Die südostafrikanische Inselrepublik Madagaskar, mit 587.041 Quadratkilometern Fläche in der Rangliste der größten Länder der Welt auf Platz 44 und viertgrößte Insel der Welt, beherbergt wohl die größte Vielfalt an Schildkrötenarten, die man sich nur vorstellen kann. Und dies, obwohl Riesenschildkröten auf dieser Insel bereits seit mehr als 750 Jahren ausgestorben sind (zahlreiche Funde von Resten von Dipsochelys abrupta und D. grandidieri belegen das frühere Vorkommen). Die Skala der auf Madagaskar heimischen Arten beginnt mit den sehr versteckt lebenden Arten Pyxis planicauda (Flachrücken-Schildkröte) und P. arachnoides (Spinnenschildkröte), mit höchstens 15 cm Körperlänge eine der kleinsten Schildkrötenarten überhaupt; beide sind recht selten. Die Spinnenschildkröte ist die einzige Landschildkröte mit einem Gelenk im vorderen Teil des Plastrons; damit kann sie ihren Panzer fast vollständig verschließen.Auch die Strahlenschildkröte, Astrochelys radiata (Geochelone radiata) und A. yniphora (Geochelone yniphora), die Schnabelbrust-Schildkröte, sind madagassische Landschildkröten. Beide, vor allem A. yniphora, sind akut vom Aussterben bedroht, unter anderem deswegen, weil sie für die einheimische Bevölkerung willkommene Fleischlieferanten sind. Im Nordwesten der Insel liegt das Verbreitungsgebiet der nicht einfach nachzuzüchtenden (und anderen Schildkrötenarten gegenüber aggressiven) Glattrand-Gelenkschildkröte, Kinixys belliana; sie wurde allerdings von Menschen auf Madagaskar angesiedelt.

 

Neben den genannten Landschildkröten beherbergt das Land eine größere Zahl an Süßwasser-Schildkrötenarten, so die Sumpfschildkröten Pelusios castanoides und P. subniger sowie Pelomedusa subrufa und die Madagaskar-Schienenschildkröte, Erymnochelys madaqascarienses. Entlang der Küsten nisten große Meeresschildkröten: die Suppenschildkröte (Chelonia mydas), die Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata), die weltweit in tropischen Gewässern vorkommende Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) und Lepidochelys olivacea, wobei die beiden zuletzt genannten Arten in der Region vorwiegend nur die Küsten Madagaskars zum Ablegen ihrer Eier bevorzugen.

Die Schildkrötenpopulationen auf Madagaskar sind durch illegale Naturentnahmen für den Hobby-Handel, durch den Verzehr und durch die Zerstörung ihrer Habitate (z.B. Abbrennen von Wäldern, Zertrampeln der Biotope durch Rinder) stark gefährdet. Die Dezimierung durch menschlichen Verzehr trifft insbesonders die außerordentlich beliebte Strahlenschildkröte, obwohl eigentlich ihr Verzehr durch ein religiöses Tabu untersagt ist. Doch aus Mangel an Fleischalternativen bleibt dieses Verbot leider häufig unbeachtet.

 

Weiterführende Literatur

Mähn Matthias (2000): Zum Vorkommen von Geochelone radiata und Pyxis arachnoides am Cap Ste. Marie, Süd-Madagaskar. Tagungsband Großes Schildkrötensymposium Salzburg, Januar 1997, Natur und Tier-Verlag, Münster, ISBN 3-931587-42-8

Gerlach Justin (2004): Giant Tortoises of the Indian Ocean. Edition Chimaira, Frankfurt/M, ISBN 3-930612-63-1

Jasser-Häger Irmtraud und Philippen Hans-Dieter (2004): Bemerkungen zur Biologie und zur alternativen Haltung und Zucht von Kinixys belliana nogueyi. Marginata, Nr. 1, Jahrgang 1 (1), S. 36-44

Hammer Jutta (2006): Die Strahlenschildkröte auf Madagaskar – Start einer Populationsuntersuchung. Schildkröte Im Fokus 3 (3), S. 27-28

Hilgartner Roland und Hilgartner Mamisolo Raolision (2007): Hoffnung für den Erhalt der Flachrücken-Schildkröte Pyxis planicauda im natürlichen Habitat? Marginata Nr. 12, Jahrgang 3 (4), S.46-49

 

2.1.2008 Horst Köhler