Wissenschaftler des Senckenberg-Forschungsinstitutes in Dresden haben mit genetischen Methoden herausgefunden, dass sich die in Europa eingeschleppte Rotwangenschmuck-Schildkröte auch außerhalb des Mittelmeerraumes vermehrt. Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Schildkröte stellt eine massive Bedrohung für die heimische Schildkrötenfauna dar und sollte laut den Autoren der kürzlich im Fachjournal „Conservation Genetics“ veröffentlichten Studie in Europa abgefangen werden.
Die Rotwangenschmuck-Schildkröte (Trachemys scripta) ist die am weitesten über ihren natürlichen Lebensraum verbreitete Art weltweit.
Ursprünglich stammen die bis zu 30 Zentimeter langen Panzerträger (siehe Bild) aus den südöstlichen USA – heute kann man die Tiere aber auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis und einiger ozeanischen Inseln antreffen. „Man findet die Schildkröten praktisch in allen europäischen Ländern in der freien Natur“, erklärt Dr. Melita Vamberger von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Die Reptilien wurden durch den Tierhandel so weit verbreitet.“
Die Art gilt als Gefahr für einheimische Schildkröten, weil sie mit diesen in direkter Konkurrenz bezüglich Nahrung, Nist- und Sonnenplätze stehen. Zudem sind die eingeschleppten Reptilien potentielle Überträger von Parasiten und anderen Krankheitserregern. Seit den 1990er Jahren ist der Import der beliebten Haustiere mit den kräftig orangenen bis roten Schläfenstreifen nach Europa verboten. „In einigen Ländern, besonders in den Balkanstaaten und im südlichen Europa blüht der illegale Handel aber weiterhin“, ergänzt Vamberger und fährt fort: „Ob die Art innerhalb Europas invasiv werden kann war aber lange ungeklärt.“ Bisher wurde die erfolgreiche Fortpflanzung und Etablierung der Tiere nämlich nur im Mittelmeerraum nachgewiesen.
Das slowenisch-deutsche Wissenschaftlerteam rund um Dr. Vamberger und den Dresdener Senckenberg-Direktor Prof. Dr. Uwe Fritz hat nun anhand genetischer Untersuchungen gezeigt, dass sich die Schildkröten auch in Slowenien vermehren. Die Biologen haben Proben von 77 Schildkröten an drei Standorten genommen und konnten zeigen, dass sich die Reptilien in allen untersuchten slowenischen Gebieten fortpflanzten. „Wir haben die Standorte nach ihren klimatischen Unterschieden ausgesucht“, erklärt Fritz und ergänzt: „Leider können sich die Rotwangenschmuck-Schildkröten auch nahe Ljubljana verbreiten – in einem gemäßigten, kontinentalen Klima.“ Die Forschenden konnten so zum ersten Mal genetisch nachweisen, dass sich Trachemys scripta auch außerhalb des Mittelmeergebiets mit seinem mediterranen Klima vermehren kann. Rund um Ljubljana wurden zwar weniger miteinander verwandte Tiere gefunden als in den wärmeren Regionen, was darauf hindeutet, dass die Schildkröten sich hier seltener fortpflanzen.
„Wahrscheinlich werden in Stadtnähe aber auch mehr Tiere mit neuem Genmaterial ausgesetzt. Dies führt dann zwangsläufig zu weniger verwandten Tieren“, gibt Vamberger zu bedenken.
Aufgrund des Ausbreitungspotentials über den Mittelmeerraum hinaus und der potentiellen Bedrohung heimischer Arten sollten die Schildkröten laut den Dresdner Biologen als invasiv eingestuft werden. „Wir empfehlen zudem die Rotwangenschmuck-Schildkröte mindestens in Lebensräumen mit heimischen Arten abzufangen und so eine Verbreitung der invasiven Art und einer Verdrängung der ursprünglichen Arten zu vermeiden“, schließt Fritz.
Text und Foto: Senckenberg-Forschungsinstitut Dresden, Pressestelle
Dieser Beitrag wurde am 22. Januar 2016 online gestellt.