Text und Fotos von Ricarda Schramm

Einleitung
Im Sommer 2011 mussten sich durch unseren Umzug in eine völlig andere Gegend auch meine Schildkröten, die natürlich ebenfalls mit umzogen, an andere Gegebenheiten gewöhnen. Vorher hatte der Garten eine Ausrichtung fast voll nach Westen, so dass die dort befindlichen Schildkröten-Gehege und -Schutzhäuser selbst im Hochsommer erst am späten Vormittag von der Sonne erreicht wurden – im zeitigen Frühjahr und im Herbst noch später, zumal eine große Scheune Schatten warf.
Mit diesen Gegebenheiten war ich natürlich nicht sehr glücklich, konnte sie aber nicht ändern. Bei der Suche nach einem neuen Standort, einem neuen Haus, achtete ich diesmal darauf, dass die Lage des Gartens für meine Schützlinge mehr Sonneneinstrahlung ermöglichte.

Der neue Standort liegt nun zwar auf ca. 650 m ü. NN. und zeigt naturgemäß meist ein raueres Klima mit etwas niedrigeren Durchschnittstemperaturen als der vorherige auf 123 m ü. NN. Dafür liegt unser neuer Garten nun an einem Südhang, Ausrichtung voll nach Süden. Von morgens bis abends können die Schildkröten die Sonne genießen. Bei Inversions-Wetterlagen, wie sie im Herbst häufiger auftreten, herrschen in höheren Lagen sogar mildere Temperaturen als in tieferen. Hinzu kommt, dass die Licht- und UV-Intensität mit der Höhe zunimmt, wie wir von vielen Bergurlauben wissen.
Beide Wohnorte liegen in Mittelhessen, sind also eher weniger von der Sonne verwöhnt als der gemäßigte Süden Deutschlands.

Zunächst musste vor dem geplanten Umzug durch den Bau eines neuen Schildkröten-Schutzhauses (Bild 1) für eine Unterkunft der Tiere gesorgt werden. Dieses wurde in Anbetracht der zu erwartenden klimatischen Bedingungen, der höheren Schneelasten und des höheren Winddrucks gleich mit stärkeren Stütz- und Tragebalken versehen und wesentlich stärker gedämmt. Vier große Alltop-Scheiben im Dach (H 150 x B 120 cm) sorgen für optimalen Lichteinfall, zusätzlich befinden sich noch je zwei Scheiben in der vorderen und hinteren Giebelwand. Die Materialkosten beliefen sich auf etwa 2.500 Euro, davon entfielen allein 600 Euro auf die Alltop-Scheiben im Dach.

SchrammBild1Bild 1: Das Bild zeigt mein neues Schildkrötenhaus mit insgesamt 12 cm Dämmung (8 cm innen und 4 cm außen), wie es noch im Bau war. Es bedeckt eine Fläche von 4 x 4 m. Die seitliche Höhe beträgt 1,30 m und die Firsthöhe 2 m. An unserem früheren Wohnort hatte ich drei Schildkröten-Schutzhäuser, jetzt nur noch eines, das dafür größer ist.

 

 

 

 

 

 

Veränderte Lage und das Verhalten der Schildkröten
Sicher ist der Herbst 2011 mit seinen ungewöhnlich milden Temperaturen bis in den Dezember (zumindest bei uns) wohl nicht repräsentativ; genauere Resultate werden also erst weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren zeigen. Allerdings wurde doch eines im Vergleich schon sehr deutlich: Vorher musste ich durch sehr starke HQI-Lampen und Heizen in den Schutzhäusern, mehr oder weniger erfolgreich, versuchen, die Aktivitätsphase meiner Schildkröten bis Anfang November zu verlängern, damit sie nicht zu früh mit der Winterstarre begannen (ich habe den Eindruck, dass viele Schildkrötenhalter ihren Tieren eine zu lange Winterstarre zumuten). Das Gleiche galt für die Aufwachphase im zeitigen Frühjahr. Hier spielt eine hohe Lichtintensität neben Wärme beim Erwachen eine wichtige Rolle, damit der Stoffwechsel der Schildkröten schnell wieder auf Touren kommt.

Am neuen Standort nun konnte ich im Herbst ganz auf zusätzliches künstliches Licht und vielfach auch auf Zuschalten der Wärmelampen verzichten, denn auch eine geringere Sonneneinstrahlung bei leicht bedecktem Himmel genügte, um die Temperatur im Schutzhaus auf angenehme Werte ansteigen zu lassen und für helles Licht zu sorgen. Die Schildkröten blieben bis Anfang Dezember aktiv, nahmen noch etwas Futter auf und sonnten sich ausgiebig (Bild 2). Danach deckten wir die Dachfenster ab, damit die Schildkröten sich bei niedrigeren Temperaturen in die Überwinterungsgruben unter den Schlafhäusern zurückziehen konnten.
Erste Erfahrungen mit der Aufwachphase werde ich erst in einigen Wochen sammeln können.

Erwartungsgemäß waren meine Tiere nach dem Einsetzen in ihr neues Zuhause in den ersten Wochen sehr scheu, was sich aber nach zwei Monaten legte. Wie die Weibchen auf die neue Umgebung und die veränderten Orientierungspunkte und Eiablageplätze im Gelände reagieren werden, wird sich im Frühjahr 20212 zeigen.

SchrammBild2Bild 2: Drei meiner Landschildkröten beim Sonnenbad im November 2011. Aktuell pflege ich außer meinen Nachzuchten aus 2011 folgende Schildkröten: 2,6 Testudo hermanni hercegovinensis, 1,2 Testudo hermanni hermanni Lokalform Kalabrien, 1,4 Thh aus der Toskana und 8 juvenile Thh aus Sizilien.

 

 

 

 

 

 

Fazit
Diese unterschiedlichen Beobachtungen des Verhaltens an zwei verschiedenen Standorten zeigen, wie wichtig in unseren klimatischen Breiten, abgesehen von der Wärme, die Lichtintensität und -qualität für die Aktivitätsphase der Schildkröten ist. Eine höhere Lichtintensität ermöglicht es, die Haltungsbedingungen mehr den Gegebenheiten in den natürlichen Verbreitungsgebieten anzunähern, was ja unser Ziel sein sollte. Durch höhere Lichtintensität kann der Halter erreichen, dass sich die Aktivitätsphase der Schildkröten verlängert und damit die Dauer der Winterstarre nicht unnatürlich in die Länge gezogen wird.

Natürlich spielt daneben auch die Temperatur eine Rolle, die ebenfalls durch Wärmelampen an die natürlichen Bedingungen angepasst werden muss. Hier hilft ein Blick auf aktuelle Wetterdaten aus den Verbreitungsgebieten.
In letzter Zeit liefern auch Beobachtungen und Temperatur-Messungen im Freiland genauere Aufschlüsse über den natürlichen Ablauf und die Dauer der Winterstarre (z.B. Ivanchev 2007, Wirth 2012).

Immer wieder wird in Diskussionen unter Schildkrötenhaltern über ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem zeitlichen Beginn der Winterstarre und deren Dauer berichtet. Vielleicht sind mögliche Gründe darin zu sehen, dass es sich immer um ganz verschiedene Standorte, Ausrichtungen der Gehege, Ausstattungen der Schutzhäuser und damit der Licht- und Wärmeverhältnisse handelt.

Literatur
Ivanchev, I. E. (2007): Überwinterung von Testudo hermanni und Testudo graeca in der Natur und unter sehr naturnahen Bedingungen in Bulgarien. Schildkröten-im-Fokus 4 (2), S. 3-21
Vinke, T. u. Vinke, S. (2006): Nach der Winterstarre ist vor der Winterstarre. In: Daubner, M. u. Vinke, T. (Hrsg.): Schildkröten-im-Fokus, Sonderband
Wirth, M. (2012): Europäische Landschildkröten im Winter. Elaphe-Terraria 1/2012, S. 76-83

 

Dieser Beitrag wurde am 20. Januar 2012 online gestellt.