von Brigitte Kesseler, Spanien


Wir leben seit elf Jahren in Spanien in den Bergen von Alicante. Dort besitzen wir ein Grundstück von insgesamt 12.000 qm Größe. Davon haben wir mittlerweile ca. 3.000 qm bebaut, bepflanzt und für uns und unsere Tiere eingerichtet Bild 1).

 

SulcataBild1Bild 1: Ein Teil unseres Gartens, in dem Oscar gerade seine Runden dreht. Wie die anderen Spornschildkröten auch, nascht er gerne von den roten Blüten des großen Oleanderstrauchs im Hintergrund.





Seit einigen Jahren leben bei uns neben einigen Pantherschildkröten auch Spornschildkröten, Geochelone sulcata (nach Fritz et.al., 2006) bzw. Centrochelys sulcata, insbesondere Oscar und Julia, unsere größten Spornschildkröten. Wir haben sie damals gesehen, uns sofort in sie verliebt und sie gekauft. Es war keine billige Angelegenheit, aber wir bereuen die Anschaffung nicht eine Sekunde. Es fasziniert uns täglich, ihrem Treiben zuzuschauen. Oscar ist heute (August 2011) 71 cm lang und wiegt 48 kg (Bild 1 und 2), während Julia eine Länge von 51 cm hat und 22 kg wiegt (Bild 3).

 

SulcataBild2Bild 2: Hier haben wir Oscar für diese Aufnahme auf den Rücken gedreht. Gut zu sehen an Geschlechtsmerkmalen der Männchen sind hier der ausgeprägte und gegabelte Gularschild und der konkave Buchpanzer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bild 3 (rechts): Obwohl Julia 20 cm kleiner ist und auch nur halb so viel wiegt wie Oscar, braucht man schon Kraft, um sie hochzuheben. Man beachte den ebenen Bauchpanzer des Weibchens.




Damals hatten wir uns mitten in der Nacht auf den Weg in die Sierra Nevada gemacht, um unsere beiden Lieblinge abzuholen. Der Verkäufer traf sich mit uns auf einem Parkplatz. Dort erledigten wir auch alles Formelle wie Kaufbeleg, Cites-Unterlagen usw. Es war schon fast makaber, wie in einem kleinen Lieferwagen rechts und links Obst- und Gemüsekisten aufgestapelt waren und mittendrin die zwei großen Schildkröten saßen. Kurze Zeit später machten wir uns mit unseren neuen Familienmitgliedern auf den Heimweg. Nach etwa sieben Stunden Fahrt waren wir dann endlich wieder zuhause.
Dort pflückten wir zuerst noch Löwenzahn und entließen die beiden Spornschildkröten in den Garten, quasi in die Freiheit. Nach ein paar Stunden Schlaf waren wir neugierig: es hieß, raus in den Garten und suchen.

Jetzt fing unsere Arbeit erst richtig an. Also Kuli, Zettel, planen, Recherchen im Internet, mit andern Züchtern reden, eben einfach genau in Erfahrung bringen, was richtig und was falsch ist.
Als erstes brauchten wir ein Wasserbecken für unsere Schildis, damit sie trinken und relaxen können. Also hieß es, das Erdreich ausheben, was hier bei uns gar nicht so einfach ist, da die Erde in Spanien steinhart sein kann. Man weiß nie, was einen erwartet. In den Bergen ist es noch extremer, da kann es leicht passieren, dass man auf Felsen stößt.

Das mit dem Becken hat aber gut funktioniert und jetzt haben die Tiere mitten im Garten ihr Badebecken (Bild 4). Nur das exakte Fliesen des Badebereichs hätten wir uns sparen können, da die Schildkröten mit ihren scharfen Krallen zahlreiche Platten rasch „geschrottet“ hatten. Na ja, Fehler müssen wohl sein.

 

SulcataBild4Bild 4: Wie man hier an den Beschädigungen sieht, hätten wir uns mit dem Fliesen des Schildkröten-Badebeckens gar nicht so viel Mühe geben müssen, denn eine ganze Reihe der kleinen Fliesen hielt der Beanspruchung durch die scharfen Krallen der schweren Tiere nicht sehr lange stand. Doch unsere Spornschildkröten genießen das Bad trotzdem.




Dann stand der Winter vor der Tür. Wie und wo bringen wir die Tiere unter, wenn es kälter wird? Jetzt bitte nicht lachen, obwohl ich im Nachhinein selber lachen muss: Wir hatten früher ein Gästezimmer, mit der Betonung auf HATTEN…. .Eine halbe Lkw-Ladung Erde kam in das Zimmer, Wärmestrahler, UVB-Beleuchtung, eine Tageslichtlampe, ein paar Pflanzen. Alle halten Dich für verrückt. Macht aber nichts, denn den Schildkröten hat es gefallen.

Es konnte ja keiner erwarten, dass sie frieren, wenn wir den Kamin anhaben. Dazu sei gesagt, dass es hier in Spanien bei weitem nicht so kalt wird wie in Deutschland. Wir haben im Dezember und Januar ungefähr drei bis fünf Tage mit bis zu minus 5 °C. Und das auch nur nachts. Tagsüber liegen im Winter die Temperaturen  immer über 10 °C. Schnee haben wir, mit viel Glück, ein Mal im Winter und nur für fünf Stunden, aber man muss ihn regelrecht suchen.

Bald stellte sich uns das nächste Problem. Wenn wir unseren Schildis weiter erlauben, sich frei zu bewegen, hätten sie immer an unserem Pool vorbeigehen müssen. Das war uns dann doch zu gefährlich. Also, was tun?
Wir hatten noch ein altes Holzhaus, das eigentlich nur als Abstellmöglichkeit diente. Also, alles rausräumen und umbauen. Dort reichte es aus, Wärmelampen anzubringen, da sich Oscar und Julia, unsere beiden Großen, am Tag ja frei bewegen können.
Und glaubt mir. Das tun sie, und zwar ausgiebig. Sie bewegen sich frei auf etwa 2.000 qm Gartenfläche. Der Garten ist so angelegt, das ihnen nichts passieren kann. Hoffe ich jedenfalls.

Irgendwann stand Oscar auf einmal in der Küche und fraß aus den Fressnäpfen unserer Katzen. Er war die vier Stufen einer Treppe hochgeklettert, da er gesehen hatte, dass die Tür zur Küche offenstand. Vor ihm ist wirklich kein Fressen sicher! Seitdem bleibt diese Türe zu, damit er nicht rückwärts die Treppe hinunterfällt und auf der betonierten Terrasse landet.

Oscar und Julia fressen eigentlich fast alles. Was sie nicht mögen, ist Liebstöckel und Lauch. Ansonsten fressen sie sämtliches Unkraut sowie Gras, Salat, Tomaten, Gurken, Blumenkohl, Rosenkohl, Trockenfutter für Katzen, Dosenfutter, Blätter von unseren Obstbäumen, und am liebsten Oleander, und zwar die roten Oleanderblüten. Sind keine Blüten mehr erreichbar, fressen sie sogar die Blätter. Ich weiß, eigentlich sollten sie einiges von dem, was ich hier aufzähle, nicht fressen, aber die beiden lassen sich einfach nicht davon abhalten und es scheint ihnen nicht zu schaden.
In den Sommermonaten lassen sie sich morgens kurz sehen, um zu fressen und verschwinden dann in den heißen Stunden. Es sei denn, man macht den Wasserschlauch an, dann erscheinen sie sofort.
Wenn es dann abends wieder kühler wird, kommen sie auf die Terrasse und lassen sich kraulen. Ab und zu mal ein Blick zur Tür --- wenn sie offen sein sollte, ist mal wieder „Katzenfutteralarm“.
Nach einem ausgiebigen Abendessen wandern dann beide wieder in Richtung Garten. Dann kann es nicht mehr lange dauern, bis man ein Grunzen hört. Oscar sorgt für Nachwuchs (Bild 5); dies geschieht im Sommer etwa 3 - 5 Mal jede Woche.

 

SulcataBild5Bild 5: Oscar und Julia, meine beiden Großen, bei der Paarung. Auch auf dieser Aufnahme sind einige männliche Geschlechtsmerkmale zu erkennen: Die über dem Nacken stärker als bei den Weibchen aufgerollten Marginalschilde, die seitlich steiler abfallenden Randschilde und der konkave Plastron. Die Eiablage durch die Weibchen ist ca. 5-6 Wochen nach der Paarung zu erwarten.



 

 

Im Sommer kamen wir einmal abends gegen halb neun von einem Spaziergang zurück und Julia saß in ihrem extra für sie angefertigtem Eiablagegehege. Dieses Gehege ist etwa 3 x 2 m groß. Dort haben wir die harte Erde auf etwa 1,50 m Tiefe ausgehoben und durch lockeres Material ersetzt. Sie legte gerade ihre ersten Eier. Wir warteten, bis sie das Loch wieder geschlossen hatte und wollten danach die Eier freilegen und in den Inkubator bringen. Den hatte ich mir schon Monate vorher vorsichtshalber aus Deutschland schicken lassen.

Das Bergen der Eier war aber gar nicht so einfach wie gedacht. Nachdem Julia das Loch wieder verschlossen hatte, war die Erde nämlich fast noch härter als vorher. Trotz aller Vorsicht gingen uns beim Ausgraben zwei Eier zu Bruch.

Nachdem der Inkubator eingestellt war und auch das letzte Ei seinen Platz gefunden hatte, warteten wir genau 78 Tage, bis das erste Ei seinen ersten Riss bekam (Bild 6). Bebrütet haben wir über den ganzen Zeitraum bei 32,5 °C und 78 % Luftfeuchtigkeit.

SulcataBild6Bild 6: Ein Spornschildkröten-Baby befreit sich aus dem Ei. Mit etwa 50 mm Durchmesser sind die Spornschildkröten-Eier größer als z.B. ein Tischtennisball (= 40 mm Durchmesser).

 

 

 

 

 

 

 

Von 25 Eiern waren zwei zerbrochen (wie gesagt, durch eigene Schuld), drei nicht befruchtet und ein sehr kleiner Schildkröten-Schlüpfling verstarb leider nach etwa 24 Stunden.
Für die ganz jungen Schildkröten hatten wir uns extra ein Terrarium zugelegt (Bild 7). Es ist mit einer 13-Watt-UVB Leuchte, zwei Tageslichtlampen mit 13 und 30 Watt und einer 50-Watt-Wärmelampe ausgestattet, die wir aber nur im Winter einschalten, da wir im Sommer ohnehin Innentemperaturen bis zu 32 °C haben. Morgens und abends werden die Kleinen regelmäßig mit einer Sprühflasche besprüht. Ab dem 2. Tag im Terrarium fangen sie bereits an, zu fressen. Am Anfang bekommen sie Salat und Sticks (Friskies Optimal für Reptilien). Da sie die Sticks anscheinend nicht als Ganzes fressen wollen oder - noch nicht - können, werden diese kurzerhand gemahlen und erneut angeboten. Und jetzt gefällt den Kleinen der Teller mit den Sticks und er wird gerne leer gefressen. Zwischendurch gibt es auch Tomaten und Löwenzahn.
Für die schon etwas größeren Jungtiere besitzen wir noch ein geräumigeres Terrarium mit den Abmessungen 1,2 x 0,6 x 0,6 m, das mit einem 50-Watt-UVB-Strahler und drei Tageslichtlampen ausgerüstet ist.

SulcataBild7Bild 7: Einige unserer Nachzuchten in ihrem Terrarium, in dem sie bis zu einem Alter von etwa ½ Jahr bleiben. Die Jungtiere waren zum Zeitpunkt der Aufnahme erst wenige Wochen alt. Das Terrarium misst 1 x 0,3 x 0,45 m. Alle Fotos stammen von der Autorin.

 

 

 

 

 

 

Die Nachzuchten erhalten drei Mal wöchentlich etwas Kalziumpulver ins Fressen. Ansonsten bekommen sie je nach Jahreszeit Löwenzahn.

Nach langen Experimenten mit einer 50-Watt-UVB-Lampe haben wir festgestellt, dass sich unsere Kleinen bei einer UVB-Bestrahlung von mindestens sechs Stunden täglich bei einem Bestrahlungsabstand von 25 bis 30 cm zum Boden wesentlich besser entwickeln. Sobald sie weniger lang mit UVB besonnt werden, werden sie träge. Wir bestrahlen zurzeit zwischen 7 und 9 Stunden täglich.

Beim Bergen der Eier schaute mir Julia zu, was ihr offensichtlich gar nicht gefiel. In dieses Gehege legt sie auch bis heute keine Eier mehr. Sie hat sich eine andere Stelle gesucht und gefunden. Diese hat nur einen großen Nachteil: Die Erde ist dort sehr hart. Seit diesem Jahr (2011) fährt sie eine neue Strategie: Sie beginnt zu buddeln, doch dann krabbelt sie mir zwischen die Füße - anscheinend um mich aufmerksam zu machen. Dieses Spiel spielten wir zunächst drei Tage lang, wobei die Eiablage schon zwei Tage überfällig war. Jetzt hatte ich die „Faxen dick“. Als Julia wieder zu ihrem angefangenen Loch krabbelte, folgte ich ihr, bewaffnet mit einer Blumenschaufel und einem langen Schraubenzieher. Wir buddelten über sechs Stunden gemeinsam! Sie, soweit wie sie kam, dann war ich dran mit dem Lockern der Erde.
Nach diesen sechs Stunden Arbeit ging ich ins Haus, um etwas abzukühlen. Wir hatten die ganze Zeit über in einer Art Gewächshaus bei fast 60 °C Lufttemperatur gebuddelt und ich war echt fertig. Als ich dann nach etwa einer dreiviertel Stunde zurückkam, war Julia gerade damit beschäftigt, das Loch wieder zuzuschaufeln. Schnell rettete ich noch die Eier.

Seit diesem Tag hat Julia das gemeinsame Ausheben der Eihöhle für sich entdeckt. Sie legt Im Zeitraum von Mai bis September/Oktober in regelmäßigen Abständen von 33 Tagen zwischen 20 und 28 Eier. Bis jetzt hat sie den Legeplatz unserer ersten gemeinsamen Buddelei beibehalten. Es ist jedes Mal eine Freude, den Oscar und Julia zuzuschauen und sie zu erleben.

Die Nachzuchten geben wir nur zum Teil an private Interessenten ab; viele bleiben aber auch in unserem Garten. Für die kleineren Spornschildkröten haben wir in unserem Garten ein eigenes, etwa 36 qm großes Jungtiergehege gebaut. Dort verbringen sie unseren Sommer, zwischen April/Mai bis September/Oktober. In den Übergangszeiten und im Winter kommen sie in ein entsprechend großes Terrarium oder in unser umgebautes Gästezimmer.

Einen Tierarzt haben wir bis jetzt noch nicht gebraucht. Für alle Fälle: Ein Fachtierarzt für Exoten wohnt 30 km von uns entfernt. Wir kaufen lediglich einmal im Jahr ein Gel zum Entwurmen und eine Creme, mit der wir die Panzer unserer Tiere einreiben, damit sie parasitenfrei bleiben.

Wenn jemand sagt, Schildkröten sind langsam und langweilig, der irrt sich ganz gewaltig! Man muss jedoch vor der Anschaffung daran denken, dass nicht nur der Kauf, sondern vor allem die Haltung von Schildkröten Geld kostet und auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Doch es lohnt sich…

 

Dieser Beitrag wurde am 9. August 2011 online gestellt.