Ameisen, (größere) Vögel, Ratten, Marder, Füchse, Hunde und teilweise auch Katzen stellen eine Gefahr für die von uns gepflegten Schildkröten-Babys mit ihren noch weichen Panzern dar (siehe auch Horst Köhler: "Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys", Schildi-Verlag Augsburg, 2008). In der Natur kommen noch weitere Fressfeinde dazu, wie z.B. Schlangen oder Wildschweine.
Igel (Erinaceus europaeus) gelten nicht gerade als Bedroher von Schildkröten-Schlüpflingen, auch wenn sie sich als reine Insektenfresser überwiegend von tierischer Nahrung (kranke Vögel, Mäusejunge, Regenwürmer, Insekten, Schnecken usw.) und nur ganz gelegentlich von Obst und pflanzlichem Material ernähren.
Nun ist mir aber vor einigen Tagen trotzdem ein Todesfall eines etwa 10 Monate alten Testudo graeca-Jungtieres aus meiner Zucht zu Ohren gekommen, an dem ein Igel der „Schuldige" war. Meine Kundin, in Frankreich wohnend, hielt drei Nachzuchten aus 2009 in einem Aufzuchtgehege mit Abdeckung in ihrem Garten. Letzte Woche war plötzlich eines der drei Tiere schwer verletzt: Bisswunden waren zwar nicht zu sehen, aber die oberste Hornschicht fehlte auf dem Rückenpanzer (Carapax) zu einem Drittel und auf dem Bauchpanzer (Plastron) etwa zu einem Viertel der Fläche. Die „bearbeiteten" Schilde sahen wie abgeschliffen aus, das betroffene Tier, das vitalste der Dreiergruppe, blutete zudem leicht. An den beiden anderen Schildkröten waren keine Verletzungen zu sehen.
Die Besitzerin kann sich die Verletzungen nur durch einen Igel verursacht vorstellen; andere, echte Fressfeinde (Ratten, Schlangen usw.) scheiden aus. Für den Igel als Täter, der selbst nicht gesehen wurde, spricht, dass einige Igel im Garten der Schildkrötenbesitzerin leben, vor allem aber, dass Igelkot im Baby-Gehege aufgefunden wurde. Vermutlich hatte sich der Igel durch die Maschen der Abdeckung gezwängt und war so zu den Baby-Schildkröten gelangt, vielleicht angelockt durch übrig gebliebenes Futter. Er fand aber offensichtlich nur mit großer Mühe den Weg zurück nach draußen und bearbeitete dabei in voller Panik das Jungtier. Gut vorstellbar ist, dass er, auf den Hinterfüßen stehend, strampelnd, zappelnd und scharrend versucht hat, nach oben durch das Gitter zu entkommen, wobei er - wahrscheinlich rein zufällig - auf dem Jungtier stand und es dabei verletzte. Vielleicht war es ja sogar so, dass die junge Schildkröte, durch die Geräusche neugierig geworden, selbst unter den Igel krabbelte.
Dies ereignete sich in der Nacht von Freitag auf Samstag, und der französische Reptilientierarzt am Ort hatte am Wochenende keine Sprechstunde. Die Schildkrötenbesitzerin suchte zwar noch eine allgemeine Tierklinik auf, wo man ihr ein Antibiotikum für die Schildkröte gab – doch die Infektion war vermutlich schon so weit fortgeschritten, dass das Tier noch am Tag nach der Attacke einging.
Es ist nicht davon auszugehen, dass der Igel die Schildkröte bewusst angriff. Trotzdem liegt man als Besitzer eines Schildkröten-Babys immer sicher, wenn man den bzw. die Kleinen die ersten beiden Jahre nachts ins Haus holt.