von Horst Köhler, Friedberg


Ein mir bekannter Besitzer einiger Griechischer Landschildkröten (Testudo hermanni) aus Augsburg, der seine Tiere freilaufend in einem großen Garten hält und eigentlich keine Zuchtambitionen hegt und meines Wissens bisher auch keine Landschildkröten nachgezüchtet hat, beobachtete im Mai 2011 zufällig die Eiabgabe seines Schildkröten-Weibchens zwischen der Rand-Buschbepflanzung des Grundstückes. Er grub das Gelege aus, das aus fünf Eiern bestand und entschloss sich zu einer naturnahen Bebrütung.

Die Eier kamen in ein Kunststoffgefäß mit lockerer, trockener Erde aus dem Bereich der Eiablagestelle und wurden zwei oder drei Zentimeter hoch mit dieser Erde bedeckt - denn auch in der Natur liegen die Eier im Erdreich vergraben. Über die Bebrütungstemperatur machte sich der Schildkrötenbesitzer keine großen Gedanken: Tagsüber stand das Behältnis in einem an die Hauswand angebauten Frühbeet mit schräg verlaufender Plexiglasscheiben-Abdeckung als Schutz gegen Regen. Dies bedeutete, dass es an heißen Sommertagen im Frühbeet zu einem Temperaturanstieg auf vorübergehend 40 °C oder sogar noch mehr kam, auch wenn der Deckel gelegentlich geöffnet wurde. Am Abend kam der Plastikbehälter mit dem Gelege ins Haus in einen Raum, in dem die Temperatur bei 18 - 20 °C lag. Gelegentlich wurde die Oberfläche der Erde mit einem Pumpsprüher leicht angefeuchtet. Die Temperatur und Feuchtigkeit am Gelege selbst wurde nicht gemessen.

Als ich mich 3 1/2 Monate nach der Eiablage beim Schildkrötenfreund erkundigte und ihn fragte, ob sein Gelege immer noch existiert und ob wir nicht nach so langer Zeit gemeinsam eines der Eier vorsichtig öffnen sollten, berichtete er mir, das er zwei Tage zuvor den bevorstehenden Schlupf von drei der fünf Eier bemerkt habe; zwei Eier seien unbefruchtet gewesen. Die drei angeritzten Eier nahm er daraufhin vorsichtig aus dem Plastikgefäß und legte sie im Frühbeet auf ein aus dem Garten stammendes Mooskissen. Einen Tag danach schlüpften drei völlig gesunde Griechische Landschildkröten-Babys nach insgesamt 3 1/2-monatiger Zeitigungsdauer, die - davon konnte ich mich selbst überzeugen - auch trotz der zeitweise hohen Bebrütungstemperatur keine Schildanomalien aufweisen. 

 

GriechischeNZSchlüpfling der Griechischen Landschildkröte, Testudo hermanni, hier für die EU-Bescheinigung "nach Verordnung Nr. 338/97 des Rates und Verordnung Nr. 865/2006 der Kommission über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels" auf kariertem Zentimeterpapier fotografiert, im Alter von etwa drei Wochen. Zucht und Fotografie: Horst Köhler


 

 

 


Dieser Zuchterfolg zeigt, dass es nicht unbedingt nötig ist, die Inkubation in einem teuren Brutbehälter mit penibel durchdachtem und überwachtem Temperaturverlauf über der Zeit bzw. bei einer relativ hohen Feuchte durchzuführen.  Beim naturnahen Verfahren dauert es zwar bis zum Schlupf eines Geleges deutlich länger, aber der Züchter macht sich keinen Stress und kann sogar beruhigt für einige Tage in den Urlaub fahren, ohne Angst haben zu müssen, dass die Heizung eines Inkubators durch einen Defekt zu hohe Temperaturen erzeugt und das Schildkrötengelege vernichtet  Und, wer weiß, vielleicht sind ja die auf diese einfache Art und Weise naturnah gezeitigten Schlüpflinge robuster als die Tiere, die - wie bei den meisten Züchtern - bei dauerhaft konstant bleibender Temperatur bereits nach zwei Monaten schlüpfen. 

 

Dieser Beitrag wurde am 12. September 2011 online gestellt.