von Petra Kösterke, Rödinghausen


Es war 1957, und wieder bekam ich, damals 12 Jahre alt, nicht den heiß ersehnten Hund. Meine Mutter, begeisterte Kaufhausbummlerin, entdeckte dort eines Tages eine Schildkröte. „Die macht ja nur wenig Dreck und man muss auch nicht Gassi gehen.“ So kam Schilli zu uns, für 10 DM, mit einem kleinen Buch über Ernährungs- und Haltungs-Tipps. Leider stand in den damaligen Broschüren allerhand Unsinn, u. a. die Empfehlung, Hunde- und Katzenfutter als Schildkrötennahrung zu verwenden. Dafür fanden wir aber einige brauchbare Hinweise zur Winterruhe.

Wir versetzten uns in die Heimat der Schildkröte und taten unser Bestes. Schilli, eine Vierzehen-Landschildkröte (Testudo horsfieldii),gedieh prächtig. Dann kam der Herbst und das Tier wurde müde und träge. Es kam in eine Holzkiste mit Holzwolle, natürlich nach einem ausgiebigen, lauwarmen Bad. Einige Tage hörten wir noch ab und zu ein Rascheln, aber dann war es für lange Zeit ruhig. Im nächsten Frühjahr saß Schilli eines Tages oben auf der Holzwolle in ihrer Kiste. Sie war fit, hungrig und aktiv. Und sie erfreute uns Jahr um Jahr und wuchs und wuchs....
Wir hatten nach meinen heutigen Erfahrungen durch Zufall in all den Jahren einiges richtig gemacht, auch mit der Winterstarre. Das Haus hatte einen Keller zum Norden und es war dort, wie in einem Altbau, recht kalt.

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Diese Aufnahme vom Sommer 2004 zeigt von links die Steppenschildkröten Leopold (2 Jahre alt), Toni (4 Jahre), Kim (4 Jahre) und Nikki (3 Jahre alt).

Nach und nach kamen einige T. horsfieldii dazu. Jahre später wurden dann in unserem Neubau unterschiedliche Keller, Garagen und ein Holzgartenhaus für die Winterruhe getestet. An Substrat für die Winterkiste wurden unter anderem Papierschnipsel, Holzwolle, Blumenerde, Heu, Stroh, etc ausprobiert. Seit einigen Jahren überwintern jetzt meine Tiere in Pinienrinde, obenauf Buchenlaub. Das kann nicht so schnell schimmeln und es ist einfach festzustellen, ob es zu trocken ist. Sobald die Blätter knistern, wird vorsichtig mit der Blumenspritze die Oberfläche etwas eingenebelt.
Auch die Horsfieldii überwintern nicht gern extrem trocken und sie sollten auch in der Übergangszeit, falls sie dann im Terrarium gehalten werden, nicht in zu trockenem Substrat leben.
 
Durch regelmäßige Temperaturmessungen in den vergangenen Jahren nehme ich jetzt einen Kellerraum zum Norden, der ganz gekachelt ist und die notwenige Temperatur von unter 8 Grad in der Zeit der Winterstarre sichert. Je nach Wetter halte ich das Fenster etwas geöffnet; nur bei extremer Kälte wird es ganz geschlossen.

Seit den 90er Jahren, durch den Kontakt zu Dr. Braune, der Schildkröten zu seinen Lieblingen zählte, führe ich auf seinen Wunsch Listen zur Gewichtskontrolle meiner Testudo horsfieldii. So entstanden auch die Tabellen über den Gewichtsverlust meiner Vierzehen-Schildkröten während der Winterstarre.
 
Grundsätzlich werden bei mir auch alle Jungtiere vom ersten Lebensjahr an eingewintert , da sie ohne Winterstarre unter anderem zu schnell wachsen und dies für ihre Entwicklung absolut schädlich ist und sie auch anfälliger für Krankheiten macht. Nur eine Ausnahme gab es hier: Brauni, die ich sehr krank übernommen habe (siehe www.landschildkroetenbabies.de). Aber auch bei ihr habe ich nach ihrer langen Quarantänezeit regelmäßig die Hibernation eingehalten.

 
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In der Tabelle habe ich die Gewichte und Gewichtsverluste von vier männlichen Tieren für den Zeitraum 2000 bis 2009 aufgeführt. Leopold, der beim Schlupf nur 11 g wog, ging erst Mitte Januar in seine erste Winterruhe, nachdem er ein Gewicht von 28 g erreicht hatte.
 
Toni - Jahrgang 2000 / 15. August 22g  
Kim - Jahrgang 2000 / 20.September 16g 
Nikki - Jahrgang 2001 / 8. August 15g
Leopold - Jahrgang 2002 / 6. September 11g 

Am Beispiel von Leopolds erster Winterstarre 2002/2003 zeige ich hier auf, wie man den Gewichtsverlust auf einfache Weise in % ermittelt:
die Schildkröte wog zu Beginn der Winterruhe 28 g und verlor während der Winterstarre 2 g an Gewicht (siehe Tabelle). Damit ist der prozentuale Gewichtsverlust 2 x 100 ./. 28 = 7,1 %, also etwa 7 %.
 
Kim hat den vergangenen Winter 2008/09 bei mir im Keller verbracht. Leopold hat die Winterruhe in Vlotho im Keller erlebt. Die erste Winterstarre im Kühlschrank haben Nikki in Ansbach und Toni in Bünde sehr gut überstanden (alle Gewichte sind aus der Tabelle zu entnehmen).
 
In den 80er Jahren hatte sich in drei Wintern hintereinander eine meiner Schildkröten tief in das Wurzelwerk einer Zeder eingegraben. Im Frühjahr stellten wir fest (beim Nachgraben der Höhle), sie hatte sich ca. 60 cm tief und zudem im Zickzack an den Wurzeln entlang gebuddelt. An Gewicht hatte sie kaum verloren und war in all den drei Jahren einige Tage vor den Schildkröten, die im Keller den Winter verbrachten, aus dem Erdreich hervorgekommen.
 
Eine Schildkrötenfreundin von meinem Schildkröten-Stammtisch suchte vor der Winterstarre 2008/09 eine ihrer Vierzehen-Landschildkröten vergebens im Gewächshaus. Anfang März 2009 tauchte das Tier dann plötzlich wieder putzmunter von selbst auf und erfreute das Frauchen durch ausgiebigen Appetit.
 
So werden hier einige von uns in den kommenden Jahren den Tieren die Möglichkeit bieten, sich unter den Schutzhütten und Gewächshäusern einzugraben. Wichtig ist dann natürlich ein sicherer Schutz vor Fressfeinden und vor Frost.
 
Bei allen drei Orten für die Winterstarre, Keller - Kühlschrank - Garten, waren die Gewichtsverluste meiner Testudo horsfieldii gleich.  
Früher habe ich die Tiere nur jeweils vor und nach der Winterstarre gewogen. Da ich in all den Jahren in und nach der Winterruhe nie ein Tier verloren habe, gab es für mich auch keine Veranlassung, während der Hibernation die Tiere zu stören. Durch eine Reihe von Publikationen und den Erfahrungsaustausch angeregt, wiege ich jetzt trotzdem auch während der Ruhezeit. Um die Tiere nicht unnötig zu stressen, wird dieses natürlich sehr vorsichtig durchgeführt.
 
Sobald die Tiere oben in ihren Kisten sitzen, werden sie schrittweise an eine höhere Temperatur gewöhnt. Sie kommen zwei Tage in einen Raum mit ca. 10 bis 15 Grad (siehe Bild), dann in den Wintergarten; erst zwei Tage ohne Lampen. Langsam steigere ich die Einschaltzeit der Wärme- und der UV-Lampen. In der Woche nach der Ruhezeit bade ich die T. horsfieldii zwei Mal in lauwarmem Solidago-Tee. Oft sehe ich danach auf der Waage schon 1 bis 2 g mehr (der Feuchtigkeitsverlust wurde ausgeglichen). Innerhalb von wenigen Tagen liegt durch die normale Futterration das Gewicht bei meinen Tieren schon oft über dem Gewicht kurz vor der „Einwinterung“.

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Auf diesem Foto ist Kim zu sehen, wie er gerade aus der Winterstarre 2008/2009 aufwacht.
Beide Fotos und die Tabelle stammen von der Autorin.


Hohe Gewichtsverluste führe ich unter anderem zurück auf zu trockenes Einfüllmaterial.
 
Durch Wiegen über viele Jahre hinweg habe ich bei Jungtieren von T. horsfieldii folgende Erfahrung gemacht:
Tiere, die in den letzten Wochen vor der Winterstarre stark zugenommen hatten, verloren hin und wieder weit über 10 % ihres Gewichtes während der Winterstarre. Nach dem ersten bzw. zweiten Bad war aber dieser Verlust wieder ausgeglichen. 
 
Also keine Angst vor der Winterruhe und bitte nicht aus lauter Bequemlichkeit, wie ich leider oft erfahren habe, das Tier erst gar nicht in die Winterstarre geben. Als Schildkrötenhalter haben wir eine große Verantwortung für unsere Tiere übernommen. Wenn wir unsere Schildkröten schon fern ihrer Heimat zu unserer Freude in unseren Breiten halten, sollten wir ihnen auf jeden Fall die für ihre Gesundheit notwendige Winterstarre gewähren.
 
Jahr für Jahr ist es doch immer wieder eine große Freude, wenn unsere Schildkröten uns im Frühjahr in den Kellern, Kühlschränken oder draußen in den Gärten anzeigen, dass der Frühling kommt. Und uns erwartet wieder eine schöne Zeit mit unseren Tieren.
 
Dieser Beitrag wurde am 5. April 2009 online gestellt.