Frage: Meine Frau und ich spielen mit dem Gedanken, uns zwei Landschildkröten zuzulegen. Auf Ihrer Seite haben wir hierfür bereits viele Inspirationen gesammelt. Geplant ist ein Balkon-Gehege (und zusätzlich ein Innen-Gehege) mit reichlichen Abmessungen von etwa 1,6 x 1 m (wir haben einen großen Balkon in Südwest-Ausrichtung). Ein Schutzhaus mit der Grundfläche 30 x 40 cm habe ich bereits gezimmert. Ein Garten steht uns leider derzeit nicht zur Verfügung. Wir hoffen allerdings, dass sich diese Situation in den kommenden Jahren ändern wird.
Nun meine Fragen. Ich habe von einer Freundin gehört, dass ihre Schildkröte das Schildkrötenhaus angenagt hat. Ich hatte eigentlich vor, das Schildkrötenhaus (und auch das Gehege) mit einer ordentlichen Portion Holz-Außenlasur gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Ist dies ratsam, oder könnte dies für die Schildkröten gefährlich sein? Soll ich stattdessen lieber z.B. auf Pflege-Öl zurückgreifen? Oder wissen die Schildkröten von sich aus, dass sie den Anstrich nicht anknabbern dürfen?
Auf Ihrer Seite habe ich gesehen, dass häufig an der Außenseite der Gehege eine Teichfolie angebracht ist. Warum ist das eigentlich erforderlich? Steigert dies nicht die Gefahr, dass das Holz darunter modert? Mein Gehege wird wahrscheinlich einen Boden aus Holz bekommen, mit Löchern als Drainage, falls es in das Gehege hineinregnen sollte. Ist dies eine gute Lösung?
Eine weitere, entscheidende Frage: Bisher habe ich keinen Strom auf meinem Balkon und ein Wanddurchbruch erscheint mir bei einer Mietwohnung etwas problematisch zu sein. Haben Sie eine Idee, wie ich z.B. eine Heizung und/oder eine UV-Lampe betreiben kann?
Und meine letzte Frage: Wendet sich ihr Buch "Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys" hauptsächlich an ambitionierte Züchter oder auch an Hobby-Einsteiger ohne Zuchtambitionen?
S.R.
Auch ohne großes Instrumentarium und ohne Herpetologe zu sein, kann der Schildkrötenfreund in der freien Natur durch ganz einfache Beobachtungen wertvolle Erkenntnisse für sich (und andere Schildkrötenhalter) gewinnen. Dieser wild lebenden Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca ibera) bot ich verschiedene mediterrane Blüten zum Fressen an. Was bevorzugt wurde, ist klar ersichtlich: Löwenzahnblüten. Foto von Horst Köhler.
Antwort: Eine Gehegefläche von 1,6 x 1 m reicht für zwei junge Landschildkröten in deren ersten Lebensjahren leicht aus. Wenn sie jedoch ausgewachsen sind, hat kein weiteres gleich großes Tier mehr Platz - schon gleich gar nicht, wenn Sie sich für die größer werdenden Breitrandschildkröten entscheiden sollten. Ihr offensichtlich schon fertiges Schutzhäuschen mag für zwei kleine Tiere ausreichend sein, sicherlich aber nicht für ausgewachsene Tiere. Aber vielleicht gibt es ja bis dahin doch die - immer anzustrebende - Möglichkeit der (Mit-)Nutzung eines Gartens für Ihre Schildkröten.
Das Außengehege sollte seitlich aus dicken, wärmeisolierenden Holzwänden mit Styrodurisolierung (n i c h t Styropor) und einem ebenfalls gut isolierenden Holzboden bestehen. Dass Schildkröten Holzwände anfressen, habe ich bei meinen eigenen Tieren noch nicht erlebt – die bevorzugen alle „Besseres“. Als Schutzanstrich des Holzgeheges wählen Sie sinnvollerweise ein biologisch unbedenkliches Produkt und setzen die Schildkröten erst ein oder zwei Wochen nach dem Anstrich hinein.
Wenn ein Schildkröten-Balkongehege aus Holz außen mit einer Folie bekleidet ist, dann wohl aus dem Grund, dass das Holz bei Regen nicht nass wird. Es wird dann auch nicht so schnell faulen. Üblicherweise wird die Folie innen angebracht, damit der Holzboden durch das im Sommer notwendige Besprühen mit Wasser, durch den Urin der Tiere und durch evtl. Hineinregnen nicht fault (wenn das Gehege einen verschließbaren Deckel oder wenigstens einen Teildeckel erhält, wird der Regen ganz oder zumindest zum Teil abgehalten). Ich selbst verwende keine Innenfolie, sondern rollbare, ca. 1 mm starke Kunststofffolie aus dem Baumarkt, die mit einer Schere passgenau zugeschnitten wird. Vorteil: der dünne Belag verrutscht nicht (im Gegensatz zur Folie) und kann bei der fälligen Gehegereinigung sehr leicht und schnell aus dem Balkongehege entfernt werden.
Informieren Sie sich einfach aus der Fachliteratur, welche sonstigen Ausführungsmöglichkeiten es für Sie noch gibt; ich kenne ja die genaue Vorort-Situation bei Ihnen nicht.
Nun zur wohl wichtigsten Frage, die Beheizung eines Balkongeheges während der Schildkrötensaison an kühlen Tagen und bei kühlen Nächten, das dann natürlich durch einen Deckel bzw. ein Dach verschließbar ausgeführt sein muss (auch dann, wenn sich im Gehege ein kleines Schutzhäuschen mit Dach befindet). Zunächst sollten Sie in jedem Fall mit Ihrem Hausbesitzer sprechen, ob er das Durchbohren der Wand zum Balkon mit 10-12 mm Lochdurchmesser erlaubt. Mehr ist nämlich nicht nötig, da Sie ja nur das Elektrokabel durchführen und nicht etwa einen ganzen Stecker. Sollten Sie irgendwann einmal ausziehen, müssen Sie natürlich diese kleine Öffnung wieder verschließen.
Alternativ könnte möglicherweise ein entsprechendes Elektrokabel von einer Außensteckdose auf der Terrasse (falls vorhanden) oder in der Garage nach oben auf Ihren Balkon verlegt werden. Denken Sie aber in diesem Fall an einen eigenen Stromzähler zur Erfassung der im Schildkrötengehege verbrauchten elektrischen Energie.
Ist eine elektrische Beheizung nicht möglich, wird im Internet und von manchen Kreisen als Alternative eine kleine propangasbetriebene Kleingewächshaus-Gasheizung empfohlen. Ich rate allerdings strikt davon ab, auch wenn der Gasverbrauch z.B. mit etwa 190 g/Std. für eine 2.500-W-Heizung akzeptabel erscheint und fast 100 % der Gasenergie in Wärme umgewandelt wird. Meine Gründe: Einmal ist die Gasheizung nicht gerade klein (B/T/H = 26/26/38 cm für das hier erwähnte Gerät) und hat in Ihrem Schutzhäuschen keinen Platz, so dass, wie schon erwähnt, das gesamte Gehege abgedeckt werden muss, um größere Energieverluste zu vermeiden. Zum anderen kostet das hier erwähnte Gerät etwa 240 € einschließlich Anschlussschlauch, Druckregler und Sauerstoffmangel-Sicherung, aber ohne die Gasflasche. Ein richtiges ko-Kriterium aus meiner Sicht ist jedoch die Tatsache, dass beim Betreiben der Gasheizung das Gas CO2 (Kohlendioxid) als Verbrennungsprodukt entsteht (was ein besseres Pflanzenwachstum in einem Gewächshaus bewirkt, somit für diese Anwendung ein Vorteil ist). Da aber CO2 schwerer als Luft ist, sinkt es nach unten – genau dorthin, wo sich die Schildkröten aufhalten. CO2 ist in größeren Konzentrationen toxisch; so wird es zum Töten von Fischen und einigen anderen Tierarten verwendet. Damit die Schildkröten durch das beim Verbrennungsprozess entstehende CO2 keinen Schaden erleiden, müsste für eine ständige gute Frischluftzufuhr gesorgt werden.
Es macht überhaupt keinen Sinn und ist auch unwirtschaftlich, wenn zwar Wärme erzeugt wird, dann aber kältere Außenluft zur Entfernung des CO2 nötig ist.
Einen UVB-Strahler müssen Sie in einem Balkon-Gehege im Gegensatz zum Innengehege übrigens nicht vorsehen, da UVB im Gemisch der natürlichen Sonnenstrahlung enthalten ist. Wenn die Sonne bei Ihnen einmal ein paar Tage nicht scheinen sollte, ist dies kein Beinbruch, denn diese Situation gibt es im Sommer auch im natürlichen Verbreitungsraum in Südeuropa. Wird das Dach Ihres Schildkröten-Außengeheges oder zumindest ein Teil davon aus Alltop-Glas ausgeführt, gelangt die solare UVB-Strahlung ins Gehegeinnere (im Gegensatz zu einem Dach aus Fensterglas oder aus Holz).
Fazit: Wenn Ihnen der Hauseigentümer bzw. Vermieter Ihrer Wohnung das Durchbohren der Außenwand zum Balkon nicht gestattet, sollten Sie überlegen, ob Sie nicht besser auf die Haltung von Landschildkröten so lange verzichten, bis Sie entweder einen eigenen Garten haben (z.B. Schrebergarten) oder den eines Bekannten oder Nachbarn mitbenutzen dürfen.
Sollten Sie Ihr künftiges Balkon-Gehege unbeheizt betreiben, dann benötigen Sie für kühle Tage und Nächte, die es auch im August gibt, ein zusätzliches Gehege in Ihrer Wohnung, das Sie jedoch für die Übergangszeiten im Frühjahr und Herbst ohnehin brauchen. Ideal ist zwar das Hin- und Hertragen der Schildkröten nicht gerade, ganz abgesehen davon, dass es vom Halter viel Disziplin (und Anwesenheit) erfordert, doch jüngere Landschildkröten tolerieren den Hin- und Hertransport noch eher als manche ältere Tiere. Allerdings scheinen sich auch adulte Tiere an diesen Standortwechsel zu gewöhnen: wenn ich meine gerade fressenden Sternschildkröten im Balkon-Gehege abends nach drinnen brachte, fraßen sie dort seelenruhig weiter – und umgekehrt.
Zu Ihrer letzten Frage: Mein Buch „Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys“ wendet sich sowohl an erfahrene Schildkrötenhalter (allerdings weniger an Züchter) als auch an Neueinsteiger. Vor schwierigeren Textkapiteln wird der Leser darauf vorbereitet, dass die Ausführungen möglicherweise erst dann "gewinnbringend" gelesen werden können, wenn er bereits einige Erfahrungen in der Schildkrötenpflege besitzt. Sollten Sie das Buch noch nicht haben, empfehle ich Ihnen die Anschaffung. In erster Linie richtet sich das Werk an die Käufer von jungen Landschildkröten, damit sie die sog. Anfängerfehler vermeiden (Näheres zum Buch in der Rubrik "Schildi-Buch" von www.schildi-online.eu).
Dieser Beitrag wurde am 23. Januar 2016 online gestellt.