Nach einer dpa-Pressenachricht in der Augsburger Allgemeinen vom 21. Juli 2007 (die von zahlreichen weiteren überregionalen Tageszeitungen übernommen wurde und das Stichwort "Sternschildkröten" im Internet momentan geradezu überschwemmt) sind im Allwetterzoo Münster in der zweiten Juli-Hälfte aus zwei Eiern von Sternschildkröten (Geochelone elegans) Zwillinge von je sechs bis acht Gramm Gewicht geschlüpft. Der Zoo spricht von einer Sensation: "Ob es jemals zuvor Zwillinge bei Sternschildkröten gegeben hat, ist nicht bekannt. Oder es wurde bisher nicht darüber berichtet", so wird der Zoo zitiert.

Diese Pressemeldung verblüfft zunächst deswegen, weil nicht recht einzusehen ist, warum es bei Sternschildkröten, im Gegensatz etwa zu den europäischen Landschildkröten der Gattung Testudo, nicht zu Zwillingsgeburten kommen soll (vor allem wenn man es aus kommerziellem Grund durch "Manipulation" während der Bebrütung der Eier darauf anlegt, was freilich in meinen Augen verwerflich wäre !), Vielmehr dürfte die Erklärung für die Seltenheit von Zwillingsgeburten bei Sternschildkröten darin liegen, dass sie im Vergleich zu den Testudo-Arten selbst heute noch deutlich weniger häufig nachgezüchtet werden und dass ihre Nachzucht auch noch nicht so lange regelmäßig gelingt wie die ihrer europäischen Verwandten. Auch dass es in der (Fach-) Literatur keine Berichte über Zwillingsgeburten bei Sternschildkröten geben soll, stimmt nicht: nach einem Bericht in der Zeitschrift Marginata, Ausgabe 4 (2004/2005), kam es beispielsweise vor einigen Jahren bei einem Gelege des deutschen Sternschildkrötenzüchters Georg Storms zu einer Zwillingsgeburt. Das größere der beiden Schlüpflinge wog bei seiner Geburt 17 g, das kleinere nur 5 g; letzteres war nicht dauerhaft lebensfähig und verstarb nach vier Monaten.

 

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Eher ungewöhnlich als Zwillingsgeburten bei Sternschildkröten ist es, wenn - artgerecht aufgezogene und gut gewachsene - Weibchen deutlich kleiner bleiben als gleichaltrige Männchen. Auf diesem Bild handelt es sich allerdings um noch juvenile Tiere, die im Jahr 2003 geschlüpft sind. Rechts vor dem Höhleneingang das 340 g schwere Männchen (Stand Mai 2009), links das kleinere Weibchen. Beide Tiere zeigen einen glatten Carapax, was durchaus für eine optimale Haltung spricht. Es bleibt abzuwarten, wie das weitere Wachstum verläuft. Foto von Regina Gadesmann.

 

So darf der Schildkrötenfreund die dpa-Pressemeldung von gestern wohl eher als "Zeitungsente" abtun. Bemerkenswert, dass der Allwetterzoo in Münster nicht besser informiert war bzw. vor Herausgabe der Information an dpa genauer recherchiert hat.

Horst Köhler (22. Juli 2009)