In der deutschen Schildkröten-Zeitschrift RADIATA, Journal der Arbeitsgemeinschaft Schildkröten der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V, (DGHT), Heft 3, August 2007, S. 2-41, haben die beiden Autorinnen Irmtraud Jasser-Häger und Annemarie Winter die Ergebnisse einer Fragebogenaktion „Inkubationsprojekt" für die Zeit 2004-2006 ausgewertet, vorgestellt und diskutiert. 165 umfangreiche Fragebögen konnten ausgewertet werden. Sie beinhalten detaillierte Angaben über insgesamt 2.418 Schildkröten-Schlüpflinge von Muttertieren der Arten Testudo hermanni boettgeri (griechische Landschildkröte, Ostform), Testudo graeca ibera (maurische Landschildkröte) und Testudo horsfieldii (Vierzehen- bzw. Steppenschildkröte). Damit ist klar, dass die Folgerungen aus der Auswertung durchaus auf solidem Fundament basieren und typisch für alle in unseren Breitengraden gepflegten europäischen Landschildkröten sind. Aufgezeigt werden beispielsweise Größe und Zahl der Gelege, Gewichte der Weibchen, Eier und Schlüpflinge, Substrate für Inkubatoren, Inkubationsdauer; -Feuchtigkeit und -Temperatur, Befruchtungsraten und Anomalien.
Warum allerdings das sehr häufig verwendete Inkubations-Substrat Vermiculite in dem Abschnitt „Empfehlungen" (Seite 19) als ungeeignet angesehen wird, wird nach Ansicht des Rezensenten nicht ausreichend genug begründet.
Interessant ist vor allem die tabellarische Übersicht zu Beginn des Beitrages. So produzierten 49 % der erfassten Weibchen von T. h. boettgeri zwei und 36 % drei Gelege je Saison, für T. gr. ibera liegen die Zahlen mit 52 % (2 Gelege) bzw. 39 % (3 Gelege) ganz ähnlich, während bei den Steppenschildkröten-Weibchen 35 % der Tiere ein und 50 % zwei Gelege erbrachten. Nach den Auswertungsergebnissen legt im Durchschnitt ein Weibchen von T. h. boettgeri pro Saison 10,4 Eier, T. gr. ibera 12,6 Eier und T. horsfieldii nur 6,0 Eier.
Die durchschnittliche Befruchtungsrate betrug bei den drei untersuchten Arten (bzw. Unterarten) 69, 82 und 81 %. Von den befruchteten Eiern schlüpften – in der gleichen Reihenfolge aufgeführt – 74, 82 bzw. 86 %. Multipliziert man die durchschnittliche Befruchtungsrate mit der mittleren Schlupfrate, erhält man die so genannte Reproduktionsrate. Das Ergebnis: von allen inkubierten Eiern der erfassten Weibchen der griechischen Landschildkröte schlüpften nur 51 %, während dieser Prozentsatz bei der maurischen Landschildkröte mit 62 % deutlich besser war. Noch besser schnitten die Steppenschildkröten-Weibchen ab: bei ihnen lag die Reproduktionsrate bei hohen 70 %.
Nach den Angaben der befragten Züchter ist der Anteil der Schlüpflinge mit Schildanomalien bei T. h. boettgeri mit 32 % (darunter 8 schweren Deformationen) besonders hoch, bedeutet dies doch, dass von 1.320 in die Auswertung eingegangenen Schlüpflingen dieser Unterart etwa 400 Jungtiere Schildanomalien hatten. Bei den Eiern, die zur Erzielung von vorwiegend Weibchen bei Inkubationstemperaturen zwischen 32 und 34 °C erbrütet wurden, lag die Anomalierate sogar bei hohen 60 %! Die maurische Landschildkröte neigt – erwartungsgemäß – weniger zu Schildanomalien: nur 12 % von insgesamt 854 Schlüpflingen hatten Anomalien, bei den Steppenschildkröten sogar nur 3 % (von 244 Schlüpflingen).
Züchterpech: Am Tag dieser Aufnahme (ohne Blitzlicht) war dieses dritte Saison-Gelege eines maurischen Schildkrötenweibchens bereits zwei Wochen "über der Zeit". Zur Erzielung von mehr Weibchen wurde es bei einer Temperatur von 32-33 °C inkubiert. Im Ei ganz rechts befreit sich zwar gerade ein Schlüpfling, doch wenig später stellte es sich als "Weißling" heraus, Bild unten. Aus dem zweiten Ei (obere Reihe, rechts) schlüpfte dagegen ein "normales" Jungtier. Nachdem sich bei den drei übrigen Eiern in den Folgetagen keine weitere Entwicklung zeigte, wurden sie geöffnet: im rötlichen Ei ganz links saß ein bereits abgestorbener "Weißling", das zweite Ei enthielt einen abgestorbenen Embryo und das dritte war unbefruchtet. Das Ergebnis war also nur ein überlebensfähiger Schlüpfling aus fünf Eiern.
Dieser unförmige Schlüpfling mit starker Pigmentstörung stammt aus dem Ei rechts unten im oberen Bild und war zum Zeitpunkt der Aufnahme einen Tag alt. Das Jungtier wies eine deutliche Kiefern- und Plastronmissbildung auf; ihm fehlte außerdem der Schwanz. Da es nicht überlebensfähig gewesen wäre, musste es euthanisiert werden. Beide Fotos von Horst Köhler.
Der Bericht ist eine ausgezeichnete Informations- und vor allem auch Orientierungsquelle für alle Schildkrötenzüchter und die, die es noch werden wollen. Die RADIATA-Ausgabe mit dem umfangreichen Bericht, der durch viele Grafiken und Fotos zu gefallen weiß, kann zum Preis von € 6 unter folgender Adresse bestellt werden: AG Schildkröten in der DGHT, Frau Sabine Höfler-Thierfeldt , Im Bongert 11a, 52428 Jülich, Email Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Quelle:
Jasser-Häger Irmtraud und Winter Annemarie: Ergebnisse des Inkubationsprojektes für Landschildkröten von 202 bis 2007. RADIATA ,16, 3, August 2007, S. 2-41
Horst Köhler (5. September 2008)