von Horst Köhler, Friedberg
Einleitung
Für viele Schildkröten-Einsteiger, die sich erstmals im Sommer oder Herbst eine im gleichen Jahr geschlüpfte junge Landschildkröte - oder auch zwei oder drei - zulegen, stellt sich die Frage nach einer zweckmäßigen und doch artgerechten Unterbringung. Oft wird für diese Zwecke ein Terrarium angeschafft, das je nach Einrichtung und Standort, z.B. auf einem Sideboard, ein attraktiver Blickfang in einem Wohnraum ist (vorausgesetzt die Lampen blenden den Betrachter nicht zu sehr). Ich stelle jedoch immer wieder fest, dass derartige „Start-Terrarien" aus Kostengründen zu klein gekauft und dann schon nach einem Jahr zu eng werden, vor allem wenn noch ein zweites oder gar drittes Tier zusätzlich gekauft wird.
Gerade für die Gruppe der Neueinsteiger empfehle ich daher für das erste Lebensjahr der Schildkröte(n) den Kauf einer oben offenen Plastikwanne (Katzen-WC) für einige wenige Euro, wie schon an anderer Stelle ausführlich beschrieben ist (Köhler, 2008). An schönen, d.h. sonnigen Tagen, kann man eine solche leicht zu reinigende Wanne tagsüber auf den Balkon oder eine Terrasse stellen (im Oktober und November natürlich nur für wenige Stunden, so lange die in dieser Jahreszeit zunehmend schwächer werdende Sonne scheint). Zu beachten ist, dass sowohl eine Höhle als Unterschlupf bzw. Sonnenschutz und eine genügend hohe Substratschicht zum Eingraben bei zu hohen Tagestemperaturen vorhanden ist. Weitere Details können meinem (oben zitierten) Buch entnommen werden. Nach der ersten Überwinterung der Kleinen kann der Besitzer, der zu diesem Zeitpunkt bereits etliche Monate Erfahrungen in der Pflege von Landschildkröten sammeln konnte, im Verlauf des folgenden Frühjahrs und Frühsommers immer noch entscheiden, ob das Tier noch einige weitere Monate in der Schildkröten-Schale verbleibt, ob ein (geräumiges) Terrarium angeschafft oder, der Idealfall, ob ein erweiterbares Aufzuchtgehege im Garten angelegt wird.
An ausgesprochen schlechten Tagen im Sommer und an nass-trüben und kühlen Herbst- und Wintertagen müssen die Schildkröten-Babys durch eine Wärmelampe bestrahlt werden, und zwar so, dass am Rückenpanzer einer direkt unter der Lampe sitzenden Schildkröte eine Temperatur von nicht mehr als 26-27 °C herrscht (Köhler, 2008). Am einfachsten geschieht dies durch eine nicht mehr benötigte Schreibtischlampe, deren Arm mit dem Lampenreflektor möglichst tief heruntergedrückt werden kann, so wie dies auch in Bild 1 zu erkennen ist. Bei Schlüpflingen erscheint eine Carapax-Temperatur von 25-26 °C ausreichend. Bei längerem Aufenthalt der Jungschildkröten im Haus bzw. der Wohnung ist neben der Wärmelampe auch der Einsatz einer UVB-Bestrahlungslampe erforderlich. Weiteres zu diesem Thema in der Rubrik „Fachartikel" von schildi-online.eu. Nur so viel an dieser Stelle: gerade bei Jungtieren, deren Panzer noch weich ist, muss ich vor der Verwendung von leistungsstarken UVB-Strahlern mit hoher UVB-Intensität warnen: Schlüpflinge im natürlichen Lebensraum erhalten wegen ihrer versteckten Lebensweise im Dickicht noch weniger UVB als ältere Tiere.
Bild 1: 50 x 40 cm misst diese oben offene Kunststoffwanne für meine Nachzuchten. Steht sie nicht im Freien, was für meine Schlüpflinge der bevorzugte Aufenthaltsort bis etwa Herbst ist, werden diese rund sechs Stunden täglich mit einer Wärmelampe bestrahlt. Der große Reflektordurchmesser der Lampe von 25 cm sorgt für eine ausreichende Helligkeit über etwa die Hälfte der Bodenfläche der Wanne (im Gegensatz zu einem Spotstrahler, der bei einem kurzen Abstand zum Tier nur eine verhältnismäßig kleine Fläche erhellt). Direkt unter der Lampe ist es naturgemäß am hellsten und wärmsten. Bei dem Vergleichstest wurde der Abstand Unterkante Lampenreflektor zur Steinplatte auf dem Bodensubstrat mit 21-22 cm konstant gehalten. In der Bildmitte ein Meterstab zur Kontrolle des Abstandes. Das Foto entstand mit einer klaren 60-Watt-Glühbirne in der Lampe.
Getestete Leuchtkörper
Folgende Leuchtkörper wurden auf die durch sie erzeugten Oberflächentemperaturen auf der kleinen Steinplatte direkt unter dem Reflektor, die quasi ein Schildkröten-Baby simuliert, getestet (Bild 2, von links oben im Uhrzeigersinn):
(1) 11-Watt-Osram Duluxstar-Energiesparlampe (Leistung entspricht 60 Watt einer herkömmlichen Glühbirne), Energie-Effizienzklasse A, Lebensdauer ca. 9.800 Stunden, Sonderpreis (Bauhaus) € 4,35
(2) 100-Watt-Dragon Daylight, Tageslichtbirne mit blauem Glas, empfohlener Preis (Zoogeschäft) € 9,49 (Produkt läuft aus und wird z.B. auf Terraristikmessen zum Sonderpreis von nur 2 € verkauft; laut Herstellerangabe hat der neue Spot eine bessere Qualität und auch eine andere Verpackung)
(3) 60-Watt-Repti-Basking Spot Lamp von ZooMed, mit eingebautem Doppelreflektor, Lebensdauer ca. 2.000 Stunden, empfohlener Preis (Zoogeschäft) € 9,49
(4) Klare 60-Watt-Glühbirne von Osram, Energie-Effizienzklasse E, statistische Lebensdauer ca. 1.000 Stunden, Preis im Doppelpack (Bauhaus, Obi usw.) € 1,99 (2 Stück).
Bild 2: Diese vier Leuchtkörper wurden im Test eingesetzt. Sie liefern bei gleichem Bestrahlungsabstand (21-22 cm) unterschiedlich hohe Oberflächentemperaturen in Bodennähe. Beide Fotos vom Autor.
Das Messinstrument
Die Oberflächentemperatur auf der kleinen Platte wurde mit dem Digital-Thermometer TM-902C (AC-902C) erfasst, dessen Sensor ein punktförmig messendes, ultraschnelles NiCr/NiAl-Thermoelement ist (Details siehe Köhler, 2008). Gemessen wurde erst, nachdem die Lampe mindestens drei Stunden lang eingeschaltet war; Zimmertemperatur = 20 °C.
Ergebnis und Fazit
→ Die höchste Oberflächentemperatur, 32-33 °C bei gleichzeitig hellem Licht, lieferte der Spotstrahler Basking Spot. Die Schlüpflinge mieden allerdings den Platz unter dem Spot, da die erzeugte Temperatur für sie zu hoch war. Es ist deshalb ein Basking Spot mit etwas schwächerer Leistung bei etwas größerem Bestrahlungsabstand einzusetzen.
→ Die zweithöchste Temperatur mit 28 °C und ebenfalls ein relativ helles Licht lieferte das Produkt Dragon Daylight; allerdings handelte es sich um den Strahler mit der höchsten Leistung im Test (100 Watt). Auch hier wäre der Bestrahlungsabstand etwas zu vergrößern, was zugleich die hell bestrahlte Bodenfläche vergrößert.
→ Die klare 60-Watt-Glühbirne erzeugte an der Messstelle eine Oberflächentemperatur von 24 °C. Dies liegt für Baby-Schildkröten an der unteren Grenze, so dass entweder der Abstand Schildkröte-Lampe noch weiter reduziert werden muss oder eine 75-Watt-Glühbirne in die Fassung einzuschrauben ist. Achtung: klare 100- und 75-Watt-Glühbirnen gibt es ab September 2009 nicht mehr im Handel. Die Herstellung, nicht aber das Aufbrauchen vorhandener Bestände, ist verboten
→ Die „moderne" Energiesparlampe mit nur 11 Watt Leistung (entsprechend 60 Watt „herkömmlicher" Leistung) erbrachte bei einem sehr unnatürlichen Licht eine Temperatur von lediglich 21 °C am Boden (direkt am Glaskörper selbst wurden nur 41-42 °C gemessen). Dies ist für die Aufzucht von Schildkröten-Nachzuchten entschieden zu wenig, auch wenn man den Lampenschirm noch weiter in Richtung Boden drücken würde. Für mich scheidet dieses Produkt für die Schildkrötenpflege aus.
Aus Kostengründen würde ich unter den vier verwendeten Strahlern die „alte" Glühbirne, dann aber zweckmäßigerweise eine mit 75 Watt Leistung, für den hier gewählten konkreten Anwendungsfall als „Testsieger" bezeichnen. Glühbirnen sind so genannte Temperaturstrahler und besitzen eine stark sonnenähnliche Spektralverteilung, was für die Wärmebestrahlung von Schildkröten ein Vorteil ist. Im sichtbaren Licht überwiegt bei ihnen der Rotanteil, was sich durch ein angenehmes warm-weißes Licht bemerkbar macht. Zwar wird von ihrer Leistung nur max. 15 % in Licht und das meiste, also 85 % in Wärme umgewandelt (dies ist auch der Grund dafür, warum Glühbirnen wegen „Ineffizienz" abgeschafft werden), doch gerade dies sind bei der Schildkröten-Pflege positive Kriterien.
Die Testergebnisse sind sinngemäß auch auf die Situation in einem geschlossenen Terrarium zu übertragen. Da in diesem Fall die Energieverluste geringer sind als in einer offenen Wanne, würden die Temperaturen am Boden bei allen verwendeten Produkten an der Messstelle jeweils etwas höher liegen als oben angegeben.
Literatur
Köhler Horst (2008): Aufzucht europäischer Landschildkröten-Babys: vom Ei zum robusten Jungtier. Schildi-Verlag Augsburg, 180 Seiten (erhältlich direkt beim Verlag über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Der Artikel wurde am 3. August 2009 online gestellt