt werden. Bei einem größeren Bestrahlungsabstand nimmt aber die am Boden ankommende UVB-Intensität stark ab. Entwickelt die „Kombilampe“ dagegen nur wenig Wärme, muss sie, um bei den Tieren eine Carapax-Temperatur von ca. 28 °C zu erreichen, im kurzen Abstand über den Schildkröten befestigt werden; dann ist aber möglicherweise die UVB-Intensität zu hoch und kann evtl. zu Augenschädigungen oder Panzerverletzungen führen. Außerdem wird bei einer tiefen Anbringung der Lampe der Rest eines Geheges nur unzureichend erhellt und erwärmt. In beiden Fällen benötigt man somit trotzdem noch eine zweite Lampe. Grundsätzlich gelten diese Ausführungen auch für die Beleuchtung älterer Landschildkröten.
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Ein weiterer Grund für die von mir favorisierte Trennung der Funktionen ist der für die meisten Schildkröten-Terrarianer überraschend geringe UVB-Bedarf von Landschildkröten in der Natur (siehe dazu den UVB-Fachartikel in www.schildi-online.eu, die wohl umfassendste, neutrale Darstellung zum Thema mit vielen Freiland-Messergebnissen). Es reicht völlig aus, wenn eine UVB-Bestrahlung an schlechten Tagen vier oder fünf Stunden täglich erfolgt, denn länger sitzen junge Schildkröten in der Natur auch nicht direkt an der Sonne. An trüben oder regnerischen Tagen erfolgt dort praktisch überhaupt keine UVB-Abgabe. Dies lässt sich aber nur mit zwei getrennten Lampen in die Praxis umsetzen. Bei mir bleibt die UVB-Lampe an sonnigen Tagen ganz ausgeschaltet, denn da kommen junge Schildkröten auch bei niederen Außentemperaturen selbst schon im Februar und auch noch im November und sogar Dezember für ein oder zwei Stunden am Nachmittag an die direkte Sonne. Dort ist dann selbst noch im November die einwirkende UVB-Strahlung trotz des Flachen Sonneneinfallswinkels etwa gleich stark wie im Versteck im natürlichen Lebensraum in den südeuropäischen Ländern. Keine noch so teure Lampe kann das erzeugen, was die Sonne auch gegen Ende des Winters im Februar/März bzw. im Spätherbst im Oktober/November kostenlos liefert.
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Hat der Schildkrötenpfleger eine separate UVB-Lampe im Einsatz, kann er die nicht unbeträchtliche Abnahme der Strahlungsintensität schon nach einem Jahr Betriebszeit auf einfache Weise durch eine niedrigere Aufhängung bzw. Befestigung ausgleichen und muss erst viel später einen neuen Strahler kaufen.
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Ein weiterer kommerzieller Gesichtspunkt: gerade Schildkröten-Neueinsteiger zögern vor der Anschaffung einer teuren und starken Mehrzwecklampe von 50 Euro und mehr, wenn sie schon die Ausgaben für z.B. zwei kleine Schildkröten und das dazugehörige Gehege hatten. Für die ersten etwa drei oder vier Lebensjahre von Landschildkröten reichen nach meiner Erfahrung ein konventioneller 60-oder 75-W-Reptilienstrahler (oder eine klare 60-W-Glühlampe) plus eine 23-W-UVB-Kompaktlampe völlig aus.
Spornschildkröten (Geochelone bzw. Centrochelys sulcata) sind nach den beiden Galapagos- und Aldabra-Riesenschildkröten die drittgrößte Landschildkrötenart der Welt und die größten Landschildkröten Afrikas. Im Bild zwei wenige Wochen alte, etwa 40 g schwere Schlüpflinge. Im Alter können sie bis zu 80 cm groß und 60-100 kg schwer werden. Als tropische Landschildkröten machen sie keinen Winterschlaf. All dies sollte man wissen, bevor man sich zum Kauf von jungen Spornschildkröten entschließt. Foto von Horst Köhler.
Noch einige Anmerkungen zu der 125 Watt starken Solar Glo, die Sie Ihrem Kunden S.K. als „Kombilampe“ für sein Aufzuchtgehege empfohlen und verkauft haben. Eine Vermessung dieses Produktes durch mich ergab zu meinem Erstaunen nur eine sehr geringe Wärme- und UVB-Strahlungsleistung, fast an der Grenze des gerade noch Sinnvollen (Details siehe Abschnitt 6.5.2 meines UVB-Fachartikels in www.schildi-online.eu). Damit die jungen Tiere des Kunden überhaupt auf Betriebstemperatur kommen, muss der Bestrahlungsabstand daher sehr kurz gewählt werden (wenn dies technisch überhaupt machbar ist und nicht zur Notabschaltung des Strahlers führt), so dass nur ein kleiner Teil des Geheges erhellt und erwärmt wird: der Pfleger wird damit, wie oben ausgeführt, trotz der „Kombilampe“ zum Kauf einer zweiten Wärmelampe gezwungen sein, was ihn angesichts der Werbeaussagen über die angebliche „Alleskönner-Lampe“ nur wenig erfreuen dürfte.
Die richtige Beleuchtung und zweckmäßige UVB-Versorgung von Landschildkröten in Innengehegen ist, das muss zugegeben werden, ein recht komplexes Gebiet. Weisen Sie deshalb doch bitte Ihre Kunden auf den oben erwähnten Artikel zu diesem Thema hin – er wird sicherlich so manche Kaufentscheidung vereinfachen und zu weniger Enttäuschungen führen.
Horst Köhler (5. April 2011)
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Frage: Nachdem ich ausgiebig und immer wieder in meinem Lieblingsbuch über Landschildkröten, Ihrem Buch "Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys" lese, habe ich folgende Frage. Ich besitze außer meinen Griechischen Landschildkröten, bei denen ich mich mit der Geschlechterunterscheidung recht gut auskenne, auch eine etwa neun Jahre alte Maurische Landschildkröte (siehe Bild links), die ich zusammen mit einer griechischen Landschildkröte aus einer nicht artgerechten Haltung bekam. Ich kann das Geschlecht nicht zweifelsfrei erkennen und bitte daher um Ihre Meinung.
Das Tier ist nicht konkav eingedellt, jedoch zwischen Bauch- und Schenkelschild etwas nach innen gewölbt.
S.K.
Antwort: Das Geschlecht von Maurischen Landschildkröten ist in der Tat nicht so einfach und auch nicht so früh in der Entwicklung zu erkennen wie bei den griechischen Arten, bei denen meist schon ab drei oder vier Jahren Alter Männchen und Weibchen unterschieden werden können. Selbst langjährige Züchter dieser Art, darunter auch ich, zweifeln gelegentlich bei Funden ausgewachsener Tiere im natürlichen Lebensraum, besonders dann, wenn man nur ein einzelnes Tier vor sich hat. Bei den eigenen Nachzuchten der Züchter ist es einfacher, weil die dem Züchter bekannte Bebrütungstemperatur der Gelege als weiterer Anhaltspunkt für die Geschlechterunterscheidung dazukommt.
Auch wenn ich Ihre Schildkröte nicht selbst gesehen habe, bin ich mir zu 95 % sicher, dass es sich um ein Weibchen handelt. Dafür spricht nicht nur die Schwanzgröße, sondern auch die beachtliche Größe des Tiers.
Foto: Horst Köhler
Auf dem hier gezeigten Foto zweier meiner auf dem Rücken liegender Testudo graeca ibera-Zuchttiere sind die Geschlechter dagegen gut unterscheidbar: rechts das etwa 15 Jahre alte Männchen mit wesentlich dickerem und längerem Schwanz, links das etwa 20 Jahre alte größere Weibchen.
Horst Köhler (12. Februar 2011)