von Horst Köhler, Friedberg


Der letzte Winter
Laut Aussage des Deutschen Wetterdienstes war das Jahr 2008 aus klimatischer Sicht ein eher durchschnittliches Jahr, wobei sich allerdings die Auswirkungen des Klimawandels bereits recht deutlich bemerkbar machten.
Schon Anfang Januar 2008, als sich unsere europäischen Schildkröten sich noch im tiefsten Winterschlaf befanden, beendeten Tiefausläufer die weihnachtliche Frostperiode und war es bei uns deutlich zu warm. Die Schneeglöckchen blühten mehrere Wochen früher als im langjährigen Schnitt. Der Februar war ebenfalls viel zu warm: am 24. Februar 2008 erreichten die Tagestemperaturen örtlich sogar die 20-Grad-Marke. Meteorologen bestätigten, dass die Wintertemperaturen 2007/08 insgesamt etwa 2 °C über dem langjährigen Durchschnittswert lagen. Wer seine Landschildkröten im Keller überwinterte, hatte in diesem Zeitraum selbst bei geöffneten Kellerfenstern Schwierigkeiten, die Raumtemperatur auf 10-12 °C zu halten. Außerdem war der Winter 2008/09 gegenüber den Langzeit-Vergleichswerten viel zu sonnig: der Sonnenscheindauer-Langzeitwert wurde nämlich um 90 % (!) überschritten: wer eine Fotovoltaikanlage auf seinem Hausdach betrieb, konnte sich freuen.
 Lufttemperatur
Ende Februar bis Ende Mai: Temperaturvergleich Antalya - Augsburg
Die zwischen dem 25. Februar und 29. Mai 2008 gemessenen Tages-Höchsttemperaturen für die Gegend um Augsburg (roter Kurvenzug) sind in der Grafik denen im türkischen Antalya als einem typischen Lebensraum diverser Unterarten der Maurischen Landschildkröte (Testudo graeca) aufgezeichneten Werten (blauer Kurvenzug) gegenüber gestellt. Im Zeitraum ab Mitte März bis Anfang April wachten unsere eingewinterten Schildkröten auf. So winterte ich meine ausgewachsenen Weibchen um den 20. März herum aus, die Männchen ein bis zwei Wochen später.
 
Der Temperaturverlauf für Antalya ist so, wie man sich dies für eine südeuropäische Region auch vorstellt, also mit relativ geringen Schwankungen stetig nach oben. Auch die Temperaturen für Augsburg erhöhten sich zwar mit der Zeit kontinuierlich, allerdings mit kräftigen Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten. Am 5. März betrug der maximale Unterschied zwischen den erreichten Tageshöchstwerten in Antalya und Augsburg 19 °C. Nach einem kurzzeitigen Anstieg auf 16 °C Mitte März folgte bis Ende März in Augsburg ein ständiger Abfall bis auf Null Grad mit leichten nächtlichen Frosttemperaturen. Zum gleichen Zeitpunkt war es in Antalya um 22 °C wärmer! Am 25. März schneite es in Südbayern noch einmal. Um diese Zeit befanden sich manche gerade ausgewinterten Schildkröten schon im Freiland. Dies zeigt, wie wichtig eine in kalten Nächten heizbare Schutzhütte für die Tiere ist – wenn man sie nicht am Abend wieder ins Haus holen möchte.
In der Folge erhöhten sich die Tagestemperaturen im Raum Augsburg zwar wieder, doch am 8./9. April fiel das Thermometer nachts bis auf - 6 °C: zum Leidwesen der Hobbygärtner erfroren viele Blüten. Doch dann wurde es auch in Südbayern endgültig Frühling: Ende April war es in Augsburg vorübergehend sogar noch etwas wärmer als in Antalya. Doch am 20. und 21. Mai erfolgte mit nur 10 °C Tageshöchsttemperatur wieder ein Kälteeinbruch; in Antalya war es in diesen Tagen gleich um 20 °C wärmer. Ende Mai erreichten die Temperaturen dann auch bei uns die 30-Grad-Marke und waren nicht sehr unterschiedlich von den Werten im türkischen Antalya. Mit Ausnahme des 20. und des 21. Mai war der Monat Mai ein recht warmer (und trockener) Monat. Dies ist auch der Grund dafür, warum der Frühling 2008 bei uns um 0,7 °C wärmer war als der langjährige Durchschnittswert.
 
Sommer 2008: stark schwankende Temperaturen
Der (deutsche) Juni war für die mediterranen Landschildkröten im Freien bis auf wenige Tage ein idealer Monat, denn der Monat begann mit Höchstwerten um 30 °C. Allerdings bewirkte die Schafskälte zur Monatsmitte hin einen vorübergehenden Kälteeinbruch auf 5 °C ! Der Juli war dagegen eher wechselhaft, denn die Höchstwerte schwankten von einem Minimum bei 10 °C bis zu einem Maximum bei 25 °C.
Ähnlich verlief auch der August: um den 7. August verzeichneten wir tagsüber „tropische“ Temperaturen um 30 °C; Mitte August kühlte es sich aber vorübergehend bis auf 5 °C ab! Wegen des warmen Monats Juni war der Sommer bei uns insgesamt betrachtet trotzdem sogar um 1 °C wärmer als dem Langzeitmittel entspricht.
 
Der Herbst: kühler September – freundlicher Oktober
Im September zogen viele wolkenreiche Tiefdruckgebiete durch unsere Gegend und so ließ sich auch die Sonne nicht allzu oft sehen; es war relativ kühl. Je nach Region lagen die Temperaturen im September um 1 bis 5 °C unter dem langjährigen Schnitt, so dass wir unsere europäischen Landschildkröten nicht sehr häufig beim herbstlichen Sonnenbad beobachten konnten. Im Oktober war es dann zwar wieder wärmer, doch in dieser Zeit stimmten sich viele Schildkröten bereits auf die bevorstehende Winterruhe ein.
 
Winter
Die Temperaturen im Dezember2008 fühlten unsere Pfleglinge nicht mehr direkt (bis auf die, die im Freien überwinterten), da sie bereits in der Winterstarre waren. Nachfolgend eine Übersicht über die Tageshöchst-Temperaturen von Antalya und Augsburg während der letzten Dezember- und der ersten Januartage 2008/09:

 

 Tag   Antalya*    Augsburg**
 28. Dezember 2008   n.b.   + 0,8
 29. Dezember 2008  15 (Schauer)   - 1,5
 30. Dezember 2008   13   - 0,8
 31. Dezember 2008    14 (Regen)   + 0,6
 1. Januar 2009   n.b.   - 2,0
 2. Januar 2009  14   - 3,8
 3. Januar 2009   14 (Regen)   n.b.
 4. Januar 2009   13 (Regen)  - 2,3
 5. Januar 2009  13 (Schauer)    n.b.
 6. Januar 2009   n.b.   - 4,3
 7. Januar 2009   17 (Schauer)    


 *) Vorhersage der Tageshöchsttemperatur auf der Basis des Wetters vom Vortag
**) gemessene Lufttemperatur um 15 Uhr (Wetterstation Augsburg)
 
Wie wohl wild lebende Schildkröten (im Raum Antalya) überwintern?
Interessante Frage: wie sieht eigentlich die Winterruhe der mediterranen Landschildkröten in ihren diversen südeuropäischen Ursprungsgebieten aus? Leider findet man in der Fachliteratur dazu nur sehr wenige verlässliche Angaben . Bei den hier angegebenen Tageshöchsttemperaturen für die südtürkische Küstenstadt Antalya um die Jahreswende 2008/09, die freilich durch das im Dezember mit 21 °C Wassertemperatur noch recht warme Mittelmeer beeinflusst werden dürfte, ist mir jedenfalls nicht bange, wenn in meinem Keller-Überwinterungsraum mit den Maurischen und Griechischen Landschildkröten die Temperatur im Winter einmal für eine Woche über 10-12 °C hinaus ansteigen sollte. Zweifel habe ich außerdem, was die in der Schildkröten-Literatur zu findende lange Überwinterungsdauer europäischer Landschildkröten von etwa drei bis vier Monaten im natürlichen Verbreitungsraum anlangt. Ob die Winterruhe der Tiere in der Natur tatsächlich so lange andauert - wenn die Umgebungstemperaturen im November / Dezember noch nahe 20 °C sind und im März schon wieder bei 20 °C liegen? Viele berechtigte Fragen ...
Dieses nicht uninteressante Thema wird uns bei schildi-online.eu noch länger beschäftigen: zunächst einmal soll das tägliche Wetter in Antalya als einem typischen Lebensraum von Testudo graeca ibera konsequent bis etwa Ende März 2009 verfolgt werden. 
 
  
PS: Sämtliche in diesem Artikel erwähnten Temperaturen gelten für den Schatten.
 
 
Dieser Artikel wurde am 12. Januar 2009 online gestellt.